15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil01.03.2016

Prüfungs­pflichten für Betreiber eines Online-Bewer­tungs­portals dürfen Geschäftsmodell nicht wirtschaftlich gefährden oder Tätigkeit unver­hält­nismäßig erschwerenBundes­ge­richtshof konkretisiert Pflichten des Betreibers eines Ärzte­bewertungs­portals

Der Bundes­ge­richtshof hat die Pflichten des Betreibers eines Ärzte­bewertungs­portals (hier: Jameda) konkretisiert und darauf verwiesen, dass der Betreiber für die vom Nutzer ihres Portals abgegebenen Bewertungen nur dann haften, wenn er zumutbare Prüfungs­pflichten verletzt hat. Zudem darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unver­hält­nismäßig erschwert.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist Zahnarzt. Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Portal zur Arztsuche und -bewertung. Dort können Interessierte Informationen über Ärzte aufrufen. Registrierten Nutzern bietet das Portal zudem die Möglichkeit, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten. Die Bewertung, die der jeweilige Nutzer ohne Angabe seines Klarnamens abgeben kann, erfolgt dabei anhand einer sich an Schulnoten orientierenden Skala für insgesamt fünf vorformulierte Kategorien, namentlich "Behandlung", "Aufklärung", "Vertrau­ens­ver­hältnis", "genommene Zeit" und "Freundlichkeit". Ferner besteht die Möglichkeit zu Kommentaren in einem Freitextfeld.

Anonymer Nutzer vergibt für Arzt nur Gesamtnote 4,8

Gegenstand der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs war die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer, in der er behauptete, dass er den Kläger nicht empfehlen könne. Als Gesamtnote war 4,8 genannt. Sie setzte sich aus den in den genannten Kategorien vergebenen Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note "6" für "Behandlung", "Aufklärung" und "Vertrau­ens­ver­hältnis". Der Kläger bestreitet, den Bewertenden behandelt zu haben.

Arzt fordert Löschung der Bewertung

Der Kläger forderte die Beklagte vorprozessual zur Entfernung der Bewertung auf. Diese sandte die Beanstandung dem Nutzer zu. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf daten­schutz­rechtliche Bedenken nicht weiter. Die Bewertung beließ sie im Portal.

Verfahrensgang

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landgericht hat der Klage stattgeben; das Oberlan­des­gericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Der Bundes­ge­richtshof hat diese Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Betreiber eines Online-Bewer­tungs­portals haftet für abgegebene Bewertung nur bei Verletzung zumutbarer Prüfungs­pflichten

Die beanstandete Bewertung ist keine eigene "Behauptung" der Beklagten, weil diese sie sich inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Die Beklagte haftet für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung deshalb nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungs­pflichten verletzt hat. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechts­ver­letzung, den Erkennt­nis­mög­lich­keiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unver­hält­nismäßig erschwert.

Beklagte hat im vorliegenden Verfahren ihr obliegende Prüfpflichten voraussichtlich verletzt

Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungs­ge­richts hat die Beklagte ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewer­tungs­portals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen in sich. Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen. Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portal­be­treiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behand­lungs­kontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behand­lungs­kontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen. Im weiteren Verfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergriffenen weiteren Prüfungs­maß­nahmen ergänzend vorzutragen.

§ 12 Abs. 1 TMG lautet:

Erläuterungen

Grundsätze

(1) Der Diensteanbieter darf perso­nen­be­zogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechts­vor­schrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

(2) [...] (3) [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil22289

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI