18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 10767

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Urteil21.12.2010BundesgerichtshofVI ZR 312/09
Vorinstanzen:
  • Landgericht Dortmund, Urteil14.11.2008, 12 O 264/06
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil22.09.2009, I-9 U 11/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil21.12.2010

Verein für Reittherapie bei Behinderten haftet für Unfall bei der ReitausbildungBGH verneint Entlas­tungs­mög­lichkeit über Nutztier­privileg gemäß § 833 Satz 2 BGB

Einem Idealverein, der sich nach seinem Vereinszweck der Reittherapie von Behinderten widmet, ist die Entlas­tungs­mög­lichkeit über das so genannte Nutztier­privileg im Sinne des § 833 Satz 2 BGB* bei einem Reitunfall mit einem Vereinspferd versagt. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Im zugrunde liegenden Fall erhielten eine Mutter, die an einer Behinderung leidet und deren Tochter Reitunterricht bei einem eingetragenen Verein für Reittherapie von Behinderten. Bei einer Reitstunde in der Halle zog sich die Mutter bei einem Sturz von dem Pferd "Ronny" eine Lenden­wir­bel­fraktur zu. Die genaue Entwicklung des Reitunfalls ist zwischen den Parteien streitig. Die Tochter ritt auf dem Pferd "Princess" voraus. Nach den Feststellungen des Oberlan­des­ge­richts wurde der Sturz dann dadurch verursacht, dass "Ronny" aus dem Galopp heraus durch ein voraus­ge­gangenes Verhalten von "Princess" abrupt stehen blieb. Die Mutter verlangte daraufhin von dem Verein und vom Reitlehrer Schadensersatz wegen des Reitunfalls.

Rechtsprechung zur Frage der Entlas­tungs­mög­lichkeit des § 833 Satz 2 BGB für einen Idealverein uneinheitlich

Das Oberlan­des­gericht hat der Klage gegen beide Beklagten stattgegeben. Es hat die Revision für den beklagten Verein zugelassen, weil die Frage der Entlas­tungs­mög­lichkeit des § 833 Satz 2 BGB*für einen Idealverein, der seine Pferde - ohne Gewinn­er­zie­lungs­absicht - zur Verfolgung seiner als gemeinnützig anerkannten, satzungsmäßigen Zwecke halte, grundsätzliche Bedeutung habe und es hierzu unter­schiedliche Auffassungen in der oberge­richt­lichen Rechtsprechung gebe.

Entlastung von der Gefähr­dungs­haftung des § 833 Satz 1* BGB für Idealverein nicht möglich

Die Revision hatte keinen Erfolg. Die Tierhal­ter­haftung ist in § 833 Satz 1 BGB* als Gefährdungshaftung ausgestaltet. Das Gesetz räumt nach § 833 Satz 2 BGB* dem Tierhalter die Möglichkeit, sich von der Gefähr­dungs­haftung des § 833 Satz 1* BGB durch den Nachweis zu entlasten, bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet zu haben, nur dann ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht worden ist, das dem Beruf, der Erwer­b­s­tä­tigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist. Dies ist bei einem Idealverein, der sich im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgabe der Reittherapie von Behinderten widmet, grundsätzlich nicht der Fall.

Klägerin ist kein Mitverschulden anzulasten

Der Klägerin war auch kein Mitverschulden anzulasten, weil sie trotz ihrer körperlichen Beein­träch­tigung überhaupt Reitstunden genommen hat. Denn sie konnte damit rechnen, dass die Reitausbildung ihrer Behinderung Rechnung trug.

Erläuterungen
*§ 833 BGB

Haftung des Tierhalters

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwer­b­s­tä­tigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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