Bundesgerichtshof Beschluss21.06.2022
Feststellung eines Entscheidungskonflikt wegen mangelnder Aufklärung setzt persönliche Anhörung des Patienten vorausPersönliche Erwägungen des Patienten müssen beachtet werden
Die Frage, wie sich ein Patient bei ausreichender Aufklärung entschieden hätte und ob er in ein Entscheidungskonflikt geraten wäre, kann nur mittels einer persönlichen Anhörung des Patienten durch den Tatrichter geklärt werden. Denn insoweit müssen auch die persönlichen Erwägungen des Patienten beachtet werden. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Februar 2017 unterzog sich ein Patient einer LASIK-Laserbehandlung am rechten Auge. Aufgrund einer Komplikation entschied sich der Arzt die LASIK-Behandlung abzubrechen und stattdessen eine photoreaktive EXCIMNER-Laserbehandlung (PRK) durchzuführen. Der Patient beklagte sich nach der Behandlung über andauernde Sehbeschwerden sowie Augentrockenheit und klagte schließlich auf Schadensersatz. Er trug vor, dass er bei ausreichender Aufklärung der PRK nicht zugestimmt hätte.
Landgericht und Oberlandesgericht wiesen Klage ab
Sowohl das Landgericht Potsdam als auch das Oberlandesgericht Brandenburg wiesen die Schadensersatzklage ab. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts habe der Kläger in den anwaltlichen Schriftsätzen nicht plausibel glaubhaft gemacht, aus welchen Gründen er einer PRK nicht zugestimmt und insofern ein Entscheidungskonflikt vorgelegen hätte. Auf eine persönliche Anhörung komme es nicht an. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision des Klägers.
Bundesgerichtshof sieht Erfordernis der persönlichen Anhörung des Patienten
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Klägers. Ein Tatrichter dürfe Feststellungen darüber, wie sich ein Patient bei ausreichender Aufklärung entschieden hätte, und ob er in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen.
Persönliche Erwägungen des Patienten müssen beachtet werden
Durch die persönliche Anhörung solle vermieden werden, so der Bundesgerichtshof, dass das Tatgericht für die Verneinung eines Entscheidungskonflikts vorschnell auf das abstelle, was bei objektiver Betrachtung als naheliegend oder vernünftig erscheine, ohne die persönlichen möglicherweise weniger naheliegenden oder als unvernünftig erscheinenden Erwägungen des Patienten ausreichend in Betracht zu zeihen. Die persönliche Anhörung solle es dem Gericht ermöglichen, den anwaltlich vorgetragenen Gründen für und gegen einen Entscheidungskonflikt durch konkrete Nachfragen nachzugehen und sie auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Patienten sachgerecht beurteilen zu können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.04.2025
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)