21.11.2024
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Dokument-Nr. 21818

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Urteil15.09.2015BundesgerichtshofVI ZR 175/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2016, 789Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2016, Seite: 789
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Köln, Urteil18.09.2013, 28 O 150/13
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil11.03.2014, 15 U 153/13
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil15.09.2015

BGH: Erhebliche Verletzung des allgemeinen Persön­lichkeits­rechts bei Veröf­fent­lichung von Verhal­tens­weisen und Fähigkeiten einer namentlich genannten Grundschülerin in einem BuchSchwerwiegende Beein­träch­tigung des Rechts auf ungestörte kindliche Entwicklung

Wird in einem Buch einer ehemaligen Lehrerin die Verhaltensweise und Fähigkeiten einer namentlich genannten Grundschülerin geschildert, so liegt darin eine erhebliche Verletzung des allgemeinen Persön­lichkeits­rechts. Aufgrund der schwerwiegenden Beein­träch­tigung des Rechts auf ungestörte kindliche Entwicklung kann die Schülerin auf Unterlassung der Nennung ihres Namens klagen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ende des Jahres 2007 nahm eine Grundschülerin probeweise am Unterricht der dritten Klasse teil. Dies diente als Test dafür, ob sie geeignet war, die zweite Klasse zu überspringen. Die Lehrerin der Klasse hielt davon nichts, sodass es in der Folgezeit zu einer Ausein­an­der­setzung mit der Mutter des Kindes kam. Diese steigerte sich durch mehrere durch die Mutter veranlasste Presse­mit­tei­lungen zum Vorgang. In den Presseberichten wurden zwar die Lehrerin, die Mutter des Kindes sowie die Grundschule namentlich benannt. Jedoch wurde nicht der Name des Kindes mitgeteilt. Nachdem die Lehrerin im Jahr 2011 den Schuldienst verließ, veröffentlichte sie ein Buch. In diesem schilderte sie unter anderem die Vorgänge um die probeweise Versetzung der Schülerin. Unter voller Namensnennung wurde das Kind als "unreife" und ihren Mitschülerinnen sozial unterlegene "Möchte­ger­n­über­springerin" dargestellt. Das Kind sah sich dadurch in seinem Persön­lich­keitsrecht verletzt und klagte auf Unterlassung der Namensnennung sowie auf Zahlung einer Entschädigung.

Landgericht bejaht Unter­las­sungs­an­spruch, Oberlan­des­gericht verneint sowohl Unterlassungs- als auch Entschä­di­gungs­an­spruch

Das Landgericht Köln gab der Unter­las­sungsklage statt. Verneinte aber einen Anspruch auf Entschädigung. Das Oberlan­des­gericht Köln dagegen verneinte sowohl den Unter­las­sungs­an­spruch als auch den Entschä­di­gungs­an­spruch. Zwar sei die Schülerin in ihrem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht verletzt worden, so das Oberlan­des­gericht. Der Eingriff sei aber gerechtfertigt gewesen, da das Schutzinteresse der Schülerin hinter dem Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung habe zurücktreten müssen. Insofern sei zu beachten gewesen, dass die Schülerin bereits aufgrund der veröf­fent­lichten Presseartikel leicht zu identifizieren gewesen sei. Ihre Anonymität sei daher schon durch ihre Mutter aufgehoben worden. Gegen diese Entscheidung legte die Schülerin Revision ein.

Bundes­ge­richtshof hält Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht für rechtswidrig

Der Bundes­ge­richtshof entschied zum Teil zu Gunsten der Schülerin. Ihr habe ein Anspruch auf Unterlassung ihrer Namensnennung in dem veröf­fent­lichten Buch der Lehrerin zugestanden. Denn der Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht sei rechtswidrig gewesen. Das Interesse am Schutz der Persönlichkeit der Schülerin habe das von der Lehrerin verfolgte Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs­freiheit überwogen.

Erheblicher Eingriff in allgemeines Persön­lich­keitsrecht

Es sei zu beachten gewesen, so der Bundes­ge­richtshof, dass der Eingriff erheblich war. Denn zum Zeitpunkt der Buchver­öf­fent­lichung habe sich die Schülerin in einer besonders schutzwürdigen Phase ihrer Persön­lich­keits­ent­wicklung befunden. Kinder bedürfen eines besonderen Schutzes, weil sie sich erst zu eigen­ver­ant­wort­lichen Personen entwickeln müssen. Ihre Persön­lich­keits­ent­faltung könne durch die öffentliche Erörterung ihrer persönlichen Angelegenheiten wesentlich empfindlicher gestört werden als die von Erwachsenen. Die identi­fi­zierende Berich­t­er­stattung sei geeignet gewesen, die Entwicklung zur und Entfaltung als Persönlichkeit nachhaltig zu behindern.

Interesse an Information der Öffentlichkeit durch anonymisierte Berich­t­er­stattung

Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs habe die Lehrerin ihr Interesse an der Information der Öffentlichkeit über die Vorkommnisse ohne ernstliche Einschränkung durch eine anonymisierte Berich­t­er­stattung verfolgen können.

Mögliche Identi­fi­zier­barkeit durch Presseartikel unbeachtlich

Für unerheblich hielt der Bundes­ge­richtshof zudem den Umstand, dass die Schülerin möglicherwiese bereits durch die veröf­fent­lichten Presseartikel identifizierbar gewesen sei. Denn durch die Presseartikel seien nicht die schulischen Verhal­tens­weisen und Fähigkeiten der Schülerin im Zusammenhang mit ihrer namentlichen Nennung offenbart worden. Dies sei erst durch die Buchver­öf­fent­lichung geschehen.

Kein Anspruch auf Geldent­schä­digung

Nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs habe der Schülerin kein Anspruch auf eine Geldentschädigung zugestanden. Eine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts rechtfertigte nur dann einen solchen Anspruch, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handle und die Beein­träch­tigung nicht in anderer Weise befriedigt aufgefangen werden könne. Letztes sei hier hingegen der Fall gewesen. Durch den bejahten Unter­las­sungs­an­spruch und der damit verbundenen Ordnungsmittel habe die Schülerin ausreichend Genugtuung erlangt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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