Zum Dessert hatte der Gaststätteninhaber selbst hergestellten Pudding sowie Vanilleeis gereicht. Darin befanden sich Salmonellen. Das Landgericht Aschaffenburg hatte noch eine Haftung des Gaststätteninhabers weitgehend verneint. Zum einen hätten die Kläger sein Verschulden nicht nachweisen können, zum anderen scheide auch eine Haftung nach den Grundsätzen über die verschuldensunabhängige Produzentenhaftung aus, da diese Grunsätze nicht auf die Inhaber kleinerer Betriebe (Familienbetriebe) anwendbar seien.
Der Bundesgerichtshof sah das anders und hob das Urteil auf. Voraussetzung für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB sei zwar, dass den Schädiger ein Verschulden treffe. Dies müsse im Regelfall der Geschädigte nachweisen. Abweichend davon habe der Bundesgerichtshof jedoch im Bereich der Produzentenhaftung den Grundsatz entwickelt, dass der Hersteller eines bei seiner Inverkehrgabe fehlerhaften Produktes im Wege der Beweislastumkehr darzulegen und zu beweisen habe, dass ihn in Bezug auf die Fehlerhaftigkeit des Produktes, die zu dem Schaden beim Verbraucher führte, kein Verschulden treffe.
Diese Grundsätze seien auch vorliegend anwendbar. Mit der Umkehr der Beweislast werde der Beweisnot Rechnung getragen, in der sich der Geschädigte gegenüber dem Produkthersteller in der Regel befinde. Der Produzent sei "näher dran", den Sachverhalt aufzuklären und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, da er die Produktionssphäre überblicke und den Herstellungsprozess sowie die Auslieferungskontrolle organisiere. Liege daher die Ursache der Unaufklärbarkeit im Bereich des Produzenten, so erscheine es nach dieser Rechtsprechung sachgerecht und zumutbar, dass ihn das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Schuldlosigkeit treffe.
Allerdings sei es bei Aufstellung dieser Grundsätze um einen Fall industriemäßiger Fabrikation gegangen. Die Frage, ob die Übernahme des Beweisrisikos auch dem Inhaber eines kleinen Betriebes, dessen Herstellungsverfahren überschaubar und durchsichtig sei (Familien- und Einmannbetriebe), zugemutet werden könne, sei damals ausdrücklich offen gelassen worden. Jedoch bestehe nach Auffassung des Gerichts kein durchgreifender sachlicher Grund, handwerklich ausgerichtete Kleinbetriebe, um die es sich bei Gastwirten in der Regel handele, von der Übernahme des Beweisrisikos auszunehmen.
Der Grundgedanke - nämlich die schwere Durchschaubarkeit der Herstellungsvorgänge - gelte ganz allgemein, gleichgültig ob es sich um einen Groß- oder um einen Kleinbetrieb handele. Dass die Verhältnisse in einem kleinen Betrieb leichter überschaubar seien als in einer großen Fabrik, ändere nichts daran, dass sich der Herstellungsprozess im Herrschaftsbereich des Betriebsinhabers vollziehe, den dieser wesentlich leichter überblicken könne als der Gast. Dieser könne als Außenstehender in der Regel nicht wissen, wie die Speisen im Einzelfall zubereitet werden. Ebenso wenig könne er wissen, welche Maßnahmen zur Beachtung der hygienischen Belange in der Gastwirtschaft getroffen werden.
Deshalb erscheine es billig und zumutbar, den Betriebsinhabern auch von Kleinbetrieben die Beweislast für mangelndes Verschulden aufzubürden. Auch wenn Kleinbetriebe in der Regel nicht über die Kontrollmöglichkeiten eines industriellen Großbetriebs verfügen, so seien andererseits die Herstellungsvorgänge im Kleinbetrieb wesentlich leichter durchschaubar, so dass der Inhaber auch leichter etwaige Fehlerquellen aufdecken und den Entlastungsbeweis führen könne. Im übrigen gebe es auch gar keine brauchbaren Kriterien, nach denen Kleinbetriebe von Groß- und Mittelbetrieben sinnvoll abgegrenzt werden könnten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.06.2011
Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/we)