Dokument-Nr. 16645
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- DAR 2013, 573Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2013, Seite: 573
- JuS 2014, 268 (Gerald Mäsch)Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2014, Seite: 268, Entscheidungsbesprechung von Gerald Mäsch
- MDR 2013, 967Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 967
- Amtsgericht Görlitz, Urteil25.07.2011, 4 C 236/07
- Landgericht Görlitz, Urteil19.03.2012, 2 S 76/11
Bundesgerichtshof Urteil11.06.2013
Verkehrsunfall zwischen Straßenbahn und Pkw: Halter eines Fahrzeugs muss sich Mitverschulden des Fahrers bei Anspruch auf Schadenersatz nach § 831 BGB nicht zurechnenKeine analoge Anwendung des § 4 HPflG bzw. § 9 StVG wegen fehlender Regelungslücke
Macht der Halter eines Fahrzeugs ein Schadenersatzanspruch nach § 831 BGB wegen eines Verkehrsunfalls geltend, so muss er sich nicht das Mitverschulden des Fahrers des Fahrzeugs zurechnen lassen. Eine analoge Anwendung des § 4 HPflG bzw. § 9 StVG scheidet aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall kam es im Januar 2007 im Rahmen eines Abbiegevorgangs eines Autofahrers zwischen einer Straßenbahn und dem PKW zu einem Verkehrsunfall. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Görlitz verurteilten den Straßenbahnfahrer und die Verkehrsbetriebe aufgrund des Unfalls zur Zahlung von Schadenersatz. Die Richter kürzten den Anspruch jedoch um das Mitverschulden des Autofahrers von einem Drittel. Darüber hinaus bestand insbesondere Streit darüber, ob der Halter des beschädigten Fahrzeugs von den Verkehrsbetrieben Schadenersatz wegen des Verschuldens des Straßenbahnfahrers verlangen kann (§ 831 BGB).
Landgericht verneinte Anspruch
Das Landgericht Görlitz verneinte einen Anspruch des Fahrzeughalters auf Schadenersatz gegen die Verkehrsbetriebe gemäß § 831 BGB. Denn der Halter habe sich das Mitverschulden des Autofahrers in entsprechender Anwendung des § 4 HPflG anrechnen müssen. Zwar werde eine solche Anwendung nach überwiegender Auffassung verneint. Denn die Verschuldenszurechnung solle einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Fahrzeugführer nach dem Straßenverkehrsgesetz schon bei vermutetem Verschulden haftet. Während im Rahmen des Deliktsrecht (Bsp.: § 823 BGB) das Verschulden feststehen muss (BGH, Urt. v. 30.03.1965 - VI ZR 257/63 = VersR 1965, 523). Nach Ansicht des Landgerichts Görlitz lasse sich diese Begründung aber auch auf § 831 BGB übertragen. Zwar gehöre diese Vorschrift zum Deliktsrecht. Dennoch werde das Verschulden vermutet. Mit dieser Auffassung war der Fahrzeughalter jedoch nicht einverstanden und legte Revision ein.
Entsprechende Anwendung des § 4 HPflG unzulässig
Der Bundesgerichtshof gab dem Fahrzeughalter recht. Eine analoge Anwendung des § 4 HPflG auf die Ansprüche des Deliktsrechts scheide aus. Dies gelte auch für Ansprüche aus § 831 BGB. Denn dies würde die vom Gesetzgeber gewollten Unterschiede zwischen den beiden Haftungssystemen verwischen. Es sei zu beachten, dass eine analoge bzw. entsprechende Anwendung einer Vorschrift nur dann in Betracht kommt, wenn eine planwidrige, also unbeabsichtigte, Regelungslücke vorliegt. Eine solche habe jedoch aus Sicht der Bundesrichter nicht vorgelegen.
Unterscheidung beider Haftungssysteme nachvollziehbar
Die Unterscheidung zwischen den Haftungssystemen des Deliktsrechts und Straßenverkehrsrechts sei zudem nachvollziehbar, so der Bundesgerichtshof weiter. Denn das Straßenverkehrsrecht beinhalte, abgesehen von § 18 StVG, eine reine Gefährdungshaftung, ohne Notwendigkeit eines Verschuldens. Daher sei die Zurechnung eines Mitverschuldens als Ausgleich gerechtfertigt. Das Deliktsrecht wiederum stelle immer auf ein Verschulden ab. Ein Ausgleich sei somit nicht erforderlich.
Betriebsgefahr des Fahrzeugs war jedoch zuzurechnen
Der Bundesgerichtshof verneinte dennoch den Anspruch auf Schadenersatz aus § 831 BGB. Da sich der Fahrzeughalter die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs in entsprechender Anwendung des § 254 BGB habe zurechnen lassen müssen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.08.2013
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)
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