15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 18515

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Bundesgerichtshof Urteil18.07.2014

Anmeldefrist für Ansprüche wegen der Spätfolgen defekter Luftschutzräume beginnt erst ab Mitteilung über endgültige Schließung der SchutzräumeBGH zum Ausschluss von Ansprüchen wegen Spätfolgen durch schadhafte Luftschutzräume aus dem Zweiten Weltkrieg

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche wegen Spätschäden aufgrund der Anlegung von Luftschutz­räumen auf privaten Grundstücken während des Zweiten Weltkriegs gegen die Bundesrepublik Deutschland noch bestehen können. Das Gericht verwies in seiner Entscheidung darauf, dass die Anmeldefrist für Ansprüche wegen der Spätfolgen defekter Luftschutzräume, die während des Zweitens Weltkriegs errichtet worden sind, grundsätzlich nicht schon mit der Schließung des Schutzraums beginnt, sondern erst mit der Entscheidung, dass sie endgültig sein soll.

Der Entscheidung liegt folgender Fall zugrunde: Auf dem Grundstück der Klägerin befindet sich ein Felsen mit einer ehemaligen Stollenanlage, die während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzraum genutzt wurde. Diese hat mehrere Eingänge. Einer davon befindet sich auf einem anderen Grundstück und war verschlossen. Vor einem auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen weiteren Eingang wurde in den 1960er Jahren eine Mauer errichtet, um ein Betreten der Anlage von dort aus zu verhindern. Nachdem die Klägerin Anfang 1983 ein Angebot zur Besitzübergabe wegen eines darin enthaltenen Anspruchs­ver­zichts nicht annehmen wollte, erklärte die Beklagte mit einem Schreiben an die Klägerin vom 26. April 1983, sie gebe den Besitz an der Anlage auf. Ende 2006 stellte die Klägerin schwere Bauschäden an einem 1954 vor der Wand des Felsens errichteten Lagergebäude fest, die auf einen Felsabbruch oberhalb des Zugangs zu der Stollenanlage zurückzuführen sind. Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland als Ersatz für Sicherungs- und Abtra­gungs­a­r­beiten Zahlung von zuletzt 215.261,38 Euro nebst Zinsen.

Entscheidung der Vorinstanzen

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin weitgehend entsprochen. Die zugelassene Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungs­urteils und zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Oberlan­des­gericht.

Bund hat bei rechtzeitiger Anmeldung von Ansprüchen für Beseitigung der Eigen­tums­s­törung bei Gefahr für Leben oder Gesundheit einzustehen

Die Anlegung des Luftschutzraums auf dem Grundstück der Klägerin ist eine Eigen­tums­s­törung i.S.d. § 1004 BGB. Dagegen konnte die Klägerin zunächst nichts unternehmen, weil ihre Stollenanlage mit der Anlegung der Schutzräume für einen öffentlichen Zweck, nämlich als Luftschutzraum, gewidmet wurde und sie diese Widmung zu dulden hatte (§ 1004 Abs. 2 BGB). Die Bundesrepublik hat mit § 1 des Allgemeinen Kriegs­fol­gen­ge­setzes (AKG) ihre Haftung für solche Eigen­tums­s­tö­rungen grundsätzlich ausgeschlossen. Etwas anderes gilt nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG, wenn die Beseitigung der Eigen­tums­s­törung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist. Dann hat der Bund hierfür einzustehen, allerdings nur, wenn die Ansprüche innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr angemeldet werden. Diese Frist beginnt nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AKG mit der Entstehung des Anspruchs. In diesem Sinne entstanden ist der Anspruch mit der Anlegung des Luftschutzraums und dem Fortfall der erwähnten Duldungspflicht. Unerheblich ist dagegen, wann die konkrete Gefahr, etwa durch einen Felsabbruch, eingetreten ist.

Duldungspflicht entfiel nach dem seinerzeit geltenden Schutzbaugesetz nicht schon mit Schließung des Schutzraums

Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, wann die Pflicht zur Duldung eines Luftschutzraums entfallen ist. Nach Ansicht der Klägerin kommt es darauf an, wann die Beklagte den Besitz aufgegeben hat. Die Beklagte selbst hält die Schließung der Stollenanlage als Luftschutzraum für den maßgeblichen Zeitpunkt. Im ersten Fall wäre die Anmeldung der Klägerin rechtzeitig, im zweiten nicht. Der Bundes­ge­richtshof folgt weder der einen noch der anderen Sicht. Normalerweise entfällt eine Duldungspflicht zwar mit der Aufgabe der öffentlichen Nutzung des privaten Grundstücks. Bei der öffentlichen Nutzung privater Grundstücke für Zwecke des Luftschutzes galt aber in dem hier relevanten Zeitraum (1982/83) eine Besonderheit: Nach dem seinerzeit geltenden Schutzbaugesetz entfiel die Duldungspflicht nicht schon mit der Schließung des Schutzraums. Vielmehr durfte der Grund­s­tücks­ei­gentümer auch einen geschlossenen Schutzraum ohne Zustimmung der staatlichen Stelle so lange weder verändern noch beseitigen, bis über eine Wieder­ver­wendung entschieden und diese endgültig abgelehnt worden war (sog. Verän­de­rungs­sperre). Der Anspruch auf Beseitigung eines Schutzraums entsteht deshalb erst, wenn der Schutzraum nicht nur stillgelegt worden, sondern auch entschieden ist, dass es dabei auf Dauer bleiben soll. Von beiden Entscheidungen - die Schließung des Schutzraums und die Entscheidung darüber, dass er auch nicht mehr wiederverwendet werden soll - muss der betroffene Grund­s­tücks­ei­gentümer erfahren, weil er anders die Anmeldefrist nicht wahren kann. Deshalb reicht es nicht, wenn sie behördenintern getroffen worden sind. Vielmehr müssen sie dem Grund­s­tücks­ei­gentümer mitgeteilt oder wenigstens öffentlich bekannt gemacht werden.

OLG muss mögliche Mitteilung an Grund­s­tücks­ei­gentümer über endgültige Schließung klären

Ob und wann dies geschehen war, hat das Oberlan­des­gericht nicht festgestellt. Darum ließ sich nicht feststellen, ob die Anmeldefrist eingehalten worden war. Deshalb war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Aufklärung dieser Fragen an das Oberlan­des­gericht zurück­zu­ver­weisen.

Entscheidung von erheblicher Bedeutung

Die Entscheidung hat über den zugrunde liegenden Fall hinaus Bedeutung: Die Anmeldefrist für Ansprüche wegen der Spätfolgen defekter Luftschutzräume, die während des Zweitens Weltkriegs errichtet worden sind, beginnt grundsätzlich nicht schon mit der Schließung des Schutzraums, sondern erst mit der Entscheidung, dass sie endgültig sein soll. Das bedeutet einerseits, dass sich manche Anmeldung im Nachhinein als rechtzeitig erweisen kann, führt aber andererseits nicht dazu, dass solche Ansprüche auch heute noch angemeldet werden könnten. Die Beschränkungen des Grund­s­tücks­ei­gen­tümers bei stillgelegten Schutzbauten sind nämlich mit der Aufhebung der Vorschrift über die Verän­de­rungs­sperre zum 4. April 1997 entfallen. Die Frist für die Anmeldung von Ansprüchen wegen solcher Schutzbauten begann deshalb spätestens mit diesem Zeitpunkt. Für die neuen Bundesländer hat die Entscheidung keine Auswirkungen, weil dort nur der Anspruchs­aus­schluss nach § 1 AKG, nicht aber die Haftung des Bundes nach § 19 Abs. 2, § 27 AKG gilt.

Auszug aus dem BGB

Erläuterungen

§ 1004 Beseitigungs- und Unter­las­sungs­an­spruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beein­träch­tigung verlangen. Sind weitere Beein­träch­ti­gungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Auszug aus dem AKG

§ 1 Erlöschen von Ansprüchen

(1) Ansprüche gegen

1. das Deutsche Reich einschließlich der Sondervermögen Deutsche Reichsbahn und Deutsche Reichspost,

2. das ehemalige Land Preußen,

3. das Unternehmen Reichs­au­to­bahnen

erlöschen, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(2) Unberührt bleiben Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Länder, der Verwaltung des Vereinigten Wirtschafts­ge­bietes oder Gesetze der Besat­zungs­mächte, in denen Ansprüche dieser Art geregelt sind oder wegen bisher bestehender Ansprüche dieser Art Leistungen gewährt werden.

(3) Absatz 1 steht einer bundes­ge­setz­lichen Regelung nicht entgegen, welche Gläubigern, deren Ansprüche nach diesem Gesetz nicht zu erfüllen oder nicht abzulösen sind, eine über den Rahmen dieses Gesetzes hinausgehende Entschädigung gewährt, soweit sich auf Grund der in Durchführung dieses Gesetzes gewonnenen Erfahrungen eine solche weitergehende Entschädigung als notwendig erweisen sollte.

§ 19 Ansprüche aus dinglichen Rechten und aus der Beein­träch­tigung dieser Rechte

(1) Ansprüche (§ 1) aus dem Eigentum oder anderen Rechten an einer Sache auf Herausgabe der Sache sind zu erfüllen. Bei einem Anspruch auf Herausgabe eines Grundstücks finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Ansprüche aus dem Eigentum mit der Maßgabe Anwendung, dass bis zum Ablauf der in § 20 Abs. 1 bezeichneten Fristen die in §§ 987 bis 992 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Voraussetzungen als nicht vorliegend zu erachten sind. Ansprüche auf Nutzungs­ent­schä­digung nach § 11 bleiben unberührt.

(2) Ansprüche (§ 1), die auf einer sonstigen Beein­träch­tigung oder Verletzung des Eigentums oder anderer Rechte an einer Sache oder an einem Recht beruhen, sind nur dann zu erfüllen,

1. wenn die Erfüllung des Anspruchs zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist oder

2. wenn der Beein­träch­tigung oder Verletzung eine nach dem 31. Juli 1945 begangene Handlung zugrunde liegt, es sei denn, dass die Beein­träch­tigung oder Verletzung auf Veranlassung der Besat­zungs­mächte erfolgt ist. Bei einem Besei­ti­gungs­an­spruch kann der Anspruchs­schuldner (§ 25) den Anspruchs­be­rech­tigten in Geld entschädigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 vorliegen. Die Entschädigung soll den gemeinen Wert der Sache oder des Rechts nicht übersteigen, den diese ohne Beein­träch­tigung haben würden.

(3) Sonstige Ansprüche (§ 1) aus dem Eigentum oder anderen Rechten an einer Sache oder an einem Recht sind zu erfüllen. Dies gilt nicht für Ansprüche auf Zahlung von Geld oder auf Leistung einer sonstigen vertretbaren Sache, die vor dem 1. August 1945 fällig geworden sind.

(4) Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden, Reallasten, Schiffs­hy­po­theken und sonstige Pfandrechte erlöschen, soweit die durch sie gesicherten Ansprüche (§ 1) nicht zu erfüllen sind.

§ 25 Anspruchs­schuldner

(1) In den Fällen der §§ 4 bis 24 ist Anspruchs­schuldner der Bund.

[...]

§ 26 Anmeldung

Auf Grund der nach diesem Gesetz zu erfüllenden Ansprüche können Leistungen nur verlangt werden, soweit die Ansprüche bei den Anmeldestellen (§ 27) fristgerecht (§ 28) angemeldet worden sind.

§ 28 Anmeldefrist, Nachsicht­ge­währung

(1) Die in §§ 4, 5, 9, 10, 11, 12 Nr. 2 und § 19 Abs. 2 bezeichneten Ansprüche können nur innerhalb einer Frist von einem Jahr nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes angemeldet werden. In Abweichung hiervon beginnt die Frist,

1. wenn der Anspruch nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht, mit seiner Entstehung;

[...]

(2) War der Antragsteller ohne sein Verschulden verhindert, die Anmeldefrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Nachsicht zu gewähren. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann Nachsicht­ge­währung nicht mehr beantragt werden.

(3) Ablehnende Entscheidungen der Anmeldestelle sind nach den Vorschriften des Verwal­tungs­zu­stel­lungs­ge­setzes zuzustellen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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