21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil14.06.2019

Wohnungs­ei­gentümer hat keinen Anspruch auf Kostenersatz für irrtümliche selbst vorgenommene Instandsetzung des Gemeinschafts­eigentumsJahrelang unzutreffend ausgelegte Teilungs­er­kärung führt nicht zu nachträglichem Kosten­erstattungs­anspruch

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Wohnungs­ei­gentümer, der die Fenster seiner Wohnung in der irrigen Annahme erneuert hat, dies sei seine Aufgabe und nicht gemein­schaftliche Aufgabe der Wohnungs­ei­gentümer, keinen Anspruch auf Kostenersatz hat.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnanlage besteht aus 212 Wohnungen. Der Kläger ließ im Jahr 2005 in seiner Wohnung die einfach verglasten Holzfenster aus dem Jahr 1972 durch Kunst­stoff­fenster mit Dreifa­ch­i­so­lierglas ersetzen. Bereits zuvor hatten viele Wohnungseigentümer ihre Wohnungen mit modernen Kunst­stoff­fenstern ausgestattet. Die Wohnungs­ei­gentümer gingen bis zur Veröf­fent­lichung der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs vom 2. März 2012 (Az.: V ZR 174/11) zu einer vergleichbaren Regelung in einer Teilungs­er­klärung irrtümlich davon aus, jeder Wohnungs­ei­gentümer müsse die notwendige Erneuerung der Fenster seiner Wohnung auf eigene Kosten vornehmen. Tatsächlich ist dies gemein­schaftliche Aufgabe der Wohnungs­ei­gentümer.

Klage in den Vorinstanzen erfolglos

Das Amtsgericht wies die gegen die Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft auf Wertersatz in Höhe von 5.500 Euro gerichtete Klage ab. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Einhaltung vorgegebener Verfahren zur Beschluss­fassung für Wohnungs­ei­gentümer zumutbar

Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision zurück, da dem Kläger kein Koste­n­er­stat­tungs­an­spruch zusteht. Ein Erstat­tungs­an­spruch käme nur aus allgemeinen Vorschriften der Geschäfts­führung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1 BGB) oder des Berei­che­rungs­rechts (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht. Diese Vorschriften können laut Bundes­ge­richtshof aber als Anspruchs­grundlage für den Zahlungs­an­spruch nicht herangezogen werden, weil das Wohnungs­ei­gen­tums­gesetz in § 21 Abs. 4 und 5 spezielle und damit vorrangige Regelungen über die Instandsetzung des gemein­schaft­lichen Eigentums enthalte. Danach hätten die Wohnungs­ei­gentümer über etwaige Instand­set­zungs­maß­nahmen zu entscheiden. Die Regelungen des Wohnungs­ei­gen­tums­ge­setzes hätten - von den Fällen der Notge­schäfts­führung (§ 21 Abs. 2 WEG) abgesehen - auch dann Vorrang, wenn die Maßnahme zwingend vorgenommen werden müsste. Denn auch bei zwingend notwendigen Maßnahmen bleibe den Wohnungs­ei­gen­tümern regelmäßig ein Gestal­tungs­spielraum. Es sei insbesondere ihre Sache zu entscheiden, ob sie die Maßnahme isoliert oder zusammen mit anderen Arbeiten durchführen und welche Handwerker sie beauftragen. Deshalb müssten die Wohnungs­ei­gentümer auch über eine zwingend gebotene und keinen Aufschub duldende Instandsetzungs- oder Instand­hal­tungs­maßnahme einen Beschluss fassen. Dem betroffenen Wohnungs­ei­gentümer sei es zumutbar, in jedem Fall das durch das Wohnungs­ei­gen­tums­gesetz vorgegebene Verfahren einzuhalten. Er könne einen Beschluss der Wohnungs­ei­gentümer über die Durchführung der erforderlichen Maßnahme herbeiführen. Finde der Antrag in der Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ver­sammlung nicht die erforderliche Mehrheit könne er die Beschlus­ser­set­zungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG erheben. Auch komme der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht.

Miteigentümer können nicht im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit herangezogen werden

Auch wenn der Wohnungs­ei­gentümer eine Maßnahme zur Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemein­schafts­ei­gentums in der irrigen Annahme durchgeführt habe, dass er diese als Sonde­rei­gentümer auf eigene Kosten vorzunehmen habe, bestehe kein Ersatzanspruch. Ein Ausgleich nach den Vorschriften der Geschäfts­führung ohne Auftrag oder des Berei­che­rungs­rechts liefe den schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungs­ei­gentümer zuwider. Zwar müssten Wohnungs­ei­gentümer stets damit rechnen, dass es durch Mängel des Gemein­schafts­ei­gentums zu unvor­her­sehbaren Ausgaben komme, für die sie einzustehen haben. Sie müssten ihre private Finanzplanung aber nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten, herangezogen werden. Wurde eine Teilungs­er­klärung, wie hier, jahrelang unzutreffend ausgelegt, hätten zudem häufig viele Wohnungs­ei­gentümer einen Erstat­tungs­an­spruch; ein damit verbundener "Hin-und Her-Ausgleich" zwischen allen Betroffenen würde zu einem hohen Ermittlungs- und Berech­nungs­aufwand führen, ohne dass sich zwangsläufig ein als "gerecht" empfundenes Ergebnis einstellte.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 21 WEG:

Abs. 1: "Soweit nicht in diesem Gesetz oder durch Vereinbarung der Wohnungs­ei­gentümer etwas anderes bestimmt ist, steht die Verwaltung des gemein­schaft­lichen Eigentums den Wohnungs­ei­gen­tümern gemein­schaftlich zu."

Abs. 4: "Jeder Wohnungs­ei­gentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungs­ei­gentümer nach billigem Ermessen entspricht."

Abs. 5: "Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungs­ei­gentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere:

1. [...]

2. die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemein­schaft­lichen Eigentums"

[...]

§ 683 BGB

Satz 1: "Entspricht die Übernahme der Geschäfts­führung dem Interesse und dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen."

§ 687 BGB

Abs. 1: "Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei."

§ 812 BGB

Abs. 1 Satz 1: "Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet."

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm/kg)

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