23.11.2024
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Sie sehen eine Figur, die einen Mann darstellt, der mit einem Fernglas in der Hecke sitzt.

Dokument-Nr. 28229

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Urteil20.09.2019BundesgerichtshofV ZR 218/18
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2019, 1501Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2019, Seite: 1501
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Maulbronn, Urteil13.11.2015, 2 C 425/14
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil01.08.2018, 19 S 3/16
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil20.09.2019

BGH: Kein Anspruch auf Baumfällung oder Laubrente wegen erheblicher Grund­stücks­beeinträchti­gungen durch Nachbarbäume bei Einhaltung der landes­recht­lichen Abstands­re­ge­lungenBei Einhaltung der Abstands­re­ge­lungen ist Grund­stücks­eigen­tümer kein Störer im Sinne des § 1004 BGB

Kommt es zu einer erheblichen Grund­stücks­beeinträchti­gung durch auf dem Nachba­r­grundstück stehende Bäume, so besteht kein Anspruch auf Baumfällung oder Laubrente, wenn die landes­recht­lichen Abstands­re­ge­lungen eingehalten sind. In diesem Fall ist der Eigentümer des Nachba­r­grund­stücks kein Störer im Sinne des § 1004 BGB. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Auf einem Wohngrundstück in Baden-Württemberg standen in einem Abstand von mindestens zwei Metern zur Grenze des Nachba­r­grund­stücks drei ca. 18 m hohe und gesunde Birken. Da es insbesondere von Juni bis November zu erheblichen Beein­träch­ti­gungen durch die Birken auf das Nachbargrundstück kam, klagte der Eigentümer des Nachba­r­grund­stücks auf Beseitigung der Birken, hilfsweise auf Zahlung einer Laubrente von jeweils 230 Euro in den Monaten Juni bis November. Der verklagte Grund­s­tücks­ei­gentümer hielt die Ansprüche für nicht gegeben und verwies darauf, dass die Bäume unter Beachtung der landes­recht­lichen Abstands­re­gelung eingepflanzt wurden. Danach mussten Birken in einem Abstand von mindestens zwei Metern zur Grund­s­tücks­grenze gepflanzt sein.

Amtsgericht weist Klage ab, Landgericht gibt Klage statt

Während das Amtsgericht Maulbronn die Klage abwies, gab ihr das Landgericht Karlsruhe hinsichtlich des Besei­ti­gungs­an­spruchs statt. Der Beklagte habe als Störer die Birken gemäß § 1004 BGB beseitigen müssen. Dass die landesrechtlich für Birken vorge­schriebenen Grenzabstände eingehalten wurden, sei dabei unerheblich. Denn zum einen dürfen nach Art. 124 EGBGB landes­rechtliche Vorschriften dem Nachbarn keine Rechte nehmen, die sich für ihn aus dem BGB ergeben. Zum anderen dienen die Abstandsflächen nur dem Schutz des Nachba­r­grund­stücks vor Verschattung. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte Revision ein.

Bundes­ge­richtshof verneint Anspruch auf Beseitigung der Birken

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten des Beklagten und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Beseitigung der Birken zu. Denn der Beklagte sei nicht Störer im Sinne des § 1004 BGB und daher verantwortlich für die Beein­träch­ti­gungen. Ein Grund­s­tücks­ei­gentümer sei hinsichtlich der von einem darauf befindlichen Baum ausgehenden natürlichen Beein­träch­ti­gungen auf benachbarte Grundstücke kein Störer, wenn er sein Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet. Dies sei gegeben, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landes­recht­lichen Abstands­re­ge­lungen eingehalten sind. So lag der Fall hier.

Bei Einhaltung landes­recht­licher Abstands­re­ge­lungen liegt zulässige Grund­s­tücks­nutzung vor

Es sei nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs unerheblich, dass die landes­recht­lichen Abstands­re­ge­lungen vorrangig zum Ziel haben, den Nachbarn vor dem Entzug von Luft und Licht zu schützen und dass die Beein­träch­ti­gungen durch Laub und Pollen auch dann die Grenze zum Nachba­r­grundstück überschreiten können, wenn die Abstands­vor­schriften eingehalten werden. Entscheidend sei, dass Anpflanzungen, welche die Grenzabstände einhalten, vom Gesetzgeber als zulässige Grund­s­tücks­nutzung und damit als ordnungsgemäße Bewirtschaftung angesehen werden.

Kein Entzug von Rechten aus dem BGB

Es sei zwar richtig, so der Bundes­ge­richtshof, dass dem Nachbarn durch landes­rechtliche Vorschriften keine Rechte entzogen werden dürfen, die sich aus § 1004 BGB ergeben. Darum gehe es hier aber nicht. Vielmehr stelle sich die Vorfrage, ob ein Grund­s­tücks­ei­gentümer für natürliche Beein­träch­ti­gungen überhaupt verantwortlich ist, wenn landes­rechtliche Grenzabstände eingehalten werden. In diesem Fall sei er schon nicht Störer, so dass es bereits an einem Besei­ti­gungs­an­spruch fehlt. Ein Konflikt zwischen den Regeln des BGB und den landes­recht­lichen Vorschriften bestehe nicht.

Kein Anspruch auf Laubrente

Dem Kläger stehe nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs auch kein Anspruch auf eine Laubrente zu. Werden die landes­recht­lichen Grenzabstände eingehalten, habe der Eigentümer des Nachba­r­grund­stücks wegen der Beein­träch­ti­gungen durch die von den Bäumen ausgehenden natürlichen Immissionen weder einen Ausgleichs­an­spruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in unmittelbarer noch entsprechender Anwendung.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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