21.11.2024
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Dokument-Nr. 27039

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Urteil08.02.2019BundesgerichtshofV ZR 176/17
Vorinstanzen:
  • Landgericht Hannover, Urteil16.09.2016, 16 O 120/16
  • Oberlandesgericht Celle, Urteil20.06.2017, 4 U 128/16
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Bundesgerichtshof Urteil08.02.2019

Sozialwohnungen: Unbefristete Sozialbindung von Wohnungs­genossen­schaften im dritten Förderweg unwirksamStaat darf Subventions­empfänger zur Sicherung der Zweckbindung der Subvention keine beliebigen Beschränkungen auferlegen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus im sogenannten dritten Förderweg individuell vereinbarte, zeitlich unbefristete städtische Belegungsrechte unwirksam sind, und zwar auch dann, wenn die Kommune dem privaten Investor zur Errichtung von Sozialwohnungen kostengünstiges Bauland überlassen hat. Die Unwirksamkeit der Vereinbarung hat aber nicht zur Folge, dass die Belegungsrechte nicht bestehen. Vielmehr hätten die Parteien, wenn ihnen die Unwirksamkeit bekannt gewesen wäre, Belegungsrechte für einen möglichst langen rechtlich zulässigen Zeitraum vereinbart. Ist - wie hier - ein langfristiger, vergünstigter Kredit gewährt worden, bestehen die Belegungsrechte deshalb im Zweifel während der Laufzeit des Kredits fort.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist eine Wohnungs­ge­nos­sen­schaft. Mit notariellem Vertrag vom 30. Januar 1995 kaufte ihre Rechts­vor­gängerin, eine Wohnungs­bau­ge­sell­schaft, von der beklagten Stadt Grundstücke, die im Rahmen des dritten Förderwegs (§ 88 d des Zweiten Wohnungs­bau­ge­setzes) mit 52 Sozialwohnungen bebaut werden sollten. Zu deren Teilfi­nan­zierung gewährte die Stadt der Wohnungs­bau­ge­sell­schaft ein zinsgünstiges Darlehen. Die Wohnungs­bau­ge­sell­schaft verpflichtete sich im Gegenzug, der Stadt unbefristete Belegungsrechte an den Wohnungen einzuräumen sowie diese verbilligt und nur an Inhaber von Wohnbe­rech­ti­gungs­scheinen zu vermieten. Zur Sicherung dieser Verpflichtung wurde im Grundbuch zu Gunsten der Stadt eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 27. Oktober 1995 kaufte die Klägerin die Grundstücke unter Übernahme der auf die Belegungsrechte bezogenen Verpflichtung.

Wohnungs­ge­nos­sen­schaft will Wohnungen nach Ablauf von 20 Jahren frei und ohne Beachtung von Belegungs­rechten vermieten

Mit ihrer Klage will die Klägerin feststellen lassen, dass sie die Wohnungen nach Ablauf von 20 Jahren seit Bezugs­fer­tigkeit frei und ohne Beachtung von Belegungs­rechten vermieten kann, und dass die Stadt die Löschung der Dienstbarkeit bewilligen muss. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlan­des­gericht wies die Berufung der Klägerin zurück. Mit der von dem Bundes­ge­richtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Zeitlich unbefristete Belegungsrechte unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Die von der Klägerin übernommene, zeitlich unbefristete schuld­rechtliche Verpflichtung zu der Vermietung der Wohnungen an Inhaber von Wohnbe­rech­ti­gungs­scheinen ist gemäß § 134 BGB unwirksam. Das Rechtsgeschäft ist im dritten Förderweg auf der Grundlage von § 88 d II. WoBauG zustande gekommen. Diese Art der Förderung des sozialen Wohnungsbaus ermöglichte eine Vereinbarung des staatlichen Darlehensgebers mit dem privaten Bauherrn. Dass zeitlich unbefristete Belegungsrechte hierbei nicht vorgesehen waren, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Denn gemäß § 88 d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG soll die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte und der vereinbarten Regelung der Miete 15 Jahre nicht überschreiten, wenn nicht auf Grund der Zielsetzung und der Art der Förderung, insbesondere wegen der Bereitstellung von Bauland, "ein längerer Zeitraum" geboten ist. Ein "Zeitraum" besteht in einem durch Anfang und Ende gekenn­zeichneten Zeitabschnitt. Dieses Verständnis der Norm entspricht auch der Geset­zes­be­gründung und der Systematik des Zweiten Wohnungs­bau­ge­setzes. Mit dem 1989 eingeführten dritten Förderweg sollte nämlich eine gegenüber dem ersten und zweiten Förderweg flexiblere Förderung des sozialen Wohnungsbaus ermöglicht werden. Durch einen von vornherein zeitlich begrenzten Eingriff in den allgemeinen Wohnungsmarkt sollten kürzere Bindungen ermöglicht werden, um die Inves­ti­ti­o­ns­be­reit­schaft privater Bauherren zu erhöhen.

Unbefristete Bindung bei Bereitstellung von Bauland vom Gesetzgeber nicht vorgesehen

Allein der Umstand, dass die Stadt der Rechts­vor­gängerin der Klägerin nicht nur ein Darlehen gewährt, sondern ihr auch die erforderlichen Grundstücke verkauft hat, rechtfertigt keine unbefristete Bindung. Zwar sind Grund und Boden - zumal in städtischen Lagen - ein knappes Gut, das bei einem Verkauf durch eine Stadt an einen Privaten dauerhaft bei diesem verbleibt. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung gehört es aber zum Konzept des dritten Förderwegs, dass die öffentliche Hand privaten Investoren nach Möglichkeit werthaltiges, kostengünstiges Bauland zur Verfügung stellt. Gemäß § 88 d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG rechtfertigt eine solche Bereitstellung von Bauland eine Bindung für einen "längeren Zeitraum" von mehr als 15 Jahren; eine unbefristete Bindung hat der Gesetzgeber dagegen nicht vorgesehen.

Subven­ti­o­ns­emp­fängern dürfen keine Bindungen ohne zeitliche Begrenzung auferlegt werden

Dieses Ergebnis entspricht allgemeinen subven­ti­o­ns­recht­lichen Grundsätzen. Aus dem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit folgt, dass der Staat einem Subven­ti­o­ns­emp­fänger zur Sicherung der Zweckbindung der Subvention keine beliebigen Beschränkungen auferlegen darf. Die Beschränkungen müssen vielmehr geeignet und erforderlich sein, um den mit der Subvention zulässigerweise verfolgten Zweck für einen angemessenen Zeitraum sicherzustellen. Deshalb können einem Subven­ti­o­ns­emp­fänger keine Bindungen auferlegt werden, die er ohne zeitliche Begrenzung einhalten muss, nachdem die mit der Subvention verbundenen Vorteile aufgebraucht sind. Der Verkauf von Bauland stellt keinen unbegrenzt fortwährenden Vorteil dar, zumal Preisnachlässe schon aus kommu­na­l­recht­lichen Gründen nur in engen Grenzen zulässig sind. Dauerhafte Beschränkungen für private Investoren lassen sich nur dann erreichen, wenn der öffentliche Zweck nicht mit dem Instrument des Grund­s­tücks­verkaufs, sondern mit dem dazu bestimmten Instrument der Ausgabe eines Erbbaurechts verfolgt wird.

Belegungsrechte werden für möglichst langen rechtlich zulässigen Zeitraum vereinbart

Aus der Unwirksamkeit der Vereinbarung folgt aber nicht ohne weiteres, dass bereits jetzt keine Belegungsrechte mehr bestehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit Belegungsrechte für einen möglichst langen rechtlich zulässigen Zeitraum vereinbart hätten. Insoweit kommt es nicht darauf an, wie sich die Mieten einerseits und die Kredit­kon­di­tionen andererseits später tatsächlich entwickelt haben. Maßgeblich sind vielmehr die Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss, und im Zweifel hätten die Belegungsrechte, die als Gegenleistung für das Darlehen übernommen wurden, während der Laufzeit des vergünstigten Kredits fortbestehen sollen. Wann die Belegungsrechte enden, hängt deshalb von den der Bauherrin gewährten Vorteilen ab. Das Berufungs­gericht wird daher aufklären müssen, zu welchen Konditionen das Darlehen ausgereicht worden ist.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 88 d II. WoBauG

Erläuterungen

Abs. 1: "Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues können auch abweichend von den §§ 88 bis 88c vergeben werden. In der zwischen Darlehns- oder Zuschussgeber und dem Bauherrn abzuschlie­ßenden Vereinbarung können insbesondere Bestimmungen über Höhe und Einsatzart der Mittel, die Zweckbestimmung, Belegungsrechte, die Beachtung von Einkom­mens­grenzen, die Höhe des Mietzinses und etwaige Änderungen während der Dauer der Zweckbestimmung sowie die Folgen von Vertrags­ver­let­zungen getroffen werden. [...] "

Abs. 2: "Für Bestimmungen nach Absatz 1 gilt folgendes:

1. [...]

2. Die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte und der vereinbarten Mietzins­re­gelung soll 15 Jahre nicht überschreiten, wenn nicht auf Grund der Zielsetzung und der Art der Förderung, insbesondere wegen der Bereitstellung von Bauland oder wegen der Förderung zugunsten bestimmter Personengruppen, ein längerer Zeitraum geboten ist."

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm)

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