14.12.2024
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Dokument-Nr. 33116

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Bundesgerichtshof Urteil21.07.2023

BGH verneint Eigentums­beein­träch­tigung durch Suchmeldung von Kulturgut in der Lost Art-DatenbankKunstsammler muss Eintrag in NS-Raubgut-Datenbank hinnehmen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die auf wahren Tatsachen beruhende Suchmeldung eines Kulturgutes auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank keine Eigentums­beein­träch­tigung darstellt und daher keinen Anspruch des gegenwärtigen Eigentümers gegen den Veranlasser der Meldung auf Beantragung der Löschung begründet.

Der Kläger, ein Kunstsammler, erwarb im Jahr 1999 im Rahmen einer Auktion in London das Gemälde "Kalabrische Küste" des Malers Andreas Achenbach. Das Gemälde befand sich in der Zeit von 1931 bis 1937 im Besitz der Galerie Stern in Düsseldorf, die der jüdische Kunsthändler Dr. Max Stern in dieser Zeit von seinem Vater übernahm. Bereits im Jahre 1935 wurde ihm durch die Reichskammer der bildenden Künste die weitere Berufsausübung untersagt, die Verfügung wurde jedoch zunächst nicht vollzogen. Im März 1937 verkaufte Dr. Stern das Gemälde an eine Privatperson aus Essen. Im September 1937 wurde er endgültig gezwungen, seine Galerie aufzugeben, woraufhin er über England nach Kanada emigrierte. Sein Nachlass wird von einem kanadischen Trust verwaltet, dessen Treuhänder die Beklagten sind. 2016 wurde auf Veranlassung der Beklagten eine Suchmeldung für das Gemälde auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank veröffentlicht. Die von einer Stiftung mit Sitz in Magdeburg betriebene Datenbank dokumentiert Kulturgüter, die insbesondere jüdischen Eigentümern aufgrund der Verfolgung durch den Natio­nal­so­zi­a­lismus entzogen wurden, oder für die ein derartiger Verlust nicht auszuschließen ist. Mithilfe der Veröf­fent­lichung sollen frühere Eigentümer bzw. deren Erben mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib des Kulturgutes unterstützt werden. Im Rahmen einer Ausstellung des Gemäldes in Baden-Baden wurde der Kläger über die Suchmeldung und eine in Kanada veranlasste Fahndung nach dem Gemälde durch Interpol informiert. Er fühlt sich durch den Eintrag in der Lost Art-Datenbank und die Interpol-Fahndung in seinem Eigentum beeinträchtigt. Der Kläger verlangt von den Beklagten, es zu unterlassen, sich des Eigentums an dem Gemälde zu berühmen. Hilfsweise begehrt er, sie zu verurteilen, die Löschung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank zu beantragen. Die Klage ist bei dem Landgericht und dem Oberlan­des­gericht erfolglos geblieben. Mit der vom Oberlan­des­gericht zugelassenen Revision hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

BGH verneint Eigen­tums­an­maßung

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die mit dem Hauptantrag verlangte Unterlassung, weil die Beklagten sich nicht des Eigentums an dem Gemälde des Klägers berühmt haben. Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungs­ge­richts, mit der Suchmeldung des Gemäldes auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank und der Fahndung über Interpol werde ohne gegenwärtige Eigen­tums­an­maßung lediglich an das früher bestehende Eigentum des Dr. Max Stern angeknüpft, ist nicht zu beanstanden. Zweck der Veröf­fent­lichung auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank ist es, die früheren Eigentümer bzw. deren Erben sowie die heutigen Besitzer eines Kulturgutes zusammen zu bringen und diese bei der Erarbeitung einer gerechten und fairen Lösung im Sinne der Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 über den Umgang mit während der NS-Zeit abhanden gekommenen Kunstwerken zu unterstützen. Hiervon ausgehend nimmt das Berufungs­gericht zu Recht an, dass mit der Suchmeldung lediglich auf das frühere Eigentum an dem Kunstwerk und die Umstände des Verlustes Bezug genommen wird; eine Aussage über das gegenwärtig bestehende Eigentum oder etwaige daran anknüpfende Ansprüche ist damit weder verbunden noch beabsichtigt. Das gilt auch für die Eintragung des Gemäldes in der Fahndungs­da­tenbank von Interpol, weil lediglich das Abhandenkommen des Gemäldes am 13. November 1937 in Düsseldorf gemeldet wurde. Auch mit dieser Meldung ist keine Aussage darüber verbunden, dass sich die Beklagten nach heutiger Rechtslage als Eigentümer des Gemäldes ansehen und darstellen. Dass der Kläger bei einer Verbringung des Gemäldes nach Kanada oder in die Vereinigten Staaten von Amerika polizeiliche Maßnahmen zu befürchten hätte, die ihn in der Verfü­gungs­gewalt über das Gemälde einschränken würden, ist lediglich Folge des Umstandes, dass die Rechtsordnungen einzelner Staaten an das verfol­gungs­be­dingte Abhandenkommen von Kulturgütern und spätere Erwerbsvorgänge unter­schiedliche Rechtsfolgen knüpfen. Selbst wenn sich die Beklagten diesen Umstand bewusst zunutze gemacht hätten, stellte ihre Meldung keine Eigen­tums­an­maßung dar, weil sie lediglich (wahre) Tatsachen zu Vorgängen aus dem Jahre 1937 enthält und die rechtliche Bewertung dieser Vorgänge den Behörden - bzw. gegebenenfalls den Gerichten - überlassen wird.

Auch kein hilfsweiser Anspruch auf Beantragung der Löschung

Dem Kläger steht auch der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Beantragung der Löschung der Suchmeldung des Gemäldes in der Lost Art-Datenbank nicht zu. Denn die auf wahren Tatsachen beruhende Suchmeldung eines Kulturgutes auf der Internetseite der Lost Art- Datenbank stellt keine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne dieser Vorschrift dar und begründet daher keinen auf Beantragung der Löschung gerichteten Anspruch des gegenwärtigen Eigentümers gegen den Veranlasser der Meldung. Durch die Suchmeldung wird die Eigen­tums­zu­ordnung - wie bereits ausgeführt - nicht infrage gestellt und die Verfü­gungs­be­fugnis des Eigentümers jedenfalls in rechtlicher Hinsicht nicht eingeschränkt. Eine auf wahren Tatsachen beruhende sachliche Information über den Verdacht des NS-verfol­gungs­be­dingten Verlustes eines Kulturgutes beeinträchtigt die Rechte aus dem Eigentum aber auch schon deshalb nicht, weil der Betroffene die Behauptung und Verbreitung wahrer Tatsachen in der Regel hinzunehmen hat, auch wenn dies für ihn nachteilig ist. Das berechtigte Interesse früherer Eigentümer von Kulturgut bzw. ihrer Rechts­nach­folger sowie das allgemeine öffentliche Interesse an der Provenienz NS-verfol­gungs­bedingt entzogener Kulturgüter überwiegen jedenfalls ein in der Regel allein auf wirtschaft­lichen Erwägungen beruhendes Interesse des gegenwärtigen Eigentümers an der Geheimhaltung solcher Tatsachen. Ob eine Eigen­tums­be­ein­träch­tigung anzunehmen ist, wenn in Bezug auf die Sache unwahre marktrelevante Tatsachen behauptet bzw. wertbildende Faktoren falsch dargestellt werden, ist fraglich, bedurfte aber keiner abschließenden Entscheidung, da es dem Kläger nicht um die Abwehr unzutreffender Tatsa­chen­be­haup­tungen über das Gemälde geht. Nach § 44 Satz 1 Nr. 1 des Kultur­gut­schutz­ge­setzes besteht wegen der Umstände des Verkaufs im Jahr 1937 jedenfalls die Vermutung, dass das Gemälde einem früheren Eigentümer NS-verfol­gungs­bedingt entzogen worden ist. Die Veröf­fent­lichung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank macht damit lediglich publik, was aufgrund der bekannten Umstände des Verkaufs ohnehin vermutet wird und - jedenfalls im Fall eines gewerblichen Inver­kehr­bringens - näherer Aufklärung bedarf. Anders als die Revision meint, kann eine Eigen­tums­be­ein­träch­tigung auch nicht mit der Begründung bejaht werden, die Aufrecht­er­haltung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank führe zu einem rechtswidrigen Zustand. Eintragungen und Meldungen zu Kulturgütern in der Lost Art-Datenbank sind zwar als staatliches Infor­ma­ti­o­ns­handeln anzusehen, so dass bei Überschreitung des Zwecks der Veröf­fent­lichung entweder ein im verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren durch­zu­set­zender öffentlich-rechtlicher Folgen­be­sei­ti­gungs­an­spruch oder - weil die Datenbank inzwischen durch eine privat­rechtliche Stiftung betrieben wird - ein zivil­recht­licher Löschungs­an­spruch nach den Grundsätzen des sog. Verwal­tungs­pri­vat­rechts in Betracht kommen könnte. Ein solcher Anspruch könnte sich aber nur gegen die Stiftung als Betreiberin der Datenbank richten, nicht gegen die Beklagten als bloße Veranlasser der Meldung. Wenn der Staat eine Inter­net­da­tenbank einrichtet, in der Such- und Fundmeldungen von Privatpersonen zu Kulturgütern veröffentlicht werden, dann ist er bzw. die von ihm als Betreiberin der Datenbank errichtete Stiftung dafür verantwortlich, dass die veröffentlichte Meldung sich innerhalb der Grenzen hält, die das öffentliche Recht und namentlich die Grundrechte - hier der Eigentümer der betroffenen Gemälde - dem staatlichen Infor­ma­ti­o­ns­handeln ziehen. Es ist Sache der Betreiberin der Datenbank zu entscheiden, ob sie eine Meldung veröffentlicht und ob bzw. wann sie sie wieder löscht. Es liegt in ihrer Verantwortung, die fortdauernde Einhaltung des Zwecks der Veröf­fent­lichung zu überwachen und sicherzustellen, dass die Aufrecht­er­haltung der Veröf­fent­lichung gegenüber dem Eigentümer des Kunstwerks weiterhin zu rechtfertigen ist. Wird durch die Aufrecht­er­haltung einer Meldung das Eigentum an einem Kunstwerk beeinträchtigt, dann trifft die Verantwortung hierfür folglich allein die Stiftung. Ob hier eine solche Eigen­tums­be­ein­träch­tigung vorliegt, bedurfte keiner Entscheidung, weil sich die Klage gegen die Beklagten als Veranlasser der Meldung richtet.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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