18.10.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 32804

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Beschluss02.03.2023BundesgerichtshofV ZB 64/21
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Berlin-Charlottenburg , Beschluss09.09.2021, 40 BG-2329
  • Kammergericht Berlin, Beschluss07.10.2021, 1 W 342/21
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss02.03.2023

Befugnis des Insol­venz­ver­walters zur Löschung eines Wohnungsrechts des Insol­venz­schuldners am eigenen GrundstückWohnungsrecht des Insol­venz­schuldners auf eigenem Grundstück kann gelöscht werden

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Wohnungsrecht, das am eigenen Grundstück besteht, stets pfändbar ist und bei Insolvenz des wohnungs­be­rechtigen Grund­stücks­eigentümers von dem Insol­venz­ver­walter gelöscht werden kann.

Der Beteiligte zu 1 war eingetragener Eigentümer eines bebauten Grundstücks. An dem Grundstück bestellte er sich selbst ein auf das Gebäude bezogenes Wohnungsrecht mit der Bestimmung, dass die Ausübung des Wohnungsrechts dritten Personen nicht überlassen werden könne, und brachte das Grundstück in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Einlage ein. Die GbR wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen, ebenso erfolgte die Eintragung des Wohnungsrechts. Über das Vermögen des Beteiligten zu 1 wurde einige Monate später das Insol­venz­ver­fahren eröffnet; der Beteiligte zu 4 wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser nahm im Wege der Insol­ven­zan­fechtung die GbR erfolgreich auf Rückgewähr in Anspruch und erklärte die Auflassung des Grundbesitzes an den Beteiligten zu 1. Er bewilligte und beantragte zudem die Löschung des Wohnungsrechts. Daraufhin wurde der Beteiligte zu 1 wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen; das Wohnungsrecht wurde gelöscht. Gegen die Löschung des Wohnungsrechts hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswi­der­spruchs. Das Kammergericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechts­be­schwerde.

BGH bestätigt Löschung des Wohnrechts

Der Bundes­ge­richtshof hat die Rechts­be­schwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Das Beschwer­de­gericht lehnt es zu Recht ab, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Widerspruchs gegen die Löschung des Wohnungsrechts anzuweisen, weil durch die Löschung des Wohnungsrechts keine gesetzlichen Vorschriften verletzt worden sind. Der Beteiligte zu 4 war als Insol­venz­ver­walter befugt, die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen. Mit der Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens geht die Verfü­gungs­be­fugnis über die Insolvenzmasse auf den Insol­venz­ver­walter über. Dem Insol­venz­schuldner wird, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist, auch die Bewil­li­gungs­be­fugnis entzogen; sie wird durch den Insol­venz­ver­walter ausgeübt. Die Bewil­li­gungs­be­fugnis des Insol­venz­ver­walters umfasst dagegen nicht das Vermögen, das nicht der Zwangs­voll­streckung unterliegt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Wohnungsrecht gehört nicht zur Insolvenzmasse

Grundsätzlich gehören beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und damit auch das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) als Sonderfall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit allerdings nicht zur Insolvenzmasse, weil sie gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar und deshalb nicht pfändbar sind (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gilt gemäß § 857 Abs. 3 ZPO dann, wenn die Überlassung der Ausübung an einen anderen nach § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet ist. Daran fehlt es hier.

Eigen­tü­mer­woh­nungsrecht jedoch pfändbar

Gleichwohl ist das Wohnungsrecht des Beteiligten zu 1 pfändbar und fällt in die Insolvenzmasse, weil der Beteiligte zu 1 das Eigentum an dem Grundstück zurückerlangt hat und das Wohnungsrecht dadurch zum Eigen­tü­mer­woh­nungsrecht geworden ist. Der V. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat bereits 1964 entschieden, dass eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dann pfändbar ist, wenn der Eigentümer des Grundstücks und der Berechtigte perso­ne­n­i­dentisch sind. Er hält an dieser Ansicht, die auch für das Wohnungsrecht gilt, fest.

BGH argumentiert mit gesetzlichem Leitbild

Das Gesetz geht in den §§ 1090 ff. BGB davon aus, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit an einem fremden Grundstück besteht, Eigentümer und Berechtigter also perso­nen­ver­schieden sind. Für das Wohnungsrecht kommt das in § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck. Nach dieser Vorschrift berechtigt das Wohnungsrecht zu einer Nutzung der umfassten Räume durch den Wohnungs­be­rech­tigten "unter Ausschluss des Eigentümers". Zwar erlaubt der Bundes­ge­richtshof die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und damit auch die Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück. Das hat seinen Grund darin, dass dafür im Zusammenhang mit der Vertrags­ge­staltung, insbesondere bei der Veräußerung des Grundstücks, ein praktisches Bedürfnis bestehen kann, ändert aber nichts daran, dass nach dem gesetzlichen Leitbild Grund­s­tücks­ei­gentümer und Berechtigter perso­nen­ver­schieden sind. Dieses gesetzliche Leitbild liegt gerade auch der Vorschrift der § 1092 Abs. 1 BGB zugrunde, die zum Ausschluss der Pfändbarkeit führen kann.

Ausschluss der Pfändbarkeit setzt Fremdrecht voraus

Auf ein Eigen­tü­mer­woh­nungsrecht kann sich der Ausschluss der Pfändbarkeit nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erstrecken. Die Vorschrift des § 1092 Abs. 1 BGB dient dem Schutz des Eigentümers. Sie trägt dem persönlichen Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen Eigentümer und Berechtigtem Rechnung und schließt es aus, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des Eigentümers ausgetauscht werden kann. Das zeigt, dass der Ausschluss der Pfändbarkeit ein Fremdrecht voraussetzt. Für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit und insbesondere das Wohnungsrecht an eigenen Grundstücken ist § 1092 Abs. 1 BGB deshalb teleologisch einzuschränken. Der Berechtigte, der zugleich Eigentümer ist, muss sich so behandeln lassen, als habe er es gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung einem anderen zu überlassen.

Insol­venz­ver­walter darf Löschung des Wohnungsrechts bewilligen

Infolgedessen ist ein Eigen­tü­mer­woh­nungsrecht stets - und damit auch hier -pfändbar. Hierfür spielt es keine Rolle, ob das Wohnungsrecht von Anfang an als Eigen­tü­mer­woh­nungsrecht bestellt wird oder ob es nachträglich zu einer Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person kommt. Aufgrund der Pfändbarkeit fällt das Eigen­tü­mer­woh­nungsrecht bei Insolvenz des wohnungs­be­rech­tigten Grund­s­tücks­ei­gen­tümers in die Insolvenzmasse und ist von dem Insol­venz­ver­walter zu verwerten. Der Insol­venz­ver­walter ist befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen, etwa um das Grundstück lastenfrei veräußern zu können.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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