21.11.2024
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Dokument-Nr. 7820

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Urteil06.05.2009BundesgerichtshofKZR 39/06
Vorinstanzen:
  • Landgericht Mannheim, Urteil12.09.2002, 7 O 35/02
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil13.12.2006, 6 U 174/02
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil06.05.2009

"Zwangs­li­zen­zeinwand" gegenüber dem Unter­las­sungs­be­gehren eines Patentinhabers grundsätzlich zulässigUnternehmen hat dennoch nicht das Recht, Erfindung ohne Gegenleistung an den Patentinhaber zu verwenden

Wer ohne Lizenz nach einem patentierten Indus­tri­e­standard produziert, kann sich gegenüber der Klage des Patentinhabers aus dem Patent mit dem "kartell­recht­lichen Zwangs­li­zen­zeinwand" verteidigen. Dies hat der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs entschieden.

Der Nutzer des Patents kann somit geltend machen, dass der Patentinhaber mit seiner Weigerung, die Benutzung des Patents zu gestatten, eine markt­be­herr­schende Stellung missbrauche. Der Nutzer muss dazu darlegen, dass er sich erfolglos um eine Lizenz zu angemessenen Bedingungen bemüht hat und der Patentinhaber durch die Lizenz­ver­wei­gerung gegen das kartell­rechtliche Verbot verstößt, andere Unternehmen zu diskriminieren oder ohne sachlichen Grund zu behindern. Er darf das Patent allerdings nur dann im Vorgriff auf den rechtswidrig verweigerten Lizenzvertrag benutzen, wenn er auch die sich aus dem angestrebten Vertrag ergebenden Verpflichtungen erfüllt, insbesondere die angemessene Lizenzgebühr an den Patentinhaber zahlt oder die Zahlung zumindest sicherstellt.

Lizenzgebühren laut Kläger überhöht und diskriminierend

Die Koninklijke Philips Electronics N.V. (Philips) ist Inhaberin eines für die Herstellung von einfach und mehrfach beschreibbaren optischen Datenträgern (CDR und CDRW) wichtigen Patents. Es handelt sich um ein Grund­la­gen­patent, das jeder Hersteller handelsüblicher CDR oder CDRW zwangsläufig benutzen muss und das Philips daher eine markt­be­herr­schende Stellung verschafft. Philips hat zahlreichen Unternehmen eine Lizenz an dem Patent auf der Basis eines Standard-Lizenzvertrags erteilt. Die Beklagten haben ohne eine solche Lizenz CDR und CDRW hergestellt und vertrieben. Sie haben eingewandt, die von Philips geforderten Lizenzgebühren seien überhöht und außerdem diskriminierend, weil andere Unternehmen günstigere Konditionen erhalten hätten. Philips missbrauche auf diese Weise seine markt­be­herr­schende Stellung.

Landgericht und Oberlan­des­gericht haben die Beklagten wegen Patent­ver­letzung zu Unterlassung, Auskunft und Herausgabe von patent­ver­let­zenden Gegenständen zum Zwecke der Vernichtung verurteilt und darüber hinaus festgestellt, dass die Beklagten Philips gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sind. Die dagegen gerichtete Revision ist erfolglos geblieben.

Patentinhaber darf nicht ohne Grund unterschiedlich hohe Lizenzgebühren von Unternehmen fordern

Der Bundes­ge­richtshof hat den kartell­recht­lichen "Zwangs­li­zen­zeinwand" gegenüber dem Unter­las­sungs­be­gehren des Patentinhabers grundsätzlich zugelassen. Die Lizen­zie­rung­s­praxis eines markt­be­herr­schenden Patentinhabers unterliegt der kartell­recht­lichen Missbrauchs­kon­trolle (Art. 82 EG, §§ 19, 20 GWB). Der Patentinhaber darf ein Unternehmen, das einen Lizenzvertrag abschließen will, um auf einem von der Benutzung des Patents abhängigen Markt Produkte anbieten zu können, nicht dadurch diskriminieren, dass er von diesem Unternehmen ohne sachlichen Grund höhere Lizenzgebühren als von anderen fordert. Verstößt der Patentinhaber gegen dieses Diskri­mi­nie­rungs­verbot, ist ihm die Durchsetzung des patent­recht­lichen Unter­las­sungs­an­spruchs verwehrt. Die Klage aus dem Patent stellt dann ebenso wie die Weigerung, den angebotenen Lizenzvertrag abzuschließen, einen Missbrauch der markt­be­herr­schenden Stellung dar.

Diskriminiertes Unternehmen muss in regelmäßigen Abständen für die Nutzung des Produkts Lizenzgebühren an Patentinhaber zahlen bzw. hinterlegen

Die rechtswidrige Ablehnung des dem Patentinhaber angebotenen Lizenzvertrags gibt dem diskriminierten Unternehmen nach der heute verkündeten Entscheidung allerdings noch nicht das Recht, die Erfindung bis auf weiteres ohne Gegenleistung zu benutzen. Soll bereits patentgemäß produziert werden, ohne den eigenen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrags mit einer eigenen Klage durchgesetzt zu haben, muss sich das diskriminierte Unternehmen so behandeln lassen, als habe der Patentinhaber sein Vertragsangebot bereits angenommen. Dies bedeutet, dass in regelmäßigen Abständen über die Benutzung des Patents abgerechnet und die sich aus der Abrechnung ergebenden Lizenzgebühren an den Patentinhaber gezahlt oder zumindest zu dessen Gunsten hinterlegt werden müssen. Andernfalls kann der Patentinhaber die Patent­ver­letzung gerichtlich untersagen lassen. Ist das Unternehmen nicht bereit, die Gegenleistung zu erbringen, zu der es nach einem nicht diskri­mi­nie­renden Lizenzvertrag verpflichtet ist, handelt der Patentinhaber nicht missbräuchlich, wenn er seinen Unter­las­sungs­an­spruch aus dem Patent verfolgt.

Auf Lizenz angewiesenes Unternehmen darf nicht bezifferte, vom Patentinhaber nach billigem Ermessen zu bestimmende Lizenzgebühr anbieten

Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei häufig die Klärung der Höhe einer kartell­rechtlich (noch) zulässigen Lizenzgebühr. Da das auf die Lizenz angewiesene Unternehmen nicht weiß, in welcher Höhe eine angemessene Lizenzgebühr anzusetzen ist, hat der Bundes­ge­richtshof es für zulässig erachtet, dem Patentinhaber statt einer bestimmten Lizenzgebühr eine nicht bezifferte, vom Patentinhaber nach billigem Ermessen zu bestimmende Lizenzgebühr anzubieten und gleichzeitig einen Betrag zu hinterlegen, der mindestens der objektiv angemessenen Lizenzgebühr entspricht, möglicherweise aber auch darüber liegt. Damit kann der Patent­ver­let­zungs­prozess in vielen Fällen vom dem Streit um die Höhe der Lizenzgebühr entlastet werden. Ob die vom Patentinhaber festgesetzte Lizenzgebühr die kartell­rechtlich gezogenen Grenzen einhält, kann der Lizenznehmer gegebenenfalls in einem späteren Prozess überprüfen lassen. Ist ein ausreichender Betrag hinterlegt, genügt für die Abweisung der Patent­ver­let­zungsklage die Feststellung des Gerichts, dass der Patentinhaber zur Annahme des Lizenz­ver­trags­an­gebots und zur Bestimmung der Lizenzgebühr nach billigem Ermessen verpflichtet ist.

In dem zu entscheidenden Fall hatte die Verurteilung der Beklagten Bestand, weil sie nicht einmal die nach ihrer Ansicht geschuldeten Lizenzgebühren von 3 % abgerechnet und die entsprechenden, Philips geschuldeten Beträge hinterlegt hatten. Ob Philips mit der Forderung einer höheren Lizenzgebühr seine markt­be­herr­schende Stellung missbraucht hat, brauchte der Bundes­ge­richtshof unter diesen Umständen nicht zu entscheiden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 95/09 des BGH vom 06.05.2009

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