15.11.2024
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Bundesgerichtshof Beschluss11.12.2012

Scandlines Deutschland GmbH muss Konkur­ren­z­un­ter­nehmen Zugang zu land- und seeseitigen Hafen­ein­rich­tungen gewährenBundes­ge­richtshof zur Verweigerung des Zugangs zum Fährhafen Puttgarden gegenüber konkurrierenden Fährdien­st­un­ter­nehmen

Versagt ein Fährunternehmen einem konkurrierenden Unternehmen die Mitnutzung der land- und meerseitigen Hafen­ein­richtung, kann dies einen Missbrauch der markt­be­herr­schenden Stellung des Fährun­ter­nehmens darstellen und damit ein Verstoß gegen europäisches und deutsches Kartellrecht vorliegen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Die Beschwer­de­führerin des zugrunde liegenden Streitfalls (Scandlines Deutschland GmbH, im Folgenden: Scandlines) ist Eigentümerin des Fährhafens Puttgarden/Fehmarn. Sie bietet den einzigen Fährdienst von dort nach Rødby/Dänemark an (so genannte Vogelfluglinie). Die Beigeladenen, zwei norwegische Gesellschaften, beabsichtigen, ebenfalls einen Fährdienst auf dieser Route einzurichten und möchten hierzu den Fährhafen Puttgarden mitbenutzen. Scandlines weigert sich, den Zugang zu land- und seeseitigen Hafen­ein­rich­tungen zu gewähren.

Bundes­kar­tellamt rügt Missbrauch einer markt­be­herr­schenden Stellung durch Scandlines

Das Bundes­kar­tellamt hat in dieser Weigerung einen Missbrauch einer markt­be­herr­schenden Stellung durch Scandlines gesehen, der gegen europäisches und deutsches Kartellrecht verstoße. Mit Beschluss vom 27. Januar 2010 hat es Scandlines verpflichtet, Verhandlungen mit den Beigeladenen aufzunehmen und einen Zugangs­vor­schlag zu unterbreiten.

OLG: Zugangs­ver­wei­gerung gerechtfertigt

Die hiergegen erhobene Beschwerde von Scandlines hatte vor dem Oberlan­des­gericht Düsseldorf Erfolg. Das Oberlan­des­gericht hat angenommen, dass die Missbrauch­s­tat­be­stände des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB* und des Art. 102 AEUV** nicht erfüllt seien, weil die Zugangs­ver­wei­gerung gerechtfertigt sei. Die Mitbenutzung des Fährhafens Puttgarden durch die Beigeladenen sei aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil die von den Beigeladenen geplanten Park- und Vorstauflächen derzeit für den Eisen­bahn­verkehr gewidmet seien. Dass dieses Hindernis (durch eisen­bahn­rechtliche Entwidmung oder Planfest­stellung) ausgeräumt werden könne, sei nicht mit hinreichender Wahrschein­lichkeit vorherzusehen. Die Ungewissheit darüber, ob dieses Hindernis beseitigt werden kann, gehe nach Darlegungs- und Beweis­last­grund­sätzen zu Lasten des Bundes­kar­tellamts und der Beigeladenen.

BGH weist Sache zurück an das OLG

Auf die Rechts­be­schwerde des Bundes­kar­tellamts hob der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs die Beschwer­de­ent­scheidung auf und wies die Sache an das Oberlan­des­gericht zurück.

Ungewissheit über Durch­führ­barkeit des Mitbe­nut­zungs­vor­habens geht zu Lasten des Inhabers der Infra­s­truk­tu­r­ein­richtung

Maßgeblich dafür waren die folgenden Erwägungen: Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der Verweigerung einer Mitbenutzung wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erfordere stets eine Prognose. Daher sei nicht zwischen gegenwärtiger und künftiger rechtlicher Möglichkeit einer Mitbenutzung zu unterscheiden. In beiden Fällen gehe die Ungewissheit darüber, ob das Mitbe­nut­zungs­vorhaben durchführbar ist, nach der gesetzlichen Beweis­last­ver­teilung zu Lasten des Inhabers der Infra­s­truk­tu­r­ein­richtung. Gerade komplexe Vorhaben seien kaum ohne Einholung behördlicher Entscheidungen durchzuführen, deren Ausgang regelmäßig nicht vorauszusehen ist. Dies gelte insbesondere für die Mitbenutzung von Seehafenanlagen zum Zwecke der Ermöglichung von Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt des Fährverkehrs, die ein vom Gesetzgeber ausdrücklich in Betracht gezogener Anwendungsfall des Regelbeispiels nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist.

Dauerhafte Unmöglichkeit der Mitbenutzung kann nicht angenommen werden

Bei dem bislang vom Oberlan­des­gericht festgestellten Sachverhalt könne eine dauerhafte Unmöglichkeit der Mitbenutzung und somit eine sachliche Rechtfertigung der Zugangs­ver­wei­gerung nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nicht angenommen werden. Die vom Oberlan­des­gericht angeführte ernsthafte, nicht bloß vage Möglichkeit, dass die derzeit ungenutzten Teile der Eisen­bah­nin­fra­s­truktur im Zuge der Baumaßnahmen zur Errichtung der festen Fehmarn­bel­t­querung benötigt werden würden und daher die beabsichtigte Mitbenutzung des Hafens an den notwendigen behördlichen Entscheidungen scheitern könne, genüge dafür nicht, entschied der Bundes­ge­richtshof.

Missbrauch einer markt­be­herr­schenden Stellung kann nicht ausgeschlossen werden

Ein Missbrauch einer markt­be­herr­schenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV könne daher mit der vom Oberlan­des­gericht gegebenen Begründung ebenso wenig ausgeschlossen werden.

*§ 19 GWBMissbrauch einer markt­be­herr­schenden Stellung [Auszug]

Erläuterungen
(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer markt­be­herr­schenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

[...]

(4) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein markt­be­herr­schendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

[...]

4. sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infra­s­truk­tu­r­ein­rich­tungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des markt­be­herr­schenden Unternehmens tätig zu werden; dies gilt nicht, wenn das markt­be­herr­schende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betrie­bs­be­dingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

**Art. 102 AEUV

Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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