Dokument-Nr. 4440
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- Bundeskartellamt, Beschluss23.08.2006, B 10-92713-Kc-148/05, WuW/E DE-V 1251
- Lottostellen müssen vorerst keine Tippscheine anderer gewerblicher Anbieter annehmenOberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss07.09.2006, VI ? Kart 15/06 (V)
Bundesgerichtshof Beschluss08.05.2007
Bundesgerichtshof erlaubt staatlichen Lottogesellschaften mehr WettbewerbRechte der Länder beim Internetangebot für Lotto gestärkt
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das vom Bundeskartellamt gegenüber den Lottogesellschaften der Bundesländer ausgesprochene Verbot, bei einer Ausdehnung ihres Internetvertriebs Erlaubnisvorbehalte zu beachten, die in anderen Bundesländern bestehen, nicht für sofort vollziehbar erklärt werden darf. Das bedeutet, dass dieses Verbot bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die gegen die Verfügung eingelegte Beschwerde nicht durchgesetzt werden darf.
Die Lottogesellschaften arbeiten auf der Grundlage des sogenannten Blockvertrags zusammen. Nach dessen § 2 ist die Tätigkeit jeder Lottogesellschaft auf das Gebiet des jeweiligen Landes beschränkt. Der derzeit geltende "Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland" enthält eine entsprechende Regelung. Danach dürfen die Lottogesellschaften in einem anderen Land nur mit Zustimmung von dessen Behörden tätig werden; hierauf besteht kein Rechtsanspruch.
Das Bundeskartellamt hatte – sofort vollziehbar – verschiedene Verhaltensweisen der Lottogesellschaften untersagt, weil sie gegen deutsches und europäisches Kartellrecht verstießen. Die Lottogesellschaften haben dagegen beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde eingelegt. Sie haben darüber hinaus beantragt, der Beschwerde gegen die Untersagungsverfügung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Den auf aufschiebende Wirkung gerichteten Antrag hat das OLG Düsseldorf überwiegend abgelehnt.
Mit Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof haben die Lottogesellschaften den Antrag auf Anordnung aufschiebender Wirkung ihrer Beschwerde nur weiterverfolgt, soweit ihnen untersagt worden war, ihren Internetvertrieb unter Beachtung von § 2 Blockvertrag und § 5 Abs. 3 Lotteriestaatsvertrag sowie der Landesgesetze zum Glücksspielwesen auf im Land der Lottogesellschaft wohnende Spielteilnehmer zu beschränken.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat der Rechtsbeschwerde teilweise stattgegeben. Er hat zunächst klargestellt, dass der Bundesgerichtshof Beschlüsse des Beschwerdegerichts zum vorläufigen Rechtsschutz nur auf rechtliche Plausibilität prüft, da es sich um ein Eilverfahren handelt. Für die Entscheidung des Kartellsenats war danach maßgeblich, ob das Oberlandesgericht Düsseldorf zu Recht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung des Bundeskartellamtes verneint hat. Denn bei ernstlichen Zweifeln ist auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen.
Danach bestanden keine Bedenken gegen die Ansicht des OLG Düsseldorf, bei § 2 des Blockvertrages handele es sich um eine kartellrechtlich unzulässige Gebietsaufteilung unter den Lottogesellschaften, die nicht unter dem Aspekt der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben wie der Begrenzung und Kanalisierung von Spiellust gerechtfertigt werden könne.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) dürfen die Mitgliedstaaten und damit auch Bundesländer keine Maßnahmen treffen oder beibehalten, die die praktische Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen können. Das Bundeskartellamt hatte in § 5 Abs. 3 des Staatsvertrags eine derartige Maßnahme gesehen, weil diese Bestimmung die im Blockvertrag vereinbarte Gebietsaufteilung unter den Lottogesellschaften verstärke; denn danach könne die Zustimmung zu einem Tätigwerden in einem anderen Bundesland auch versagt werden, um Wettbewerb unter den Lottogesellschaften zu unterbinden. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf ist es mit europäischem Recht nicht vereinbar, wenn die Lottogesellschaften durch Landesrecht davon abgehalten würden, ihren Vertrieb auf andere Bundesländer auszudehnen.
Dies hat der Bundesgerichtshof nicht beanstandet. Dagegen hat er die Rechtmäßigkeit der Verfügung insoweit bezweifelt, als dort den Bundesländern die Möglichkeit genommen wird, die Tätigkeit der aus anderen Bundesländern stammenden Lottogesellschaften aus ordnungsrechtlichen Gründen auch präventiv zu untersagen, also nicht erst nach Aufnahme der Tätigkeit. Ein landesrechtlicher Erlaubnisvorbehalt für die Tätigkeit von Lottogesellschaften anderer Bundesländer erscheine bei vorläufiger Beurteilung gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Die territoriale Beschränkung einer landesbehördlichen Erlaubnis auf das jeweilige Bundesland berühre jedenfalls hier nicht den Schutzbereich der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, da diese Grundfreiheiten nur zwischen den Mitgliedstaaten gelten, jedoch nicht im Verhältnis zwischen staatlichen Lottogesellschaften eines Mitgliedstaates. Der Erlaubnisvorbehalt beeinträchtige bei summarischer Prüfung auch nicht ohne weiteres die praktische Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln. Nicht auszuschließen seien berechtigte ordnungsrechtliche Gründe auf Seiten der Länder, den Internetvertrieb durch Lottogesellschaften aus anderen Bundesländern von vornherein zu verbieten oder einzuschränken. So liege es nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Staatslotteriegesetz nicht fern, auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertriebsmöglichkeiten im Internet für bereits verfügbare Spielangebote durch weitere staatliche Lottogesellschaften als unzulässig anzusehen. Auch sei nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit ein Staatsmonopol für Glücksspiele und Lotterien nicht ausgeschlossen. Daher dürften sich die Bundesländer im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit für oder gegen ein solches Monopol entscheiden und dieses dann auch präventiv durchsetzen.
Im Ergebnis sind die Lottogesellschaften schon vor rechtskräftiger Entscheidung über ihre Beschwerde dazu verpflichtet, ungeachtet der Regelungen im Blockvertrag und im Staatsvertrag eine autonome Entscheidung darüber zu treffen, ob sie ihren Internetvertrieb auf andere Bundesländer ausdehnen und die dafür erforderliche Genehmigung dieser Bundesländer einholen wollen. Diese Genehmigung darf nur aus ordnungsrechtlichen und nicht aus wettbewerblichen Gründen versagt werden.
Mit Beschluss vom 8. Juni 2007 (VI-Kart 15/06 (V)) hat das OLG Düsseldorf – ohne die vorliegende Entscheidung des Bundesgerichtshof berücksichtigen zu können – den Beschluss des Bundeskartellamts in der Hauptsache im Wesentlichen bestätigt. Auf die vom Bundesgerichtshof getroffene Entscheidung hatte dies keinen Einfluss. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen. Anordnungen der aufschiebenden Wirkung gelten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens. Auch eine gegen die Ablehnung einer solchen Anordnung gerichtete Rechtsbeschwerde erledigt sich vorher nicht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 85/07 des BGH vom 25.06.2007
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