22.11.2024
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Dokument-Nr. 4440

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Bundesgerichtshof Beschluss08.05.2007

Bundes­ge­richtshof erlaubt staatlichen Lotto­ge­sell­schaften mehr WettbewerbRechte der Länder beim Internetangebot für Lotto gestärkt

Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass das vom Bundes­kar­tellamt gegenüber den Lotto­ge­sell­schaften der Bundesländer ausgesprochene Verbot, bei einer Ausdehnung ihres Inter­net­ver­triebs Erlaub­nis­vor­behalte zu beachten, die in anderen Bundesländern bestehen, nicht für sofort vollziehbar erklärt werden darf. Das bedeutet, dass dieses Verbot bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die gegen die Verfügung eingelegte Beschwerde nicht durchgesetzt werden darf.

Die Lotto­ge­sell­schaften arbeiten auf der Grundlage des sogenannten Blockvertrags zusammen. Nach dessen § 2 ist die Tätigkeit jeder Lotto­ge­sell­schaft auf das Gebiet des jeweiligen Landes beschränkt. Der derzeit geltende "Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland" enthält eine entsprechende Regelung. Danach dürfen die Lotto­ge­sell­schaften in einem anderen Land nur mit Zustimmung von dessen Behörden tätig werden; hierauf besteht kein Rechtsanspruch.

Das Bundes­kar­tellamt hatte – sofort vollziehbar – verschiedene Verhal­tens­weisen der Lotto­ge­sell­schaften untersagt, weil sie gegen deutsches und europäisches Kartellrecht verstießen. Die Lotto­ge­sell­schaften haben dagegen beim Oberlan­des­gericht Düsseldorf Beschwerde eingelegt. Sie haben darüber hinaus beantragt, der Beschwerde gegen die Unter­sa­gungs­ver­fügung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Den auf aufschiebende Wirkung gerichteten Antrag hat das OLG Düsseldorf überwiegend abgelehnt.

Mit Rechts­be­schwerde zum Bundes­ge­richtshof haben die Lotto­ge­sell­schaften den Antrag auf Anordnung aufschiebender Wirkung ihrer Beschwerde nur weiterverfolgt, soweit ihnen untersagt worden war, ihren Inter­net­vertrieb unter Beachtung von § 2 Blockvertrag und § 5 Abs. 3 Lotte­rie­staats­vertrag sowie der Landesgesetze zum Glückss­pielwesen auf im Land der Lotto­ge­sell­schaft wohnende Spielteilnehmer zu beschränken.

Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat der Rechts­be­schwerde teilweise stattgegeben. Er hat zunächst klargestellt, dass der Bundes­ge­richtshof Beschlüsse des Beschwer­de­ge­richts zum vorläufigen Rechtsschutz nur auf rechtliche Plausibilität prüft, da es sich um ein Eilverfahren handelt. Für die Entscheidung des Kartellsenats war danach maßgeblich, ob das Oberlan­des­gericht Düsseldorf zu Recht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung des Bundes­kar­tellamtes verneint hat. Denn bei ernstlichen Zweifeln ist auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen.

Danach bestanden keine Bedenken gegen die Ansicht des OLG Düsseldorf, bei § 2 des Blockvertrages handele es sich um eine kartell­rechtlich unzulässige Gebiets­auf­teilung unter den Lotto­ge­sell­schaften, die nicht unter dem Aspekt der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben wie der Begrenzung und Kanalisierung von Spiellust gerechtfertigt werden könne.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) dürfen die Mitgliedstaaten und damit auch Bundesländer keine Maßnahmen treffen oder beibehalten, die die praktische Wirksamkeit der Wettbe­wer­bs­regeln des Gemein­schafts­rechts beeinträchtigen können. Das Bundes­kar­tellamt hatte in § 5 Abs. 3 des Staatsvertrags eine derartige Maßnahme gesehen, weil diese Bestimmung die im Blockvertrag vereinbarte Gebiets­auf­teilung unter den Lotto­ge­sell­schaften verstärke; denn danach könne die Zustimmung zu einem Tätigwerden in einem anderen Bundesland auch versagt werden, um Wettbewerb unter den Lotto­ge­sell­schaften zu unterbinden. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf ist es mit europäischem Recht nicht vereinbar, wenn die Lotto­ge­sell­schaften durch Landesrecht davon abgehalten würden, ihren Vertrieb auf andere Bundesländer auszudehnen.

Dies hat der Bundes­ge­richtshof nicht beanstandet. Dagegen hat er die Rechtmäßigkeit der Verfügung insoweit bezweifelt, als dort den Bundesländern die Möglichkeit genommen wird, die Tätigkeit der aus anderen Bundesländern stammenden Lotto­ge­sell­schaften aus ordnungs­recht­lichen Gründen auch präventiv zu untersagen, also nicht erst nach Aufnahme der Tätigkeit. Ein landes­recht­licher Erlaub­nis­vor­behalt für die Tätigkeit von Lotto­ge­sell­schaften anderer Bundesländer erscheine bei vorläufiger Beurteilung gemein­schafts­rechtlich unbedenklich. Die territoriale Beschränkung einer landes­be­hörd­lichen Erlaubnis auf das jeweilige Bundesland berühre jedenfalls hier nicht den Schutzbereich der gemein­schafts­recht­lichen Niederlassungs- und Dienst­leis­tungs­freiheit, da diese Grundfreiheiten nur zwischen den Mitgliedstaaten gelten, jedoch nicht im Verhältnis zwischen staatlichen Lotto­ge­sell­schaften eines Mitgliedstaates. Der Erlaub­nis­vor­behalt beeinträchtige bei summarischer Prüfung auch nicht ohne weiteres die praktische Wirksamkeit der gemein­schafts­recht­lichen Wettbe­wer­bs­regeln. Nicht auszuschließen seien berechtigte ordnungs­rechtliche Gründe auf Seiten der Länder, den Inter­net­vertrieb durch Lotto­ge­sell­schaften aus anderen Bundesländern von vornherein zu verbieten oder einzuschränken. So liege es nach dem Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Bayerischen Staats­lot­te­rie­gesetz nicht fern, auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertrie­bs­mög­lich­keiten im Internet für bereits verfügbare Spielangebote durch weitere staatliche Lotto­ge­sell­schaften als unzulässig anzusehen. Auch sei nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung des EuGH zur Dienst­leis­tungs­freiheit ein Staatsmonopol für Glücksspiele und Lotterien nicht ausgeschlossen. Daher dürften sich die Bundesländer im Rahmen ihrer Gesetz­ge­bungs­zu­stän­digkeit für oder gegen ein solches Monopol entscheiden und dieses dann auch präventiv durchsetzen.

Im Ergebnis sind die Lotto­ge­sell­schaften schon vor rechtskräftiger Entscheidung über ihre Beschwerde dazu verpflichtet, ungeachtet der Regelungen im Blockvertrag und im Staatsvertrag eine autonome Entscheidung darüber zu treffen, ob sie ihren Inter­net­vertrieb auf andere Bundesländer ausdehnen und die dafür erforderliche Genehmigung dieser Bundesländer einholen wollen. Diese Genehmigung darf nur aus ordnungs­recht­lichen und nicht aus wettbe­werb­lichen Gründen versagt werden.

Mit Beschluss vom 8. Juni 2007 (VI-Kart 15/06 (V)) hat das OLG Düsseldorf – ohne die vorliegende Entscheidung des Bundes­ge­richtshof berücksichtigen zu können – den Beschluss des Bundes­kar­tellamts in der Hauptsache im Wesentlichen bestätigt. Auf die vom Bundes­ge­richtshof getroffene Entscheidung hatte dies keinen Einfluss. Das OLG hat die Rechts­be­schwerde zum Bundes­ge­richtshof zugelassen. Anordnungen der aufschiebenden Wirkung gelten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwer­de­ver­fahrens. Auch eine gegen die Ablehnung einer solchen Anordnung gerichtete Rechts­be­schwerde erledigt sich vorher nicht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 85/07 des BGH vom 25.06.2007

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