18.10.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 32402

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Urteil29.11.2022BundesgerichtshofKRZ 42/20
Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil10.08.2018, 2-03 O 239/16
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil12.05.2020, 11 U 98/18 (Kart)
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Bundesgerichtshof Urteil29.11.2022

Schlecker-Insolvenz - BGH zum Schadensersatz von Anton Schlecker e. K. i. L. wegen des Droge­rie­kartellsSchlecker-Insol­venz­ver­walter kann auf Schadenersatz hoffen

Das Verfahren über Schadenersatz für die insolvente Drogeriekette Schlecker wegen des sogenannten Droge­rie­kartells geht in die nächste Runde: Der Bundes­ge­richtshof (BGH) hob ein Urteil des Oberlan­des­ge­richts (OLG) Frankfurt am Main auf, mit dem dieses die Millionenklage des Schlecker-Insol­venz­ver­walters zurückgewiesen hatte.

Der Kläger ist Insol­venz­ver­walter von Anton Schlecker e.K. i.L. (im Folgenden: Schlecker). Er verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von mindestens 212,2 Mio. €. Schlecker war bis zur Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens 2012 eines der bundesweit größten Einzel­han­dels­un­ter­nehmen für Droge­rie­ma­r­ken­artikel. Die Beklagten stellen Droge­rie­ma­r­ken­artikel her. Die Preise für die von Schlecker erworbenen Produkte wurden in den Jahren 2000 bis 2012 zwischen der jeweiligen Beklagten und Schlecker bilateral in Jahres­ver­ein­ba­rungen festgelegt. Das Bundes­kar­tellamt verhängte u.a. gegen die Beklagten Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot gemäß § 1 GWB und Art. 81 EGV (nunmehr Art. 101 AEUV). Nach den Feststellungen des Bundes­kar­tellamts waren die Beklagten in den Jahren 2004 bis 2006 in unter­schied­lichem zeitlichen und sachlichen Umfang an einem kartell­rechts­widrigen Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch beteiligt. Im Kern betraf der Vorwurf den Austausch von Informationen über gegenüber Schlecker beabsichtigte und durchgesetzte Brutto­preis­er­hö­hungen sowie über den aktuellen Stand der Jahres­ver­hand­lungen mit Schlecker insbesondere hinsichtlich Rabatten und Sonder­for­de­rungen. Der Kläger behauptet, Schlecker habe aufgrund des Droge­rie­kartells überhöhte Preise für Droge­rie­ma­r­ken­artikel bezahlen müssen. Schlecker sei dadurch ein Schaden in Höhe von mindestens 212,2 Mio. € entstanden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision hat der Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt.

Austausch von geheimen Informationen

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Er hat entschieden, dass ein kartell­rechts­widriger Austausch zwischen Wettbewerbern über geheime Informationen, die das aktuelle oder geplante Preis­set­zungs­ver­halten gegenüber einem gemeinsamen Abnehmer zum Gegenstand haben, zugunsten dieses Abnehmers den Erfahrungssatz begründet, dass die danach erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die Wettbe­wer­bs­be­schränkung gebildet hätten. Betreffen geheime Informationen aktuelles oder geplantes Preis­set­zungs­ver­halten, besteht eine große Wahrschein­lichkeit dafür, dass die an dem Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch beteiligten Wettbewerber gemeinsam ein höheres Preisniveau erreichen. Der Annahme dieses Erfah­rungs­satzes steht nicht entgegen, dass die Wirkungen eines solchen Infor­ma­ti­o­ns­aus­tauschs von den Umständen des Einzelfalls (wie etwa dem auf dem betreffenden Markt herrschenden Bedingungen, dessen Struktur sowie dem mit dem Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch verfolgten Zweck) abhängen.

Starke Indizwirkung auch beim Drogeriekartell

Diese Umstände sind vielmehr im Rahmen der Gesamtwürdigung vom Tatrichter darauf zu überprüfen, ob sich daraus Indizien ergeben, die im konkreten Fall den Erfahrungssatz, dem regelmäßig eine starke Indizwirkung zukommt, bestätigen oder entkräften. Dieser Erfahrungssatz gilt auch für das Drogeriekartell, soweit der Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch Listen­preis­er­hö­hungen und die Verhandlungen über von Schlecker geforderte Rabatte und Sonder­be­din­gungen zum Gegenstand hatte. Das Berufungs­gericht hatte zwar einen entsprechenden Erfahrungssatz unterstellt, ihm jedoch rechts­feh­lerhaft ein zu geringes Gewicht beigemessen. Seine Annahme, es könne sich keine Überzeugung von einem Schaden Schleckers bilden, beruhte auf einer fehlerhaften Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände und hielt der revisi­ons­ge­richt­lichen Kontrolle nicht stand.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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