21.11.2024
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Dokument-Nr. 18503

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Urteil16.07.2014BundesgerichtshofIV ZR 73/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2014, 1084Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 1084
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Gießen, Urteil21.03.2012, 2 O 434/11
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil18.01.2013, 7 U 137/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.07.2014

Versi­che­rungs­nehmer steht nach ordnungsgemäßer Belehrung und jahrelanger Durchführung eines Lebens­versicherungs­vertrages kein Widerrufsrecht zuBGH verneint Bereicherungs­an­spruch für ordnungsgemäß belehrte Versi­che­rungs­nehmer

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Versi­che­rungs­nehmer nicht 13 Jahre nach Abschluss einer Lebens­ver­si­cherung den Widerruf der Versicherung erklären kann, wenn er nach den damals geltenden Vorschriften ordnungsgemäß über sein Wider­spruchsrecht belehrt wurde.

Der klagende Versi­che­rungs­nehmer des zugrunde liegenden Verfahrens begehrt Rückzahlung geleisteter Versi­che­rungs­beiträge aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach einem Widerspruch gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Der Versi­che­rungs­vertrag wurde 1998 nach dem in dieser (von Mitte 1994 bis Ende 2007 gültigen) Vorschrift geregelten so genannten Policenmodell geschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts erhielt der Kläger mit Übersendung des Versi­che­rungs­scheins die Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen und die Verbrau­che­r­in­for­mation und wurde ordnungsgemäß nach § 5 a VVG a.F. über sein Wider­spruchsrecht belehrt. Der Kläger zahlte in der Folge die Versi­che­rungs­prämien. Im Jahr 2004 kündigte er den Versi­che­rungs­vertrag und erhielt den Rückkaufswert. Im Jahr 2011 erklärte er den Widerspruch.

Vorinstanzen weisen Klage wegen nicht fristgerecht eingereichten Widerspruchs ab

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nicht fristgerecht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erklärt habe.

Kläger kann keine Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz aus ungerecht­fer­tigter Bereicherung verlangen

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger kann nicht aus ungerecht­fer­tigter Bereicherung Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebens­ver­si­che­rungs­vertrag ist nicht wegen Gemein­schafts­rechts­wid­rigkeit des § 5 a VVG a.F. unwirksam.

BGH nicht zur Einholung einer Vorab­ent­scheidung des EuGH verpflichtet

Dabei war der Bundes­ge­richtshof - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. der Fall war - nicht gehalten, eine Vorab­ent­scheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Der Bundes­ge­richtshof sieht ebenso wie die einhellige Insta­nz­recht­sprechung und ein Großteil des Schrifttums keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Bestimmungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebens­ver­si­cherung dem Policenmodell entgegenstehen könnten. Die Wider­spruchs­lösung des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die genannten Richtlinien keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versi­che­rungs­ver­trages enthalten, sondern dies dem nationalen Recht überlassen. Vor diesem Hintergrund entspricht § 5 a VVG a.F. den gemein­schafts­recht­lichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Infor­ma­ti­o­ns­pflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben. Eine vertragliche Bindung des Versi­che­rungs­nehmers konnte nach nationalem Recht erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbrau­che­r­in­for­mation eintreten. Auf diese Weise war eine nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderliche Belehrung des Versi­che­rungs­nehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.

Kläger durfte sich nicht nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit berufen

Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union schied auch bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemein­schafts­recht­lichen Bestimmungen unvereinbar ist, nicht entschei­dungs­er­heblich ankam. Offenbleiben konnte daher auch, ob in diesem Fall alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Renten­ver­si­che­rungs­verträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären - wie der Kläger meint - und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versi­che­rungs­leistung - berufen könnten. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hing nicht von der unions­recht­lichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemein­schafts­rechts­wid­rigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen wider­sprüch­licher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit zu berufen und daraus Berei­che­rungs­ansprüche herzuleiten. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 812

(1) Wer durch Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. [...]

§ 242

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Versi­che­rungs­ver­trags­gesetz in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versi­che­rungs­recht­licher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (Drittes Durch­füh­rungs­gesetz/EWG zum VAG)

§ 5 a

(1) Hat der Versicherer dem Versi­che­rungs­nehmer bei Antragstellung die Versi­che­rungs­be­din­gungen nicht übergeben oder eine Verbrau­che­r­in­for­mation nach § 10 a des Versi­che­rungs­auf­sichts­ge­setzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versi­che­rungs­scheins, der Versi­che­rungs­be­din­gungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbrau­che­r­in­for­mation als abgeschlossen, wenn der Versi­che­rungs­nehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. [...]

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versi­che­rungs­nehmer der Versi­che­rungs­schein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versi­che­rungs­nehmer bei Aushändigung des Versi­che­rungs­scheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Wider­spruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. [...]

Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften für die Direkt­ver­si­cherung (Lebens­ver­si­cherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG

Artikel 15

(1) Jeder Mitgliedstaat schreibt vor, dass der Versi­che­rungs­nehmer eines individuellen Lebens­ver­si­che­rungs­vertrags, der in einem der in Titel III genannten Fälle geschlossen wird, von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versi­che­rungs­nehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, über eine Frist verfügt, die zwischen 14 und 30 Tagen betragen kann, um von dem Vertrag zurückzutreten. [...]

Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften für die Direkt­ver­si­cherung (Lebens­ver­si­cherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebens­ver­si­cherung)

Artikel 31

Erläuterungen

(1) Vor Abschluss des Versi­che­rungs­vertrags sind dem Versi­che­rungs­nehmer mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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