21.11.2024
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Dokument-Nr. 31545

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Bundesgerichtshof Beschluss10.02.2022

Keine Haftung der Bundesrepublik Deutschland im Diesel-SkandalBundesrepublik hafte nicht für möglicherweise unzureichende Umsetzung von Europarecht

Der BGH hat entschieden, dass dem Erwerber eines mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs keine Amts­haftungs­ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen einer möglicherweise unzureichenden Umsetzung von Europarecht zustehen.

Der Kläger erwarb am 12. September 2014 einen gebrauchten Audi A4 (km-Stand: 11.303 km) zu einem Kaufpreis von 35.440 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet, der eine unzulässige Abschalt­vor­richtung enthält. Der Kläger wirft der beklagten Bundesrepublik Deutschland insbesondere vor, das Kraft­fahr­bun­desamt habe für den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp eine fehlerhafte Typgenehmigung erteilt und Art. 46 der Richtlinie 46/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraft­fahr­zeu­g­an­hängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Richtlinie 2007/46/EG) unzureichend umgesetzt und kein ausreichendes Sanktionssystem erlassen zu haben. Durch diese Pflicht­ver­let­zungen sei er zum Abschluss des Kaufvertrags gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte. Die Beklagte sei ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet. Das Landgericht hat die auf Feststellung der Schaden­s­er­satz­pflicht der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er hilfsweise Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und Zahlung einer Nutzungs­ent­schä­digung begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben.

BGH: Sache keine grundsätzliche Bedeutung

Der Bundes­ge­richtshof hat die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungs­gericht gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Insbesondere weist die Sache keine grundsätzliche Bedeutung deshalb auf, weil ein Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu der Frage gerichtet werden müsste, ob bzw. inwieweit die hier relevanten Normen der Richtlinie 2007/46/EG und der Verordnung 715/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Perso­nen­kraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungs­in­for­ma­tionen für Fahrzeuge (Verordnung 715/2007/EG) den Zweck haben, dass die Typge­neh­mi­gungs­be­hörden die Käufer von Fahrzeugen vor Rechtsverstößen der Hersteller zu schützen.

EU-Vorschriften sollen nicht vor Abschluss ungewollten Vertrags schützen

Diese Normen schützen zwar Interessen der Verbraucher, sie bezwecken jedoch nicht den Schutz vor den vom Kläger geltend gemachten Schäden. Drittschützende Wirkung haben sie nur im Hinblick auf das Interesse der Erwerber, dass ein erworbenes Fahrzeug zur Nutzung im Straßenverkehr zugelassen wird und dass diese Nutzung nicht aufgrund mangelnder Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ bzw. den für diesen Typ geltenden Rechts­vor­schriften untersagt wird. Die Verletzung dieses Interesses macht der Kläger jedoch nicht geltend. Sein Fahrzeug ist zugelassen und die Betrie­bs­er­laubnis ist nicht wieder entzogen worden. Vielmehr macht der Kläger als verletztes Schutzgut sein wirtschaft­liches Selbst­be­stim­mungsrecht und damit den Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrags geltend. Diese Interessen werden vom Schutzzweck der Richtlinie 2007/46/EG und der Verordnung 715/2007/EG jedoch nicht erfasst.

Keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich

Der Senat hat sich insoweit den Ausführungen des VI. Zivilsenats in seinen Urteilen vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) und vom 30. Juli 2020 (VI ZR 5/20), die auch der VII. Zivilsenat teilt (Beschluss vom 1. September 2021 - VII ZR 59/21), angeschlossen. Aus dem Umstand, dass die vorzitierten Entscheidungen Ansprüche gegen die Fahrzeug­her­steller betrafen, während im vorliegenden Fall ein Verstoß des Kraft­fahrt­bun­desamts gegen die vorgenannten Regelwerke geltend gemacht wird, folgt nichts Abweichendes. Es spricht nichts dafür, dass diese Pflichten der Geneh­mi­gungs­be­hörden gegenüber dem geschützten Personenkreis einen weitergehenden oder anderen Inhalt hätten als die Pflichten der Hersteller. Im Gegenteil werden die Behörden in erster Linie im öffentlichen Interesse tätig und sind von dem - vom Kläger geltend gemachten - Abschluss eines (unerwünschten) Vertrags sachlich weiter entfernt als der Fahrzeug­her­steller. Da diese Schluss­fol­ge­rungen auf der Hand liegen und zudem durch eine Erst-recht-Wertung gestützt werden, bedurfte es nach Maßgabe der acte-clair-Doktrin keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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