18.10.2024
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Urteil14.07.2016BundesgerichtshofIII ZR 387/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2016, 2800Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2016, Seite: 2800
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Bundesgerichtshof Urteil14.07.2016

BGH: Kündigung der Mitgliedschaft bei Online-Partner­ver­mittlung muss durch E-Mail möglich seinBeschränkung auf Schrift­form­erfordernis benachteiligt Verbraucher unangemessen

Schließt eine Online-Partner­ver­mittlung die Kündigung der Mitgliedschaft per E-Mail aus, obwohl die Vertrags­be­ziehung im Übrigen ausnahmslos digital ausgestaltet ist, so liegt eine unangemessene Benachteiligung der Mitglieder im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vor. Die entsprechende Klausel im Vertrag ist daher unwirksam. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: In einer Klausel einer Online-Partner­ver­mittlung wurde die Kündigung der Mitgliedschaft per E-Mail ausdrücklich ausgeschlossen. Stattdessen schrieb die Klausel die Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift vor. Ein Verbrau­cher­schutz­verband sah darin eine unangemessene Benachteiligung der Mitglieder und erhob daher Klage auf Unterlassung.

Landgericht gab Unter­las­sungsklage statt, Oberlan­des­gericht wies sie ab

Während das Landgericht Hamburg der Unter­las­sungsklage stattgab, wies sie das Oberlan­des­gericht Hamburg ab. Nach Ansicht des Gerichts habe keine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher vorgelegen. Den Kunden sei es zuzumuten, für die Kündigung andere Voraussetzungen zu beachten als für das Zustandekommen. Eine Schrift­form­klausel müsse nicht stets die elektronische Form gewähren. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision des Verbrau­cher­schutz­ver­bandes.

Bundes­ge­richtshof bejaht Unter­las­sungs­an­spruch

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten des Verbrau­cher­schutz­ver­bandes. Ihm habe der geltend gemachte Unter­las­sungs­an­spruch zugestanden. Denn die streitige Klausel habe die Mitglieder der Partner­ver­mittlung unangemessen benachteiligt im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB.

Unangemessene Benachteiligung aufgrund Ausschlusses der Kündigung per E-Mail

Der Bundes­ge­richtshof verwies darauf, dass bei der Online-Partner­ver­mittlung eine ausschließliche digitale Kommunikation geführt werde und ohne sonstige schriftliche Erklärungen, also auch ohne Unterschrift oder eingeschränkte elektronische Übermittlung zur Begründung des Vertrags­ver­hält­nisses, auskomme. Sämtliche Leistungen werden ausschließlich elektronisch abgerufen. Bei einer derart umfassenden ausnahmslos digitalen Ausgestaltung der Vertrags­be­ziehung sei es sachgerecht, für die Beendi­gungs­mög­lichkeit dieselben elektronischen Möglichkeiten und Formen zuzulassen wie für die Begründung des Vertrages und seine gesamte Durchführung.

Mitglied kann von Möglichkeit der Kündigung per E-Mail ausgehen

Es widerspreche nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs den schutzwürdigen Interessen der Mitglieder gerade und nur für die Kündigung die über die Textform hinausgehende Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift zu verlangen. Das Mitglied könne nach der besonderen Ausgestaltung des Vertrages generell davon ausgehen, auch eine Kündigung digital, insbesondere per E-Mail, abgeben zu können. Dies gelte vor allem in Anbetracht dessen, dass sich die Betreiberin der Online-Partner­ver­mittlung selbst das Recht zur fristlosen Kündigung per E-Mail vorbehalte und das Widerrufsrecht des Mitgliedes per E-Mail ausgeübt werden könne.

Kein Schutzbedürfnis der Partner­ver­mitt­lungs­be­treiberin

Ein Schutzbedürfnis sei der Betreiberin der Online-Partner­ver­mittlung nicht zuzuerkennen, so der Bundes­ge­richtshof. Auf etwaige Identi­täts­probleme und einen möglichen Missbrauch digitaler Möglichkeiten könne sie sich nicht berufen. Auch das Interesse, wegen noch offener Forderungen weitere persönliche Daten zu benötigen oder aber wegen der Ernsthaftigkeit der Kündi­gungs­er­klärung gesicherte Erkenntnisse zu erlangen, könne die geforderte Schriftform nicht rechtfertigen. Denn die Betreiberin verfüge bereits zuvor über die für sie maßgeblichen und für ein Zahlungs­be­gehren relevanten Daten. Sie vertraue von Beginn an darauf, dass die sich als Nutzer anmeldenden Personen nur ihre eigenen persönlichen Daten eingeben. Eine weitere Prüfung der Identität und eine Sicherung gegen Missbrauch erfolgen nicht. Um eine Kündi­gungs­er­klärung eindeutig zuordnen zu können, bestehe zudem zum Beispiel die Möglichkeit eine Abklärung durch eine entsprechende Bestätigung. Notfalls könne über § 127 Abs. 2 Satz 2 BGB eine nachträgliche Beurkundung gemäß § 126 BGB verlangt werden.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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