21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 3635

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Bundesgerichtshof Urteil11.01.2007

Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen den Staat wegen unzumutbarer Verzögerung bei Eintragung ins GrundbuchAmtshaftung - Staat haftet für Schäden durch Zeitverzögerung in unterbesetzter Behörde

Wenn Behörden Anträge nur schleppend bearbeiten und hierdurch dem Antragsteller ein Schaden entsteht, so kann er die Behörde haftbar machen. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Im Fall hatte ein Bauträger ein Jahr und acht Monate auf die Bearbeitung seiner Anträge gewartet.

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Frage zu entscheiden, inwieweit einem Grund­s­tücks­ei­gentümer Schadensersatz- oder Entschä­di­gungs­ansprüche wegen einer unzumutbaren Verzögerung der beantragten Eintragungen im Grundbuch zustehen.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Bauträger auf seinem Grundstück Eigen­tums­woh­nungen gebildet und diese an Interessenten verkauft. Die Kaufpreis­zah­lungen sollten erfolgen, wenn zugunsten der Käufer Vormerkungen im Grundbuch zur Sicherung ihrer Ansprüche auf Eigen­tums­über­tragung eingetragen waren. Der hierfür zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts war jedoch überlastet und trug die Vormerkungen deswegen erst nach einem Jahr und acht Monaten ein. Wegen des dem insolvent gewordenen Bauträger entstandenen Zinsschadens verlangt nunmehr die finanzierende Sparkasse, der die Ersatzansprüche abgetreten worden sind, von dem Bundesland Schadensersatz in Höhe von zunächst etwa 450.000 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlan­des­gericht hat ihr stattgegeben.

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Prüfung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Er hat hierbei allerdings die geltend gemachten Ersatzansprüche im Ansatz bejaht. Jede Behörde hat die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten. Ist dies wegen Überlastung des zuständigen Beamten nicht gewährleistet, so haben nicht nur die zuständige Behörde (Amtsgericht), sondern auch die übergeordneten Stellen (Landgericht, Oberlan­des­gericht, Justiz­mi­nis­terien) im Rahmen ihrer Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen. Inwieweit sie hierzu in der Lage gewesen wären, war in dem vorliegenden Rechtsstreit bislang nicht hinreichend geklärt, so dass weitere Sachver­halts­fest­stel­lungen und eine Zurück­ver­weisung an das Berufungs­gericht nötig wurden. Soweit es dagegen um die Zuweisung von Haushalts­mitteln und Stellen an die Gerichte durch den Haushalts­ge­setzgeber geht, hat der Bundes­ge­richtshof an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass auf eine etwaige Pflicht­ver­letzung des Gesetzgebers ein Schaden­s­er­satz­an­spruch des Bürgers nicht gestützt werden kann.

Bei der hier in Rede stehenden unzumutbaren Verzögerung von Eintra­gungs­an­trägen kommt außer dem Amtshaf­tungs­an­spruch noch ein Anspruch des Grund­s­tücks­ei­gen­tümers auf angemessene Entschädigung für die entgangene Nutzung seines Eigentums aus dem Gesichtspunkt des so genannten "enteig­nungs­gleichen Eingriffs" in Betracht. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, der allerdings nicht auf vollen Schadens­aus­gleich gerichtet ist, hat der Bundes­ge­richtshof hier für gegeben erachtet. In dieser Beziehung waren aber noch weitere tatsächliche Feststellungen zur Höhe der Entschädigung durch das Berufungs­gericht erforderlich.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 04/07 des BGH vom 11.01.2007

der Leitsatz

BGB §§ 839 Fi, 852 a.F.; GG Art. 14

a) Der Staat hat seine Gerichte so auszustatten, dass sie die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können (hier: übermäßige Dauer der Bearbeitung von Anträgen durch das Grundbuchamt wegen Überlastung). Die Erfüllung dieser Verpflichtung kann den Justizbehörden insgesamt als drittgerichtete Amtspflicht obliegen (teilweise Abweichung von BGHZ 111, 272).

b) Zum Beginn der Verjährung von Amtshaf­tungs­ansprüchen wegen pflichtwidriger Unterlassung.

c) Wird durch eine rechtswidrige Verzögerung der Eintragung von Auflas­sungs­vor­mer­kungen im Grundbuch die beabsichtigte Veräußerung von Eigen­tums­woh­nungen zeitweilig verhindert, so kann dies einen Entschä­di­gungs­an­spruch des betroffenen Grund­s­tücks­ei­gen­tümers aus enteig­nungs­gleichem Eingriff begründen (Fortführung von BGHZ 134, 316 und 136, 182).

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