18.10.2024
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Dokument-Nr. 30237

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Bundesgerichtshof Urteil06.05.2021

Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs eines Partner­vermittlungs­vertrags

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Kunde einer Partner­vermittlungs­agentur sein Widerrufsrecht nicht dadurch verliert, dass diese die geschuldete Anzahl von Partner­vor­schlägen zusammenstellt, ohne sie dem Kunden bereits überlassen zu haben, auch wenn allein dies in den Allgemeinen Geschäfts­bedingungen als "Hauptleistung" bestimmt ist; zudem ist der Werter­satz­an­spruch der Partner­vermittlungs­agentur nach dem Widerruf, von Ausnahmen abgesehen, zeitanteilig zu berechnen.

Im hier vorliegenden Fall schloss die Klägerin in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der beklagten Agentur einen Partner­ver­mitt­lungs­vertrag. In den Vertrags­un­terlagen war unter anderem bestimmt, dass die Beklagte als "Hauptleistung" 21 Partner­vor­schläge (Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf sollten 90 % und auf die "Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertrags­laufzeit von 12 Monaten" 10 % des Honorars entfallen. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Klägerin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass die Beklagte mit ihrer Dienstleistung aus dem Partner­ver­mitt­lungs­vertrag sofort beginne; ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Beklagten vollständig erfüllt sei.

OLG: Wertersatz für drei Partner­vor­schläge

Am folgenden Tag zahlte die Klägerin an die Beklagte das vereinbarte Honorar von 8.330 €. Am selben Tag übermittelte die Beklagte der Klägerin drei Kontakte, die dieser jedoch nicht zusagten. Die Klägerin "kündigte" daraufhin nach einer Woche den Vertrag. Die Beklagte macht geltend, das Partnerdepot erstellt und damit ihre Leistung vollständig erbracht zu haben. Das Landgericht hat die auf Rückzahlung der 8.330 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlan­des­gericht die Beklagte hingegen zur Rückzahlung verurteilt. Von der Klageforderung seien aber 1.191 € abzuziehen, da die Klägerin drei der insgesamt 21 geschuldeten Partner­vor­schläge erhalten habe und der Beklagten daher Wertersatz in dieser Höhe schulde.

BGH bejaht Wirksamkeit des Widerrufs

Der Bundes­ge­richtshof hat die gegen ihre Verurteilung zur Rückzahlung von 7.139 € gerichtete Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin kann den Großteil des an die Beklagte geleisteten Betrags zurückverlangen. Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB sind im Falle des wirksamen Widerrufs eines Verbrau­cher­vertrags die empfangenen Leistungen zurück­zu­ge­währen. Die Parteien hatten einen widerruflichen Verbrau­cher­vertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) geschlossen. Der von der Klägerin erklärte Widerruf war wirksam. Das Widerrufsrecht der Klägerin war nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB ausgeschlossen, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Wider­rufs­er­klärung ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass sie jedenfalls ihre Haupt­leis­tungs­pflicht vollständig erfüllt hätte. Für die Auslegung, welche Pflichten Haupt­leis­tungs­pflichten sind, ist entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte.

Zusendung der ausführlichen Partner­vor­schläge von Bedeutung

Nach diesen Maßstäben hat das Berufungs­gericht rechts­feh­lerfrei verneint, dass die Beklagte ihre Leistung vollständig erbracht hatte. Die Erstellung des Partnerdepots war nicht (ausschließliche) Haupt­leis­tungs­pflicht der Beklagten. Vielmehr ist für den Kunden der Beklagten allein die Zusendung der ausführlichen Partner­vor­schläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese Leistung hatte die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Darüber hinaus ist der Kunde auch darauf angewiesen, dass die Partner­vor­schläge zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie zu einer Kontak­tan­bahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind.

Andere Bestimmung der Hauptleistung in AGB unwirksam

Für ein anderes Verständnis kann sich die Beklagte nicht auf ihre Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen berufen, nach denen die "Hauptleistung" (allein) in der Erstellung eines 21 Partner­vor­schläge umfassenden Partnerdepots liegt. Diese Bestimmung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Durch Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen kann der Vertrags­ge­genstand nicht verändert werden.

Rechtsprechung des EuGH für Gegenanspruch maßgeblich

Der Gegenanspruch der Beklagten auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB ist jedenfalls geringer als der Betrag, den das Berufungs­gericht von der Klageforderung abgezogen hat. Für die Berechnung dieses Wertersatzes ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich, weil das Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 und § 355 Abs. 1 BGB sowie seine Rechtsfolgen auf der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher beruhen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020 ist auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertrags­ge­gen­ständ­lichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Daraus ergibt sich kein Anspruch der Beklagten, der 1.191 € übersteigt. Eine Ausnahme von einer zeitanteiligen Berechnung gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertrags­aus­führung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden; ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht jedoch vor.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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