23.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil06.03.2012

BGH zur Haftung bei unterbliebener Offenlegung der wirtschaft­lichen Neugründung einer GmbHBei fehlender Anzeige einer wirtschaft­lichen Neugründung gegenüber Registergericht kann Erwerber von Geschäfts­an­teilen Unter­bi­lanz­haftung treffen

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Haftung von Gesellschaftern einer GmbH zu entscheiden, wenn diese eine stillgelegte Gesellschaft wirtschaftlich neu gründen, die Neugründung aber gegenüber dem Registergericht nicht offenlegen.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist Insol­venz­ver­walter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer im Dezember 1993 gegründeten GmbH mit dem Unter­neh­mens­ge­genstand des Vertriebs von medizinischen Heil-, Hilfs- und Pflegemitteln sowie des Handels mit Waren aller Art. Die GmbH verfügte Ende des Jahres 2003 über keinerlei Aktiva und tätigte keine Umsätze mehr. Am 21. Juli 2004 beschloss die Gesell­schaf­ter­ver­sammlung eine Änderung der Firma und des Unter­neh­mens­ge­gen­stands, verlegte den Gesell­schaftssitz und bestellte eine neue Geschäfts­führerin. Diese meldete die Änderungen zur Eintragung in das Handelsregister an, ohne die wirtschaftliche Neugründung offenzulegen, und nahm die Geschäfte entsprechend dem neuen Unter­neh­mens­ge­genstand auf. Die Beklagte erwarb am 30. Dezember 2005 den einzigen Geschäftsanteil an der GmbH mit einem Nennbetrag von 50.000 DM zum Preis von 7.500 Euro. Am 8. Februar 2007 wurde über das Vermögen der GmbH das Insol­venz­ver­fahren eröffnet. Der Kläger stellte Forderungen in Höhe von 36.926,53 Euro zur Insol­venz­tabelle fest und beansprucht diesen Betrag von der Beklagten als Erwerberin sämtlicher Geschäfts­anteile der GmbH.

BGH weist Sache zur weiteren Aufklärung zurück an Berufungs­gericht

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlan­des­gericht hat ihr in vollem Umfang stattgegeben. Auf die vom Oberlan­des­gericht zugelassene Revision hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

BGH bejaht Vorliegen einer wirtschaft­lichen Neugründung

Der Bundes­ge­richtshof hat das Oberlan­des­gericht darin bestätigt, dass es sich bei der Aufnahme der Geschäfte mit geändertem Unter­neh­mens­ge­genstand am 21. Juli 2004 um eine wirtschaftliche Neugründung handelte. Als wirtschaftliche Neugründung ist es nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs anzusehen, wenn die in einer GmbH verkörperte juristische Person als unter­neh­mensloser Rechtsträger besteht und sodann mit einem Unternehmen ausgestattet wird. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob eine bewusst für eine spätere Verwendung "auf Vorrat" gegründete Gesellschaft aktiviert oder ob wie im entschiedenen Fall ein leer gewordener Gesell­schafts­mantel wiederverwendet wird.

Wirtschaftliche Neugründung ist gegenüber dem Registergericht offenzulegen

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs haften im Falle einer wirtschaft­lichen Neugründung die Gesellschafter für die Auffüllung des Gesell­schafts­ver­mögens bis zur Höhe des in der Satzung ausgewiesenen Stammkapitals (Unter­bi­lanz­haftung). Außerdem ist die wirtschaftliche Neugründung gegenüber dem Registergericht offenzulegen. In Rechtsprechung und Literatur war bisher umstritten, wie die Haftung ausgestaltet ist, wenn die erforderliche Offenlegung der wirtschaft­lichen Neugründung unterbleibt.

Bestehen einer Deckungslücke zwischen Vermögen der Gesellschaft und satzungsmäßigem Stammkapital zum Zeitpunkt wirtschaft­licher Neugründung entscheidend

Der Bundes­ge­richtshof ist der vom Oberlan­des­gericht vertretenen Auffassung, dass die Gesellschafter in diesem Fall einer zeitlich unbegrenzten Verlust­de­ckungs­haftung unterliegen, nicht gefolgt. Er hat vielmehr entschieden, dass es im vorliegenden Fall für eine etwaige Unter­bi­lanz­haftung der Beklagten, die gegebenenfalls als Erwerberin des Geschäfts­anteils haftet, darauf ankommt, ob im Zeitpunkt der wirtschaft­lichen Neugründung im Juli 2004 eine Deckungslücke zwischen dem Vermögen der Gesellschaft und dem satzungsmäßigen Stammkapital bestanden hat. Da das Oberlan­des­gericht von seinem Rechts­s­tandpunkt aus dazu keine Feststellungen getroffen hatte, ist die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen worden.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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