18.10.2024
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Dokument-Nr. 11427

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Urteil05.04.2011BundesgerichtshofII ZR 263/08 und II ZR 279/08
Vorinstanzen zu II ZR 263/08:
  • Landgericht Essen, Urteil23.11.2007, 45 O 23/07
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil01.07.2008, 8 U 4/08
Vorinstanzen zu II ZR 279/08:
  • Landgericht Düsseldorf, Urteil13.11.2007, 10 O 532/06
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil01.07.2008, I-3 U 15/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil05.04.2011

BGH zur persönlichen Haftung von GmbH-Gesellschaftern nach Abtretung einer Forderung der Bank an einen Mehrheits­ge­sell­schafterGmbH-Gesellschafter haftet auch bei fast vollständigem Übergang der Anteile auf Mehrheits­ge­sell­schafter

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein GmbH-Gesellschafter, der gegenüber einer Bank der Gesell­schafts­schuld beigetreten ist, einem Mitge­sell­schafter, an den die Bank ihre Forderung gegen die Gesellschaft abgetreten hat, auch dann persönlich haftet, wenn die Anteile an der Gesellschaft später fast vollständig (hier: 99,94 %) auf den Mehrheits­ge­sell­schafter übergehen. Ferner wurde entschieden, dass der haftende Gesellschafter bei entsprechender Satzungs­ge­staltung aus der Gesellschaft ausgeschlossen und sein Geschäftsanteil eingezogen werden kann, wenn deswegen die Zwangs­voll­streckung in seinen Geschäftsanteil von dem Mitge­sell­schafter betrieben wird und die sonstigen Voraussetzungen für diese Maßnahmen gegeben sind, insbesondere eine Abfindung ohne Verstoß gegen das Kapita­l­e­r­hal­tungsgebot (§ 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG*) gezahlt werden kann.

In dem einen Verfahren (II ZR 279/08) geht es um die Haftung. Die beiden Kläger und der Beklagte sind Gesellschafter einer GmbH, die Mitte der 90er Jahre ein Wohn- und Geschäfts­zentrum in Berlin errichtete. Für die Finan­zie­rungs­da­rlehen der GmbH übernahmen die Kläger, die damals mit zusammen 26,6 % an der GmbH beteiligt waren, in Höhe von 1,52 Mio. DM die persönliche Haftung und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Durch eine Kapitalerhöhung im Jahre 2003 sank die Betei­li­gungsquote der Kläger an der GmbH auf ,06 %; die übrigen Anteile hält seitdem der Beklagte unmittelbar und mittelbar über eine von ihm beherrschte andere Gesellschaft.

Kläger erheben Vollstre­ckungs­ab­wehrklage

Der Beklagte, der die Darle­hens­for­de­rungen gegen die GmbH von der Bank erworben hat, betreibt die Zwangs­voll­streckung gegen die Kläger. Dagegen haben die Kläger Vollstre­ckungs­ab­wehrklage erhoben.

Kläger fechten Ausschließung aus GmbH und Einziehung der Geschäfts­anteile an

In dem Paral­lel­ver­fahren (II ZR 263/08) geht es um die Ausschließung der Kläger aus der GmbH und die Einziehung ihrer Geschäfts­anteile. Nach der Satzung der GmbH scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, wenn sein Anteil gepfändet wird und es ihm – wie hier – nicht gelingt, die Pfändung innerhalb von 6 Wochen abzuwenden. Die Kläger haben ihre - gestützt auf diese Satzungs­be­stimmung - beschlossene Ausschließung und die Einziehung ihrer Geschäfts­anteile angefochten.

Verfahrensgang

Im Verfahren II ZR 279/08 hat das Landgericht die Klage abgewiesen, das Berufungs­gericht ihr aber im Wesentlichen stattgegeben, weil die Zwangs­voll­streckung durch den Beklagten treuwidrig sei. Im Verfahren II ZR 263/08 hat das Landgericht der Klage stattgegeben, das Berufungs­gericht hat hingegen nur die Einziehung der Geschäfts­anteile für unwirksam erklärt, die Ausschließung aber bestätigt.

Die Berufungs­ge­richte haben die Frage, ob den Klägern gegen die GmbH ein Anspruch auf Befreiung von der Mithaftung für die Schulden der GmbH zusteht und ob dieser Befrei­ungs­an­spruch auch gegen den Mehrheits­ge­sell­schafter durchgreift, unterschiedlich beantwortet. Während das OLG Hamm in dem Ausschlie­ßungs­prozess einen Durchgriff wegen der Trennung von Gesellschafts- und Gesell­schaf­ter­sphäre ablehnt, durchbricht das OLG Düsseldorf in dem Prozess über die Vollstre­ckungs­ab­wehrklage dieses Prinzip unter Berufung auf Treu und Glauben.

BGH weist Vollstre­ckungs­ab­wehrklage ab

Der Bundes­ge­richtshof hat die Vollstre­ckungs­ab­wehrklage abgewiesen. Er hat einen Befrei­ungs­an­spruch der in Anspruch genommenen Gesellschafter gegen den vollstreckenden Mitge­sell­schafter abgelehnt. Der Mitge­sell­schafter tritt den Gesellschaftern als Rechts­nach­folger der Bank entgegen. Deshalb hat er dieselben Rechte wie die Bank. Aus dem Innenverhältnis der Gesellschafter ergibt sich hier nichts anderes.

Ausschließungs- und Einzie­hungs­be­schluss unzulässig

Der Anfech­tungsklage gegen den Ausschließungs- und Einzie­hungs­be­schluss hat der Bundes­ge­richtshof dagegen insgesamt stattgegeben. Das Berufungs­gericht hatte richtig gesehen, dass der Einzie­hungs­be­schluss unwirksam ist, weil bei seiner Fassung feststand, dass die Abfindung nicht aus freiem Vermögen der GmbH gezahlt werden kann. Dann aber ist auch der Beschluss über die Ausschließung der Kläger unwirksam. Denn auch dafür muss es zumindest möglich sein, dass die Abfindung aus freiem Vermögen gezahlt werden kann. Das war hier nicht der Fall, weil die Gesell­schaf­ter­ver­sammlung den Ausschlie­ßungs­be­schluss mit dem Einzie­hungs­be­schluss verbunden hatte. Damit bestand keine andere Möglichkeit, als die Ausschließung durch die - unwirksame - Einziehung der Geschäfts­anteile umzusetzen.

§ 34 GmbHG Einziehung von Geschäfts­an­teilen

Erläuterungen
(1) Die Einziehung (Amortisation) von Geschäfts­an­teilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesell­schafts­vertrag zugelassen ist.

(2) ...

(3) Die Bestimmung in § 30 Abs. 1 bleibt unberührt.

§ 30 GmbHG Kapita­l­e­r­haltung

(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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