24.11.2024
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Dokument-Nr. 4544

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Bundesgerichtshof Urteil16.07.2007

BGH ändert Haftungskonzept zum sogenannten existenz­ver­nich­tenden Eingriff"Trihotel"-Entscheidung des BGH

Der Beklagte ist Eigentümer eines mit einem Hotel bebauten Grundstücks in Rostock, welches er nicht selbst bewirtschaftet, sondern - zeitlich nacheinander - an verschiedene Gesellschaften, an denen er selbst maßgeblich beteiligt ist, verpachtet bzw. an die er (unter Einschaltung der neuen Pächterin) die Geschäfts­be­sorgung und das Management übertragen hat. Eine der so tätigen Gesellschaften ist die Schuldnerin, deren Sonde­r­in­sol­venz­ver­walter der Kläger ist. Nach den Eintragungen in die Insol­venz­tabelle bestehen berechtigte Forderungen gegen die Schuldnerin in Höhe von mehr als 1,4 Mio. DM. Wegen dieses von der Schuldnerin nicht aufzubringenden Betrages nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung unter dem Blickwinkel zunächst der Konzernhaftung, dann der Haftung wegen existenz­ver­nich­tenden Eingriffs - außerdem aus Geschäfts­füh­rer­haftung und Delikt - in Anspruch.

Er wirft dem Beklagten nämlich vor, durch bestimmte, als existenz­ver­nichtend bezeichnete Eingriffe die Gemein­schuldnerin in den Ruin getrieben zu haben. Es sind dies insbesondere:

- die Siche­rungs­über­eignung des Hotel-Inventars an die Mutter des Beklagten im Zusammenhang mit einer Darle­hens­ge­währung von 150.000 DM;

- die Aufhebung des zwischen ihm und der Schuldnerin geschlossenen Pachtvertrages im März 1998, nachdem die Schuldnerin die vereinbarten Pachten über längere Zeit nicht gezahlt hatte;

- der anschließend (31.März 1998) geschlossene Geschäfts­be­sorgungs- und Manage­ment­vertrag mit der neuen Pächterin, der W. GmbH, die der Schuldnerin im Ausgangspunkt eine Umsatz­be­tei­ligung von 40 % sicherte, wobei dieser Satz abgesenkt werden durfte (und Anfang 1999 auf 28 % abgesenkt wurde), soweit dieser Satz überhöht und die verbleibenden Umsätze für die Pächterin nicht auskömmlich sein sollten.

Landgericht und Oberlan­des­gericht haben den Beklagten verurteilt, wobei das Oberlan­des­gericht allein auf die Existenz­ver­nich­tungs­haftung, so wie es diese versteht, abgehoben hat: Der Beklagte habe als Mehrheits­ge­sell­schafter pflichtwidrig in das Gesell­schafts­vermögen der Schuldnerin eingegriffen und damit deren Möglichkeit zerstört, Liquidität zu entwickeln und ihre Schulden zu begleichen, deswegen werde ihm der Haftungsschirm des § 13 Abs. 2 GmbHG mit der Folge entzogen, dass er für die Verbind­lich­keiten der Schuldnerin in voller Höhe einzustehen habe. Das Berufungs­gericht, dessen Urteil aus der Anfangsphase der sich erst entwickelnden Rechtsprechung des Senats zum sog. existenzver-nichtenden Eingriff stammt, und das deswegen dessen letzte Urteile vom Dezember 2004 nicht hat berücksichtigen können, hat die Revision zugelassen.

Der II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat diesen Fall zum Anlass genommen, das von ihm selbst im Jahre 2001 mit der Entscheidung "Bremer Vulkan" (BGHZ 149, 10) im Wege der Rechts­fort­bildung eingeführte und danach in mehreren Urteilen weiter­ent­wi­ckelte Rechtsinstitut der sog. Existenz­ver­nich­tungs­haftung des Gesellschafters einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Er hat als Ergebnis der Analyse das Haftungskonzept in wesentlichen Punkten geändert und auf eine neue Grundlage gestellt.

Die Kernsätze der Entscheidung lauten:

An dem Erfordernis einer als "Existenz­ver­nich­tungs­haftung" bezeichneten Haftung des Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompen­sa­ti­o­nslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesell­schafts­gläubiger dienende Gesell­schafts­vermögen wird festgehalten.

Der Senat gibt das bisherige Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur, die an den Missbrauch der Rechtsform anknüpft und als Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesell­schafts­gläu­bigern ausgestaltet, aber mit einer Subsi­dia­ri­täts­klausel im Verhältnis zu den §§ 30, 31 BGB versehen ist, auf. Stattdessen knüpft er die Existenz­ver­nich­tungs­haftung des Gesellschafters an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubi­ge­r­in­teresse zweckgebundenen Gesell­schafts­ver­mögens an und ordnet sie - in Gestalt einer schaden­s­er­satz­recht­lichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft - allein in § 826 BGB als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein.

3. Schaden­s­er­satz­ansprüche aus Existenz­ver­nich­tungs­haftung gemäß § 826 BGB sind gegenüber Erstat­tungs­ansprüchen aus §§ 31, 30 GmbHG nicht subsidiär; vielmehr besteht zwischen ihnen - soweit sie sich überschneiden - Anspruchs­grund­la­gen­kon­kurrenz.

In dem zu entscheidenden Fall hat der Senat das Berufungsurteil wegen verfah­rens­feh­ler­hafter Übergehung von Parteivortrag des Beklagten aufgehoben und die Sache an einen anderen Senat des Oberlan­des­ge­richts zur neuen Verhandlung und Beweisaufnahme zurückverwiesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 99/07 des BGH vom 16.07.2007

der Leitsatz

BGB § 826; GmbHG §§ 30, 31

a) An dem Erfordernis einer als "Existenz­ver­nich­tungs­haftung" bezeichneten Haftung des Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompen­sa­ti­o­nslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesell­schafts­gläubiger dienende Gesell­schafts­vermögen wird festgehalten.

b) Der Senat gibt das bisherige Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur, die an den Missbrauch der Rechtsform anknüpft und als Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesell­schafts­gläu­bigern ausgestaltet, aber mit einer Subsi­dia­ri­täts­klausel im Verhältnis zu den §§ 30, 31 GmbHG versehen ist, auf. Stattdessen knüpft er die Existenz­ver­nich­tungs­haftung des Gesellschafters an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubi­ge­r­in­teresse zweckgebundenen Gesell­schafts­ver­mögens an und ordnet sie - in Gestalt einer schaden­s­er­satz­recht­lichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft - allein in § 826 BGB als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein.

c) Schaden­s­er­satz­ansprüche aus Existenz­ver­nich­tungs­haftung gemäß § 826 BGB sind gegenüber Erstat­tungs­ansprüchen aus §§ 31, 30 GmbHG nicht subsidiär; vielmehr besteht zwischen ihnen - soweit sie sich überschneiden - Anspruchs­grund­la­gen­kon­kurrenz.

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