18.10.2024
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Dokument-Nr. 8630

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Urteil19.10.2009BundesgerichtshofII ZR 240 /08
Vorinstanzen:
  • Landgericht Berlin, Urteil01.09.2006, 100 O 141/05
  • Kammergericht Berlin, Urteil19.09.2008, 14 U 9/07
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Bundesgerichtshof Urteil19.10.2009

BGH zu Treuepflichten für Gesellschafter eines Immobilienfonds in Sanie­rungs­fällen ("Sanieren oder Ausscheiden")Gesellschafter müssen nicht alle einheitlich der Änderungen eines Gesell­schafts­ver­trages zustimmen

Wird bei einem Gesell­schaf­ter­be­schluss entschieden, dass Gesellschafter, die sich weigern, sich durch Zuführung neuen Kapitals an einer Sanierung zu beteiligen, aus der Gesellschaft ausscheiden, ist dieser Beschluss wirksam. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds in Form einer GmbH & Co OHG, ist wie eine Vielzahl derartiger Fonds in Berlin wegen des Fortfalls von Fördermitteln und der Situation auf dem Berliner Mietmarkt in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Ein im Jahre 2002 eingeholtes Sanie­rungs­gut­achten bescheinigte der Klägerin jedoch ihre grundsätzliche Sanie­rungs­fä­higkeit. Für die dazu mit den Gläubigerbanken zu schließende Sanie­rungs­ver­ein­barung war auf Seiten der Klägerin u.a. erforderlich, dass ihre Gesellschafter neues Kapital aufbrachten.

Sachverhalt

Zwecks Umsetzung der Sanierungspläne beschloss die Gesell­schaf­ter­ver­sammlung der Klägerin im Oktober 2002 mit der nach dem Gesell­schafts­vertrag erforderlichen ¾ Mehrheit der Stimmen eine Kapita­l­her­ab­setzung um 99,9 % und gleichzeitig die Erhöhung des Eigenkapitals um ca. 4,6 Mio Euro. Die Übernahme des Neukapitals war den Gesellschaftern freigestellt. Allerdings hatte eine gleichzeitig beschlossene Änderung des Gesell­schafts­ver­trages zur Folge, dass diejenigen Gesellschafter, die sich nicht bis zum 31. Dezember 2003 verbindlich an der Kapitalerhöhung beteiligten, zu diesem Stichtag aus der Gesellschaft ausschieden, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Gesellschaft bedurfte. Zwei der vier Beklagten stimmten für diese Änderungen des Gesell­schafts­ver­trages, die beiden anderen stimmten nicht zu.

Änderung des Gesell­schaf­ter­ver­trages hätte Zustimmung aller Gesellschafter bedurft

Keiner der vier Beklagten hat sich bis zum Stichtag an der Kapitalerhöhung beteiligt. Die Klägerin meint, die Beklagten seien Ende 2003 als Gesellschafter ausgeschieden und verlangt von ihnen Zahlung des auf diesen Stichtag ermittelten, ihrer jeweiligen Beteiligung am Gesell­schafts­vermögen entsprechenden sog. negativen Ausein­an­der­set­zungs­gut­habens, also Begleichung des auf sie jeweils entfallenden Verlustanteils. Die Klage war in beiden Instanzen erfolglos, da nach Ansicht von Land- und Kammergericht die Beklagten weiterhin Gesellschafter der Klägerin sind. Das Berufungs­gericht hat im wesentlichen die Ansicht vertreten, der Gesell­schaf­ter­be­schluss über das Ausscheiden im Falle der Weigerung, sich durch Zuführung neuen Kapitals an der Sanierung zu beteiligen, sei unwirksam. Es handele sich bei der Änderung des Gesell­schafts­ver­trages um eine "mittelbare Nachschuss­ver­pflichtung", die zu ihrer Wirksamkeit nach § 707 BGB der Zustimmung aller Gesellschafter der Klägerin bedurft hätte. Da es daran fehle, seien auch die beiden Beklagten, die zugestimmt hätten, nicht an den Beschluss gebunden.

Auf die - von ihm zugelassene - Revision der Klägerin hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Gesellschafter sind an Zustimmung gebunden

Das Gericht hat entschieden, dass die beiden Beklagten, die den Gesell­schaf­ter­be­schlüssen zugestimmt haben, an ihre Zustimmung gebunden sind mit der Folge, dass die Beschlüsse ihnen gegenüber wirksam sind. Denn es war weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass diese Beklagten ihre Zustimmung davon abhängig gemacht haben, dass sämtliche Gesellschafter der Klägerin den Änderungen des Gesell­schafts­ver­trages zustimmen.

Gesellschaftern, die die Chance einer Sanierung ergreifen wollen ist es nicht zuzumuten, Sanie­rungs­erfolg mit Gesellschaftern zu teilen, die keine Hilfe leistenden wollen

Aber auch gegenüber den beiden anderen Beklagten geht die Klägerin zu Recht von der Wirksamkeit des Beschlusses mit der Folge des Ausscheidens aus der Gesellschaft aus, weil beide Beklagten in der hier vorliegenden Sanie­rungs­si­tuation aus gesell­schaf­ter­licher Treuepflicht zur Zustimmung zu der Regelung über das Ausscheiden als Gesellschafter im Falle der Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung verpflichtet waren. Zwar kann grundsätzlich kein Gesellschafter, der seinen nach dem Gesell­schafts­vertrag geschuldeten Beitrag geleistet hat, - wie der II. Zivilsenat in ständiger Rechtsprechung entscheidet - gegen seinen Willen zu weiteren finanziellen Beiträgen zum Erreichen des Gesell­schafts­zwecks gezwungen werden. Dies gilt insbesondere in Sanie­rungs­si­tua­tionen, die stets die Gefahr des Scheiterns und damit des Verlustes des neu zugeführten Kapitals bergen. Andererseits ist es den Gesellschaftern, die die Chance einer Sanierung ergreifen wollen und deshalb bereit sind, der Gesellschaft weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, nicht notwen­di­gerweise zuzumuten, den erhofften künftigen Sanie­rungs­erfolg mit den Gesellschaftern teilen zu müssen, die dazu nichts – nicht einmal in Gestalt des sofort zu leistenden Verlustanteils - beitragen wollen. Ebenso wenig können die Gesellschafter, die nichts mehr in die Gesellschaft investieren wollen, die sanie­rungs­be­reiten Mitge­sell­schafter stets auf den Weg der Liquidation mit den damit durchgängig verbundenen Zerschla­gungs­ver­lusten verweisen. In diesen Fällen kann es die gesell­schaf­terliche Treupflicht den zahlungs­un­willigen oder zahlungs­un­fähigen Gesellschaftern gebieten, aus der Gesellschaft auszuscheiden und die Folgen – sofortiger Ausgleich des "negativen Ausein­an­der­set­zungs­gut­habens" – zu tragen.

Zahlungs­un­williger Gesellschafter darf durch Ausscheiden nicht besser gestellt werden

Diese Voraussetzungen hat der Senat im zu entscheidenden Fall als erfüllt angesehen. Die Klägerin hätte zwingend liquidiert werden müssen, wenn sich nicht der ganz überwiegende Teil der Gesellschafter bereit gefunden hätte, weitere Gelder an die Gesellschaft zu zahlen, weil nur dadurch die Kreditgeber ihrerseits veranlasst werden konnten, auf einen nicht unerheblichen Teil ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft zu verzichten. Für den Fall des Erfolgs dieses Sanierungsplans hätten die nicht zahlungs­be­reiten Gesellschafter hiervon ohne eigenen finanziellen Aufwand und damit auf Kosten der risikobereiten Gesellschafter profitiert. Ein derartig unausgewogenes Verhältnis ist den finanzierenden Gesellschaftern jedenfalls dann nicht zumutbar, wenn der zahlungs­un­willige Gesellschafter, wie im vorliegenden Fall, durch sein Ausscheiden nicht nur nicht schlechter, sondern sogar deutlich besser gestellt wird, als er stehen würde, wenn die Gesellschaft liquidiert worden wäre und er den dabei auf ihn entfallenden anteiligen Verlust zu tragen hätte.

Damit sind alle vier Beklagten zum 31. Dezember 2003 als Gesellschafter aus der Klägerin ausgeschieden. Zur Klärung der zwischen den Parteien streitigen Frage der Höhe des jeweils zu zahlenden Ausein­an­der­set­zungs­fehl­be­trages hat der Bundes­ge­richtshof die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen

Quelle: ra-online, BGH

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