15.11.2024
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Dokument-Nr. 5243

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Bundesgerichtshof Urteil03.12.2007

BGH befürwortet weiten Anlegerschutz bei unvollständigem Emissi­ons­prospektKarlsruher Richter entscheiden zum Anlegerschutz bei der Securenta AG / Göttinger Gruppe

Anleger können sich auch dann auf einen fehlerhaften Anlageprospekt berufen, wenn sie ihn vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages gar nicht gelesen haben. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Der Kläger, der sich im Jahre 1999 als atypisch stiller Gesellschafter am sog. Unter­neh­mens­segment VII der mittlerweile insolventen Securenta Göttinger Immobi­lie­n­anlagen und Vermö­gens­ma­na­gement AG beteiligte, nimmt die Beklagten als deren damalige Vorstands­mit­glieder im Wege des Schaden­s­er­satzes auf Erstattung geleisteter Einlagen sowie auf Freistellung von weiteren Raten­zah­lungs­ver­pflich­tungen gegenüber der Securenta AG in Anspruch. Seine Klage stützt er darauf, dass der Emissi­ons­prospekt, den er vor Vertragsschluss nicht erhalten hatte, in wesentlichen Punkten unvollständig gewesen sei.

Nachdem der Kläger vor dem Landgericht mit seiner Klage im wesentlichen erfolgreich war, hat das Oberlan­des­gericht der von den Beklagten eingelegten Berufung mit der Begründung stattgegeben, der fehlerhafte Prospekt sei nicht Grundlage der Anlage­ent­scheidung geworden, weil er dem Anlage­in­ter­es­senten nicht vorgelegen habe.

Der II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Er hat darauf abgestellt, dass der Prospekt hier entsprechend dem Vertrie­bs­konzept der Anlage­ge­sell­schaft bestim­mungsgemäß die Grundlage für die Unterrichtung der Anleger durch die Vermittler geworden ist. Dann aber wirken sich Prospektfehler genauso aus, als wäre der Prospekt dem Anlage­in­ter­es­senten persönlich ausgehändigt worden.

Damit kam es für die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung auf den Inhalt des Prospekts an. Dieser war jedenfalls insofern unvollständig, als darin die bankrechtlichen Zweifel an der von der Securenta AG propagierten ratierlichen Auszahlung der späteren Guthaben – der sog. Securente – nicht erwähnt waren. Dass mit dem Kläger eine solche Securente nicht vereinbart worden ist, spielt dabei keine Rolle. Denn es war absehbar, dass zahlreiche andere Anleger kündigen würden, wenn sie von den rechtlichen Bedenken gegen die Securente erfahren würden – wie auch tatsächlich geschehen. Dadurch entstand auch im Hinblick auf die Anlage des Klägers die Gefahr, dass die Securenta AG in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten werde.

Allerdings muss sich der Kläger grundsätzlich die Steuervorteile anrechnen lassen, die er während seiner Beteiligung an dem Unter­neh­mens­segment VII erzielt hat. Dazu und zur Prüfung von Verjäh­rungs­fragen hat der Senat die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 183/07 des BGH vom 03.12.2007

der Leitsatz

BGB §§ 276, 280

a) Über die Nachteile und Risiken eines angebotenen Kapita­l­an­la­ge­modells muss der Anlage­in­ter­essent in dem Emissi­ons­prospekt zutreffend und vollständig aufgeklärt werden. Dazu gehört auch, dass er auf Risiken hingewiesen wird, die ausschließlich Altverträge betreffen, aber dazu führen können, dass die Anlage­ge­sell­schaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Ebenso ist das Bestehen eines Verlu­st­über­nah­me­ver­trages mitzuteilen, weil dieser nicht nur die Gefahr des Verlustes der Anlage heraufbeschwört, sondern zusätzliche Zahlungs­pflichten auslösen kann.

b) Ein Prospektfehler ist auch dann ursächlich für die Anlage­ent­scheidung, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertrie­bs­konzept der Anlage­ge­sell­schaft von den Anlage­ver­mittlern als alleinige Arbeits­grundlage für ihre Beratungs­ge­spräche benutzt wird. Es kommt bei dieser Sachlage nicht darauf an, ob der Prospekt dem Anlage­in­ter­es­senten übergeben worden ist.

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