03.12.2024
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Dokument-Nr. 7622

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Urteil09.03.2009BundesgerichtshofII ZR 170/07
Vorinstanzen:
  • Landgericht Hamburg, Urteil17.05.2006, 412 O 91/05
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil29.06.2007, 11 U 141/06
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Bundesgerichtshof Urteil09.03.2009

Vorstands­dop­pel­mandate im faktischen Konzern sind nach geltendem Aktienrecht nicht verbotenConstanze Verlag GmbH & Co. KG verliert Streit um die Zulässigkeit sog. Vorstands­dop­pel­mandate im Rahmen der Gruner + Jahr AG & Co. KG auch vor dem BGH

Die Bestellung des Vorstands einer Aktien­ge­sell­schaft fällt ebenso wie dessen Befreiung von einem Wettbe­wer­bs­verbot in die alleinige Zuständigkeit des Aufsichtsrats. Auch so genannte Vorstands­dop­pel­mandate sind nach geltendem Aktienrecht im faktischen Konzern nicht verboten, sondern ihre Zulässigkeit hängt allein von der Zustimmung der Aufsichtsräte beider Gesellschaften zur Doppeltätigkeit ab. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

I. Parteien des Rechtsstreits sind die drei Gesell­schaf­te­rinnen der Gruner + Jahr AG & Co. KG: Die Klägerin (Constanze Verlag GmbH & Co.KG) und die Beklagte zu 1 (Bertelsmann AG) sind ihre alleinigen Komman­di­tis­tinnen; beide sind zugleich Aktionäre der Komplementärin, der Gruner + Jahr AG (Beklagte zu 2). Die Bertelsmann AG beherrscht aufgrund ihrer höheren Kapital­be­tei­ligung faktisch sowohl die Gruner + Jahr AG als auch die KG. Die Bertelsmann AG hatte den Vorstands­vor­sit­zenden der Gruner + Jahr AG in den Jahren 2000 und 2004 zugleich in ihren eigenen Vorstand berufen. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ein Vorstandsmitglied der Gruner + Jahr AG nur mit ihrer Zustimmung ein Vorstandsmandat in der Bertelsmann AG ausüben dürfe.

Einverständnis wegen Wettbe­wer­bs­verbot erforderlich?

Sog. Vorstandsdoppelmandate in Aktien­ge­sell­schaften müssen gem. § 88 Abs. 1 AktG nur von den Aufsichtsräten der betroffenen Aktien­ge­sell­schaften genehmigt werden. Die Klägerin meint, dass in der - hier vorliegenden - besonderen Gesell­schaftsform einer AG & Co. KG wegen des für deren Gesellschafter geltenden Wettbe­wer­bs­verbots gemäß § 112 HGB auch ihr Einverständnis als Minder­heits­kom­man­di­tistin notwendig sei. Den Vorstands­mit­gliedern der Gruner + Jahr AG sei der Wettbewerb zur KG verboten; ein Doppelmandat bei der Konzernspitze verletze dieses Verbot. Da - wie die Klägerin behauptet - die KG und die Bertelsmann AG in direktem Wettbewerb stünden, bestehe die Gefahr, dass die Konzernspitze über den Doppel­man­dat­s­träger Geschäft­s­chancen zum Nachteil der KG an sich ziehe. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

BGH: Vorherige Zustimmung nicht erforderlich

II. Der II. Zivilsenat des BGH hat in der Revisi­ons­instanz die Klageabweisung bestätigt. Er hat ausgesprochen, dass die Klägerin als Minder­heits­kom­man­di­tistin der G+J KG kein aus einem Wettbewerbsverbot gemäß § 112 Abs. 1 HGB ableitbares Mitwir­kungsrecht an der Entscheidung der zuständigen Organe der beiden beklagten Aktien­ge­sell­schaften über sog. Vorstands­dop­pel­mandate in der Weise hat, dass die Bestellung eines Vorstands­mit­glieds der Beklagten zu 2 (Komplementärin) zum (gleichzeitigen) Mitglied des Vorstands der Beklagten zu 1 (Mehrheits­kom­man­di­tistin) ihrer vorherigen Zustimmung ("Vetorecht") bedürfte. Dem perso­nen­ge­sell­schafts­recht­lichen Wettbe­wer­bs­verbot des § 112 Abs. 1 HGB unterliegen - auch bei der vorliegenden gesell­schafts­recht­lichen Sonderform der Aktiengesellschaft & Co. KG - zwar die beiden beklagten Aktien­ge­sell­schaften als Gesell­schaf­te­rinnen, nicht jedoch darüber hinausgehend auch deren Vorstands­mit­glieder als ihre gesetzlichen Vertreter.

Keine analoge Anwendung von § 112 HGB

Auch eine analoge Anwendung des § 112 HGB kommt hier nicht in Betracht, weil ein daraus abgeleiteter - präventiv wirkender - Einwil­li­gungs­vor­behalt zugunsten der Klägerin in dieser Konstellation mit den geltenden aktien­recht­lichen Kompetenznormen (§§ 84, 88 AktG) sowie mit den damit im Zusammenhang stehenden einschlägigen Grundsätzen des (Aktien-)Konzernrechts (§§ 16 ff AktG) nicht in Einklang steht.

Aufsichtsrat ist allein für Bestellung des Vorstands zuständig

Die Bestellung des Vorstands einer AG fällt ebenso wie dessen Befreiung von einem Wettbe­wer­bs­verbot in die alleinige Zuständigkeit des Aufsichtsrats. Auch sog. Vorstands­dop­pel­mandate, wie sie den Kern des vorliegenden Rechtstreits darstellen, sind nach geltendem Aktienrecht - auch im faktischen Konzern - nicht verboten; ihre Zulässigkeit hängt allein von der - hier erteilten - Zustimmung der Aufsichtsräte beider Gesellschaften zu der Doppeltätigkeit ab. Die von der Beklagten zu 1 als "Mutter-AG" beherrschte AG & Co. KG ist hinsichtlich der alleinigen Bestellungs- und Befrei­ungs­kom­petenz der Aufsichtsräte der beiden beklagten Aktien­ge­sell­schaften für Vorstands­dop­pel­mandate nicht anders zu beurteilen: Auch die spezielle Gesell­schaftsform der AG & Co. KG ist hinsichtlich dieser Kompetenzfrage nicht etwa wie eine "Einheits­ge­sell­schaft" zu behandeln, vielmehr unterliegt sie dem geltenden Trennungs­prinzip.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 50/2009 des BGH

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