18.10.2024
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Bundesgerichtshof Beschluss29.05.2006

Verschmelzung von Deutsche Telekom und T-Online kann beginnen - BGH verwirft Rechts­be­schwerdeBeschwerde von Anlegern gegen geplante Fusion ist unzulässig

In dem Streit um die Verschmelzung der T-Online International AG mit ihrer Mutter­ge­sell­schaft, der Deutsche Telekom AG, hat der Bundes­ge­richtshof jetzt entschieden, dass die von dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main gegen dessen Freiga­be­be­schluss zugelassene Rechts­be­schwerde unzulässig ist.

Die Deutsche Telekom hatte ihre Tochter­ge­sell­schaft T-Online im Jahre 2000 an die Börse gebracht. Nachdem zahlreiche Anleger zum Kurs von 27 € T-Online-Aktien erworben hatten, sank der Kurs in der Folgezeit auf unter 10 €. Im vergangenen Jahr beschloss der Telekom-Vorstand, das Tochter­un­ter­nehmen wieder von der Börse zu nehmen und auf die Mutter­ge­sell­schaft zu verschmelzen. Hintergrund für diese Maßnahme ist nach Darstellung der Telekom die technische Entwicklung auf dem Telekom­mu­ni­ka­ti­o­nsmarkt, die zu einer Verzahnung von Telefondiensten und Inter­net­diensten führen wird. Den Anlegern werden für 25 Aktien der T-Online 13 Aktien der Telekom angeboten. Gegen diese von der Haupt­ver­sammlung mit großer Mehrheit beschlossene Maßnahme haben eine Reihe von Aktionären Klage erhoben. Sie halten die Verschmelzung für gesetz- und satzungswidrig und machen in diesem Zusammenhang u. a. geltend, der Telekom-Vorstand habe durch seine Informations- und Geschäfts­politik den Kurs der Tochter­ge­sell­schaft bewusst gedrückt, so dass der Konzern sich nun die Differenz zwischen dem hohen Ausgabekurs der T-Online-Aktie und dem jetzigen niedrigen Wert der Aktie der Tochter­ge­sell­schaft pflichtwidrig aneigne.

Wenn die beschlossene Verschmelzung erst vollzogen werden dürfte, nachdem das langwierige Anfechtungs- und Nichtig­keits­ver­fahren rechtskräftig erledigt worden ist, entstünden nach Darstellung der Telekom Verluste in Millionenhöhe. Deshalb hat der Konzern gestützt auf den im Jahre 1994 eingeführten § 16 Abs. 3 UmwG das sog. Freiga­be­ver­fahren eingeleitet. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht anordnen, dass trotz anhängiger Klagen die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen und damit unumkehrbar wirksam wird. Voraussetzung ist, dass die Klagen unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind oder dass eine Inter­es­se­n­ab­wägung zugunsten der beteiligten Unternehmen ausfällt. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat – anders als das Landgericht Darmstadt – diese Freigabe ausgesprochen und die Rechts­be­schwerde zugelassen. Dagegen haben 31 Aktionäre Rechts­be­schwerde beim Bundes­ge­richtshof eingelegt.

Der für diese Verfahren zuständige II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Rechts­be­schwerden zurückgewiesen, weil – anders als das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main meint – im Freiga­be­ver­fahren eine Rechts­be­schwerde nicht zulässig ist. Der Gesetzgeber hat im Jahre 1994 dieses besondere Verfahren bewusst so ausgestaltet, dass der Instanzenzug bei dem Oberlan­des­gericht endet. Denn es ging – im Anschluss an die Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs vom 2. Juli 1990 – im wesentlichen darum, dem Missstand zu begegnen, dass mit Rücksicht auf die typischerweise lange Dauer von gesell­schafts­recht­lichen Anfechtungs- und Nichtig­keits­ver­fahren die Durch­führ­barkeit der beschlossenen Maßnahme in Frage gestellt oder unmöglich gemacht und außerdem die Gefahr herauf­be­schworen wird, dass einzelne Aktionäre die mit der Verzögerung entstehende Verhin­de­rungsmacht zweckwidrig zur Durchsetzung eigener verfah­rens­fremder Interessen auszunutzen versuchen. Deswegen ist das Freiga­be­ver­fahren als besonderes Eilverfahren ausgestaltet worden und endete mit der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts. An diesem bewährten Regelungssystem, das zur Folge hat, dass die klagenden Aktionäre nur noch Ersatz des ihnen etwa entstandenen Schadens verlangen können, wenn die Eintragung der Verschmelzung spätestens durch das Oberlan­des­gericht rechtskräftig freigegeben worden ist, hat sich durch das Zivil­pro­zess­re­form­gesetz vom 27. Juli 2001 nichts geändert.

Nach der nun von dem II. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs getroffenen Entscheidung steht der Eintragung der Verschmelzung von Deutscher Telekom und T-Online und damit dem Wirksamwerden dieser Maßnahme nichts mehr im Wege. Mit den fortzusetzenden Klageverfahren vor dem Landgericht Darmstadt können die Kläger deswegen nicht mehr erreichen, dass die Verschmelzung rückgängig gemacht wird. Ein zu ihren Gunsten ergehendes Urteil könnte vielmehr nur Grundlage eines Schaden­er­satz­an­spruchs gegen die Deutsche Telekom sein (§ 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG).

Erläuterungen
Vorinstanzen

LG Darmstadt - Beschluss vom 29. November 2005 - 12 U 491/05

OLG Frankfurt/M - Beschluss vom 8. Februar 2006 - 12 W 185/05

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 86/06 des BGH vom 02.06.2006

der Leitsatz

ZPO § 574 Abs. 1, UmwG § 16 Abs. 3, AktG § 148 Abs. 2 Satz 6, § 246 a Abs. 3, § 319 Abs. 6, § 327 e Abs. 2

In dem Freiga­be­ver­fahren nach § 16 Abs. 3 UmwG ist die Rechts­be­schwerde kraft Gesetzes ausgeschlossen.

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