Werden gegen einen Verschmelzungsbeschluss Anfechtungsklagen erhoben, so ist eine sofortige Vollziehung der Verschmelzung durch Eintragung im Handelsregister nur möglich, wenn durch rechtskräftigen Gerichtsbeschluss festgestellt ist, dass die Erhebung der Klagen der Eintragung nicht entgegensteht. Diese Feststellung setzt voraus, dass die erhobenen Anfechtungsklagen unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind oder das Interesse an dem alsbaldigen Wirksamwerden der Verschmelzung vorrangig erscheint ( § 16 Abs. 3 Umwandlungsgesetz).
Diese Voraussetzungen liegen nach Ansicht des 12. Zivilsenats vor. Einige der erhobenen Anfechtungsklagen seien offensichtlich unbegründet, weil Kläger, die ihre Aktien erst nach Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung erworben hätten, nicht anfechtungsbefugt seien (§ 245 Nr. 1 und 3 AktG). Einige der ansonsten geltend gemachten Rügen (Nichtigkeitsgründe, Verfahrensfehler, Inhaltsmängel) hält der Senat ebenfalls für offensichtlich unbegründet und daher unbeachtlich.
Einige gegen den Verschmelzungsbericht erhobenen Rügen seien indes nicht von vornherein unbegründet. Das betreffe vor allem die Vollständigkeit der Angaben zu verbundenen Unternehmen und Risiken aus Beteiligungen. Derartige Risiken hätten hier bestanden, ohne dass Angaben zu den für erforderlich gehaltenen Rückstellungen und zur Höhe der geltend gemachten Ansprüche gemacht worden seien. Bedenken bestünden auch im Hinblick auf die Darstellung der Bedeutung des Börsenkurses für das Umtauschverhältnis.
Auch wenn die Anfechtungsklagen in diesem Punkt Erfolg haben sollten, überwiegt nach Auffassung des Senats das Interesse an der sofortigen Verschmelzung. Bei einer Verzögerung der Verschmelzung könne sich die Deutsche Telekom AG als Großunternehmen der Telekommunikationsbranche über Jahre hinweg nicht so strukturieren und am Markt ausrichten, wie es die Unternehmensleitung für erforderlich halte. Sie würde angesichts der rasanten technischen Entwicklungen im IT-Bereich unweigerlich gegenüber den Konkurrenzunternehmen am Europäischen und Weltmarkt ins Hintertreffen geraten. Dies hätte negative Auswirkungen auf das internationale Ansehen des Unternehmens und auf seinen Aktienkurs. Diese Folgen würden eintreten, obwohl in der Hauptversammlung eine Mehrheit von 99,46 % der Verschmelzung zugestimmt habe, während die klagenden Antragsgegner zum Zeitpunkt der Hauptversammlung lediglich ,057 % der Aktien hielten.
Durch aktienrechtliche Anfechtungsklagen dürfe die Kompetenzordnung im Unternehmen nicht auf Jahre hinaus auf den Kopf gestellt werden. Angesichts des aktienrechtlichen Mehrheitsprinzips könnten Kleinaktionäre auf die Unternehmenspolitik regelmäßig keinen relevanten Einfluss nehmen. Für sie stehe die Vermögenskomponente im Vordergrund. Sollten sich die Anfechtungsklagen als begründet erweisen, so stünden den Klägern Schadensersatzansprüche gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 Umwandlungsgesetz zu.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.02.2006
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt/Main vom 09.02.2006