21.11.2024
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Dokument-Nr. 31982

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Urteil14.07.2022BundesgerichtshofI ZR 97/21
Vorinstanzen:
  • Landgericht Dortmund, Urteil08.11.2019, 3 O 262/17
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil10.06.2021, I-4 U 1/20
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Bundesgerichtshof Urteil14.07.2022

BGH zu den wett­bewerbs­rechtlichen Grenzen des Betriebs eines kommunalen Internetportals - Dortmunder Stadtportal dortmund.de nicht presseähnlichKommunales Internetportal der Stadt verstößt in der beanstandeten Fassung nicht gegen das Gebot der Staatsferne der Presse.

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass das Internetangebot einer Kommune in Form eines Stadtportals, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch Informationen über das Geschehen in der Stadt abrufbar sind, das Gebot der "Staatsferne der Presse" nicht verletzt, wenn der Gesamtcharakter des Inter­ne­t­an­gebots nicht geeignet ist, die Insti­tuts­ga­rantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden.

Die Klägerin ist ein Verlag, der neben Tageszeitungen in Form von Printmedien auch digitale Medien anbietet, darunter ein Nachrich­ten­portal. Die beklagte Stadt betreibt ein Internetportal, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch redaktionelle Inhalte veröffentlicht werden. Nach der über das Internetportal abrufbaren Eigenwerbung soll es umfassend und aktuell über das Geschehen in der Stadt informieren. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, das Internetportal überschreite die Grenzen der zulässigen kommunalen Öffent­lich­keits­arbeit und sei deshalb nach § 3 a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse wettbe­wer­bs­widrig. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Nach einer Gesamtschau der Beiträge in dem Internetportal überschritten die vorgehaltenen Inhalte die Grenzen einer zulässigen kommunalen Berich­t­er­stattung. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungs­gericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil sich bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht feststellen lasse, dass der Gesamtcharakter des Portals geeignet sei, die Insti­tuts­ga­rantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden.

Kommunale Pressearbeit durch Gebot der "Staatsferne der Presse" begrenzt

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das Internetportal der beklagten Stadt verstößt in der von der Klägerin beanstandeten Fassung nicht gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse. Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse sind bei gemeindlichen Publikationen unter Berück­sich­tigung der Garantie der kommunalen Selbst­ver­waltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und der daraus folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits sowie der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits zu bestimmen. Äußerungs- und Infor­ma­ti­o­ns­rechte der Gemeinden finden ihre Legitimation in der staatlichen Kompe­ten­z­ordnung, insbesondere in der Selbst­ver­wal­tungs­ga­rantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Die darin liegende Ermächtigung zur Information der Bürgerinnen und Bürger erlaubt den Kommunen allerdings nicht jegliche pressemäßige Äußerung mit Bezug zur örtlichen Gemeinschaft. Kommunale Pressearbeit findet ihre Grenze in der insti­tu­ti­o­nellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, welche die Freiheit­lichkeit des Pressewesens insgesamt garantiert. Diese ist unabhängig davon einschlägig, dass die Klägerin nicht ein Druckerzeugnis der Beklagten, sondern deren Inter­ne­t­auftritt und damit ein Teleme­di­en­angebot beanstandet. Das Gebot der Staatsferne der Presse schützt auch vor Substi­tu­ti­o­ns­ef­fekten kommunaler Online-Infor­ma­ti­o­ns­an­gebote, die dazu führen, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann.

Gesamtcharakter des Presse­er­zeug­nisses entscheidend

Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen sind deren Art und Inhalt sowie eine wertende Gesamt­be­trachtung maßgeblich. Dabei ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presse­er­zeug­nisses geeignet ist, die Insti­tuts­ga­rantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Bei Online-Infor­ma­ti­o­ns­an­geboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druck­e­r­zeugnisse bestehenden Kapazi­täts­be­schrän­kungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Für die Gesamt­be­trachtung kann deshalb bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne verletzenden Beiträge das Gesamtangebot prägen. Die vom Berufungs­gericht nach diesen Maßstäben vorgenommene Beurteilung des Internetportals der beklagten Stadt hat der Bundes­ge­richtshof nicht beanstandet.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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