23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen eine stilisierte Weltkarte mit der Illustration eines Laptops, auf dem ein Paragraphenzeichen prangt.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.07.2018

BGH zur Haftung eines Anschluss­in­habers für Urheber­rechts­verletzungen über ungesichertes WLANSperranspruch gegen Zugangs­ver­mittler

Der Betreiber eines Internetzugangs über WLAN und eines Tor-Exit-Nodes haftet nach der seit dem 13. Oktober 2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 des Teleme­di­en­ge­setzes* zwar nicht als Störer für den Dritten über seinen Inter­ne­t­an­schluss im Wege des Filesharings begangene Urheber­rechts­verletzungen auf Unterlassung. Jedoch kommt ein Sperranspruch des Rechtinhabers gem. § 7 Abs. 4 TMG nF in Betracht. Dies hat der Bundes­ge­richtshof mit Urteil bekanntgegeben.

Im vorliegenden Streitfall ist die Klägerin Inhaberin der ausschließ­lichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island". Der Beklagte unterhält einen Inter­ne­t­an­schluss. Am 6. Januar 2013 wurde das Programm "Dead Island" über den Inter­ne­t­an­schluss des Beklagten in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Klägerin mahnte den Beklagten im März 2013 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unter­las­sungs­er­klärung auf. Zuvor hatte die Klägerin den Beklagten zweimal wegen im Jahr 2011 über seinen Inter­ne­t­an­schluss begangener, auf andere Werke bezogener Urheber­rechts­ver­let­zungen durch Filesharing anwaltlich abgemahnt.

Beklagter betreibt fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots

Der Beklagte hat geltend gemacht, selbst keine Rechts­ver­letzung begangen zu haben. Er betreibe unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und drahtgebunden zwei eingehende Kanäle aus dem Tor-Netzwerk ("Tor-Exit-Nodes").

Berufung gegen erstin­sta­nz­liches Urteil zurückgewiesen

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, das Computerspiel oder Teile davon der Öffentlichkeit mittels seines Inter­ne­t­an­schlusses über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen.

BGH weist Sache zur Neuentscheidung zurück ans OLG

Der Bundes­ge­richtshof hat auf die Revision des Beklagten das Urteil des Oberlan­des­ge­richts hinsichtlich der Verurteilung zur Unterlassung aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­s­gericht zurückverwiesen. Die gegen die Zuerkennung der Abmahn­kos­ten­for­derung gerichtete Revision hat der Bundes­ge­richtshof zurückgewiesen.

Unterlassen von Vorkehrungen gegen missbräuch­licher Nutzung pflichtwidrig

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Beklagte nach dem hierfür maßgeblichen, im Zeitpunkt der Abmahnung geltenden Recht zum Ersatz der Abmahnkosten verpflichtet ist, weil er als Störer für die Rechts­ver­letzung Dritter haftet. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, sein WLAN durch den Einsatz des im Kaufzeitpunkt aktuellen Verschlüs­se­lungs­standards sowie eines individuellen Passworts gegen missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu sichern. Für den Fall der privaten Bereitstellung durch den Beklagten bestand diese Pflicht ohne Weiteres bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. Sofern der Beklagte den Internetzugang über WLAN gewerblich bereitgestellt hat, war er zu diesen Siche­rungs­maß­nahmen verpflichtet, weil er zuvor bereits darauf hingewiesen worden war, dass über seinen Inter­ne­t­an­schluss im Jahr 2011 Urheber­rechts­ver­let­zungen im Wege des Filesharings begangen worden waren. Der Annahme einer Störerhaftung steht es nicht entgegen, dass das im Hinweis benannte Werk nicht mit dem von der erneuten Rechts­ver­letzung betroffenen Werk identisch ist. Die Haftungs­vor­aus­set­zungen liegen ebenfalls vor, wenn die Rechts­ver­letzung über den vom Beklagten betriebenen Tor-Exit-Node erfolgt ist. Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, der ihm bekannten Gefahr von Urheber­rechts­ver­let­zungen durch Filesharing mittels technischer Vorkehrungen entge­gen­zu­wirken. Nach den revisi­ons­rechtlich einwandfreien Feststellungen des Oberlan­des­ge­richts ist die Sperrung von Filesharing-Software technisch möglich und dem Beklagten zumutbar.

Inter­net­zu­gangs­ver­mittler wegen rechtswidriger Handlung anderer nicht auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen

Die Verurteilung zur Unterlassung hat der Bundes­ge­richtshof aufgehoben, weil nach der seit dem 13. Oktober 2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG der Vermittler eines Internetzugangs nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung einer Rechts­ver­letzung in Anspruch genommen werden kann. Ist eine Handlung im Zeitpunkt der Revisi­ons­ent­scheidung nicht mehr rechtswidrig, kommt die Zuerkennung eines Unter­las­sungs­an­spruchs nicht in Betracht.

Unter­las­sungs­haftung nicht vorgesehen, jedoch Sperrung des Zugangs

Gegen die Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF bestehen keine durchgreifenden unions­recht­lichen Bedenken. Zwar sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG verpflichtet, zugunsten der Rechtsinhaber die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen gegen Vermittler vorzusehen, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat die Unter­las­sungs­haftung des Zugangs­ver­mittlers in § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF zwar ausgeschlossen, jedoch zugleich in § 7 Abs. 4 TMG nF einen auf Sperrung des Zugangs zu Informationen gerichteten Anspruch gegen den Betreiber eines Internetzugangs über WLAN vorgesehen. Diese Vorschrift ist richt­li­ni­en­konform dahin fortzubilden, dass der Sperranspruch auch gegenüber den Anbietern drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann. Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen ist nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt und kann auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder - im äußersten Fall - zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen.

OLG muss Anspruch auf Sperrung von Informationen prüfen

Zur Prüfung der Frage, ob der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Sperrung von Informationen gemäß § 7 Abs. 4 TMG nF zusteht, hat der Bundes­ge­richtshof die Sache an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen.

Erläuterungen

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 8 Abs. 1 TMG nF

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommu­ni­ka­ti­o­nsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie

1. die Übermittlung nicht veranlasst,

2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und

3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Sofern diese Diensteanbieter nicht verantwortlich sind, können sie insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechts­ver­letzung in Anspruch genommen werden; dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche. Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusam­me­n­a­r­beitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.

§ 7 Abs. 4 TMG nF

Wurde ein Teleme­di­en­dienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechts­ver­letzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außer­ge­richt­lichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.

Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.

Art. 11 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen können, die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt. Sofern dies nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, werden im Falle einer Missachtung dieser Anordnung in geeigneten Fällen Zwangsgelder verhängt, um die Einhaltung der Anordnung zu gewährleisten. Unbeschadet des Artikels 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/29/EG stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil26230

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI