15.11.2024
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Dokument-Nr. 13191

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Urteil15.03.2012BundesgerichtshofI ZR 52/10 und I ZR 137/10
Vorinstanzen zu I ZR 52/10:
  • Landgericht Stuttgart, Urteil17.11.2009, 17 O 714/08
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil04.03.2010, 2 U 86/09
Vorinstanzen zu I ZR 137/10:
  • Landgericht Hamburg, Urteil30.10.2008, 327 O 569/07
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil07.07.2010, 5 U 246/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil15.03.2012

Bundes­ge­richtshof zur Beweislast beim Inver­kehr­bringen angeblich gefälschter "Converse-Schuhe" und ParallelimporteMarkierte Ware gefälscht beziehungsweise Markenrechte erschöpft – Wen trifft Beweislast?

Der Bundes­ge­richtshof hat in zwei Verfahren über Fragen der Beweislast entschieden, in denen zwischen den Parteien streitig ist, ob ein Händler Origi­nal­ma­r­kenware oder Produkt­fäl­schungen vertrieben hat und ob die Waren - soweit es sich um Origi­nal­ma­r­kenwaren handelt - vom Markeninhaber im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.

In dem ersten zugrunde liegenden Fall ist die Klägerin die in den USA ansässige Converse Inc. Sie produziert und vertreibt den als "Converse All Star Chuck Taylor" bezeichneten Freizeitschuh. Sie ist Inhaberin der Marke "CONVERSE". Die Beklagte handelt mit Sportschuhen. Sie belieferte verschiedene Handelsgruppen mit Converse-Schuhen. Im September 2008 bot ein Verbrau­chermarkt in Solingen von der Beklagten gelieferte Schuhe an, die mit der Marke der Klägerin versehen waren. Die Klägerin hat behauptet, dabei habe es sich um Produkt­fäl­schungen gehandelt. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass die von ihr gelieferten Schuhe mit Zustimmung der Klägerin in Europa in Verkehr gebracht worden seien, so dass Erschöpfung des Markenrechts eingetreten sei.

BGH weist Sache um Handel mit angeblichen Produkt­fäl­schungen an Berufungs­gericht zurück

Das Landgericht Stuttgart hat dem Unter­las­sungs­be­gehren im Wesentlichen stattgegeben. Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen. Der Bundes­ge­richtshof hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Verwendung identischer Zeichen für identische Waren, die nicht Origi­nal­ma­r­kenware ist, stellt Marken­ver­letzung dar

Vorliegend steht fest, dass die Beklagte im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG* im geschäftlichen Verkehr mit der Marke der Klägerin identische Zeichen für identische Waren verwendet hat, für die die Marke Schutz genießt. Dies stellt eine Markenverletzung dar, wenn es sich nicht um Origi­nal­ma­r­kenware handelt, die von der Klägerin als Markeninhaberin oder mit ihrer Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist. Im Streitfall sind diese Umstände ungeklärt. Für die Frage, ob es sich um Origi­nal­ma­r­kenware handelt, ist grundsätzlich die Beklagte beweispflichtig. Allerdings muss der Markeninhaber, der eine Produkt­fäl­schung behauptet, zunächst Anhaltspunkte oder Umstände vortragen, die für eine Fälschung sprechen. Dem ist die Klägerin im Streitfall nachgekommen.

Gefahr der Markt­ab­schottung hier nicht gegeben

Die Beklagte trifft auch die Beweislast dafür, dass die in Rede stehende Ware von der Klägerin oder mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden ist und die Markenrechte danach gemäß § 24 MarkenG** erschöpft sind. Diese Beweisregel gilt allerdings nicht, wenn der Markeninhaber ein Vertriebssystem errichtet hat, mit dem er den grenz­über­schrei­tenden Weiterverkauf der Waren im Binnenmarkt - also Parallelimporte - verhindern kann und wenn die tatsächliche Gefahr der Markt­ab­schottung besteht, falls der Händler die Lieferkette offenlegen muss. Der Markeninhaber könnte in einer solchen Fallkon­stel­lation bei einer Offenlegung der Liefer­be­zie­hungen auf den Vertragshändler mit dem Ziel einwirken, Lieferungen an außerhalb des Vertrie­bs­systems stehende Händler künftig zu unterlassen. Im Streitfall besteht aber weder aufgrund der dem Vertriebssystem der Klägerin zugrun­de­lie­genden vertraglichen Absprachen noch aufgrund eines tatsächlichen Verhaltens der Klägerin eine solche Gefahr der Markt­ab­schottung.

Berufungs­gericht muss klären, ob in Verkehr gebrachte Ware Origi­nal­ma­r­kenware ist

Da nicht feststeht, ob es sich um Origi­nal­ma­r­kenware handelt, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden ist, hat der Bundes­ge­richtshof die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden.

Sachverhalt des zweiten Verfahrens

Im zweiten Verfahren ist die Klägerin die ausschließliche Vertrie­bs­ge­sell­schaft der Converse Inc. in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Beklagte gehört zu den weltweit größten Handels­kon­zernen. Im August 2006, Januar und August 2007 sowie im Januar 2008 verkaufte sie in ihren Einkaufsmärkten original "Converse-Schuhe". Nach Darstellung der Klägerin sind die Schuhe ursprünglich von der Converse in den USA in Verkehr gebracht worden; die Beklagte macht dagegen geltend, Converse habe die Schuhe im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht.

BGH bestätigt Unter­las­sungs­an­spruch

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen entsprochen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Der Bundes­ge­richtshof hat dieses Urteil hinsichtlich des geltend gemachten Unter­las­sungs­an­spruchs bestätigt.

Lieferant der Ware war bereits vor Erwerb der "Converse-Schuhe" aus Vertriebssystem der Markeninhaberin ausgeschieden

Auch im vorliegenden Verfahren steht fest, dass die Beklagte im geschäftlichen Verkehr mit der Marke identische Zeichen für identische Waren verwendet hat, für die die Marke Schutz genießt. Für das Inver­kehr­bringen der Origi­nal­ma­r­kenware im Europäischen Wirtschaftsraum ist im Streitfall entsprechend der grundsätzlichen Beweis­last­ver­teilung die Beklagte beweispflichtig, weil eine tatsächliche Gefahr der Markt­ab­schottung nicht besteht. Nach den Angaben der Beklagten stammt die Ware von einem slowenischen Vertrie­b­s­partner der Markeninhaberin, der schon vor dem in Rede stehenden Erwerb der "Converse-Schuhe" durch die Beklagte aus dem Vertriebssystem der Markeninhaberin ausgeschieden ist. Es besteht daher für die Markeninhaberin keine Möglichkeit, auf ein künftiges Lieferverhalten dieses ehemaligen Vertrie­b­s­partners einzuwirken und dadurch die Märkte der Mitgliedstaaten gegeneinander abzuschotten. Da die Beklagte keinen tauglichen Beweis dafür angeboten hat, dass der slowenische Vertrie­b­s­partner die in Rede stehende Ware tatsächlich von der Markeninhaberin erhalten hat, können die Voraussetzungen der Erschöpfung nicht angenommen werden.

*§ 14 Abs. 2 MarkenG

Erläuterungen
Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr

1.ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienst­leis­tungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt,

2.[…]

3.[…]

**§ 24 MarkenG

(1)Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung hat nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke oder die geschäftliche Bezeichnung für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke oder dieser geschäftlichen Bezeichnung von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.

(2)Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn sich der Inhaber der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung der Benutzung der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inver­kehr­bringen verändert oder verschlechtert ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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