03.12.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 21758

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Bundesgerichtshof Urteil21.10.2015

Bank ist bei Kaufabwicklung eines gefälschten Markenprodukts zur Bekanntgabe des Kontoinhabers verpflichtetGrundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten muss hinter Grundrechten des Markeninhabers auf Schutz des geistigen Eigentums zurücktreten

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Bankinstitut eine Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers nicht unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb von Davidoff-Parfüms. Im Januar 2011 bot ein Verkäufer auf der Inter­net­plattform eBay ein Parfüm unter der Marke "Davidoff Hot Water" an, bei dem es sich offensichtlich um eine Produkt­fäl­schung handelte. Als Konto, auf das die Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte, war bei eBay ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto angegeben. Die Klägerin ersteigerte das Parfüm und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto. Nach ihrer Darstellung konnte sie nicht in Erfahrung bringen, wer Verkäufer des gefälschten Parfüms war. Sie hat deshalb die beklagte Sparkasse nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG* auf Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers in Anspruch genommen.

OLG: Bank darf sich auf Bankgeheimnis berufen

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlan­des­gericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankge­heim­nisses gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO** zur Verweigerung der Auskunft berechtigt.

BGH erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Der Bundes­ge­richtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums*** unterfallen und - wenn dies der Fall sein sollte - ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Marken­ver­let­zungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss.

Richtlinie darf Bankinstitut nicht unbegrenzt und bedingungslos Auskunfts­ver­wei­gerung unter Berufung auf das Bankgeheimnis gestatten

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 16. Juli 2015 entschieden. Danach ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechts­vor­schrift wie der im Ausgangs­ver­fahren in Rede stehenden entgegensteht, die es einem Bankinstitut unbegrenzt und bedingungslos gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern. Die Prüfung, ob die nationale Rechts­vor­schrift eine solche Weigerung bedingungslos gestattet, ist Sache des vorlegenden nationalen Gerichts. Dieses hat auch zu prüfen, ob das nationale Recht gegebenenfalls andere Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel enthält, die es den zuständigen Justizbehörden ermöglichen, im Einklang mit der Richtlinie 2004/48/EG die Erteilung der erforderlichen Auskünfte über die Identität der unter Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie fallenden Personen nach Maßgabe der spezifischen Merkmale des Einzelfalls anzuordnen.

BGH bejaht Auskunfts­an­spruch der Klägerin

Der Bundes­ge­richtshof hat auf dieser Grundlage nunmehr entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers zusteht. Die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 MarkenG ist unions­rechts­konform dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn das Konto für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offen­sicht­lichen Marken­ver­letzung genutzt wurde. Das Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten nach Art. 8 EU-Grund­recht­echarta und das Recht der Bank auf Berufsfreiheit nach Art. 15 EU-Grund­recht­echarta müssen hinter den Grundrechten der Markeninhaberin auf Schutz des geistigen Eigentums und einen wirksamen Rechtsschutz zurücktreten (Art. 17 und 47 EU-Grund­recht­echarta). Die Möglichkeit der Einleitung eines Strafverfahrens steht einem Auskunftsanspruch gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegen ein Bankinstitut nicht entgegen.

*§ 19 MarkenG lautet

[...]

(2) In Fällen offen­sicht­licher Rechts­ver­letzung oder in Fällen, in denen der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Abs. 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß

[...]

3. für rechts­ver­letzende Tätigkeiten genutzte Dienst­leis­tungen erbrachte

[...]

es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivil­pro­zess­ordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnis­ver­wei­gerung berechtigt.

**§ 383 ZPO lautet

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt:

[...]

6. Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwie­genheit sich bezieht.

***Art. 8 der Richtlinie 2004/48 lautet:

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhält­nis­mä­ßigkeit wahrenden Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienst­leis­tungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen Person erteilt werden, die

[...]

c) nachweislich für rechts­ver­letzende Tätigkeiten genutzte Dienst­leis­tungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte oder

[...]

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen, die

[...]

e) den Schutz der Vertraulichkeit von Infor­ma­ti­o­ns­quellen oder die Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten regeln.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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