18.10.2024
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Dokument-Nr. 21285

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Bundesgerichtshof Urteil09.07.2015

"Framing": Einbetten von Internet-Videos auf eigener Webseite stellt keine Ur­heber­rechts­verletzung darBundes­ge­richtshof zur urheber­recht­lichen Zulässigkeit des "Framing"

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Betreiber einer Internetseite keine Ur­heber­rechts­verletzung begeht, wenn er urheber­rechtlich geschützte Inhalte, die auf einer anderen Internetseite mit Zustimmung des Rechtsinhabers für alle Internetnutzer zugänglich sind, im Wege des "Framing" in seine eigene Internetseite einbindet.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, die Wasser­fil­ter­systeme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel "Die Realität" herstellen, der sich mit der Wasser­ver­schmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließ­lichen urheber­recht­lichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war - nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung - auf der Videoplattform "YouTube" abrufbar.

Sachverhalt

Die beiden Beklagten sind als selbständige Handels­ver­treter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie den Besuchern ihrer Internetseiten, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Video im Wege des "Framing" abzurufen. Bei einem Klick auf einen Link wurde der Film vom Server der Videoplattform "YouTube" abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen ("Frame") abgespielt.

Klägerin verlangt Schadensersatz

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten das Video damit unberechtigt öffentlich zugänglich gemacht. Sie hat die Beklagten daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je 1.000 Euro an die Klägerin verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungs­gericht die Klage abgewiesen.

Bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereit­ge­haltenen Werkes stellt kein öffentliches Zugäng­lich­machen dar

Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wieder­her­stellung des landge­richt­lichen Urteils. Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Das Berufungs­gericht hat mit Recht angenommen, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereit­ge­haltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des "Framing" kein öffentliches Zugäng­lich­machen im Sinne des § 19 a UrhG** darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt, urteilte der Bundes­ge­richtshof. Eine solche Verknüpfung verletzt auch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft*** gebotenen richt­li­ni­en­kon­formen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG* grundsätzlich kein unbenanntes Verwer­tungsrecht der öffentlichen Wiedergabe. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das im vorliegenden Rechtsstreit eingereichte Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen des Bundes­ge­richtshofs ausgeführt, dass keine öffentliche Wiedergabe vorliege, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheber­rechts­inhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich seien. Das gelte auch dann, wenn das Werk bei Anklicken des bereit­ge­stellten Links in einer Art und Weise erscheine, die den Eindruck vermittele, dass es auf der Seite erscheine, auf der sich dieser Link befinde, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstamme.

BGH bejaht mögliche Urheber­rechts­ver­letzung, sofern Video bei YouTube ohne Zustimmung des Rechteinhabers eingestellt wurde

Den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs allerdings zu entnehmen, dass in solchen Fällen eine öffentliche Wiedergabe erfolgt, wenn keine Erlaubnis des Urheber­rechts­in­habers vorliegt. Danach hätten die Beklagten das Urheberrecht am Film verletzt, wenn dieser ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war. Dazu hat das Berufungs­gericht keine Feststellungen getroffen. Der Bundes­ge­richtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Berufungs­gericht muss Frage der Zustimmung zur Veröf­fent­lichung des Videos bei YouTube prüfen

Der Bundes­ge­richtshof hat erwogen, das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in dem vom Hoge Raad der Niederlande am 7. April 2015 eingereichten Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen in der Rechtssache C-160/15 - GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. auszusetzen. Der Hoge Raad hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen ist, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist. Der Bundes­ge­richtshof hat gleichwohl von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen. Mit einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem ihm vom Hoge Raad vorgelegten Verfahren ist frühestens in einem Jahr zu rechnen. Auf die dem Gerichtshofs der Europäischen Union in jenem Verfahren gestellte Frage kommt es im vorliegenden Verfahren nur an, wenn der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war. Es ist daher nicht angebracht, das Verfahren ohne Klärung der Frage auszusetzen, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war.

*§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 UrhG

Erläuterungen
Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere [...] das Recht der öffentlichen Zugäng­lich­machung (§ 19a).

**§ 19 a UrhG

Das Recht der öffentlichen Zugäng­lich­machung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

***Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugäng­lich­machung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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