21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.10.2006

Bei satirischer Ausein­an­der­setzung keine fiktive Lizenzgebühr für unerlaubte Werbung mit einem PolitikerfotoRecht auf freie Meinung­s­äu­ßerung verdrängt allgemeines Persön­lich­keitsrecht

Wenn ein Werbefoto Teil einer satirischen Ausein­an­der­setzung mit einem aktuellen politischen Tagesereignis ist, hat derjenige, mit dessen Foto geworben wird, keinen Anspruch auf eine so genannte fiktive Lizenzgebühr. Das Recht der freien Meinung­s­äu­ßerung verdrängt hier den Schutz des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts. Das geht aus einem Urteil des Bundes­ge­richtshofs hervor. Dieser wies die Klage des Politikers Oskar Lafontaine gegen das Mietwa­gen­un­ter­nehmen Sixt ab. Sixt hatte im Frühjahr 1999 kurz nach dem Rücktritt Lafontaines als Finanzminister mit Portrait­auf­nahmen der Mitglieder des Bundeskabinetts geworben. Lafontaines Bild war dabei durchgestrichen und mit dem Text versehen: "Sixt verleast auch Autos an Mitarbeiter auf Probezeit".

Der u. a. für das Wettbe­wer­bsrecht und für Rechtss­trei­tig­keiten über die kommerzielle Verwertung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts zuständige I. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob dem Kläger Oskar Lafontaine wegen der von ihm nicht erlaubten Verwendung seines Bildnisses in einer Werbeanzeige ein Zahlungs­an­spruch zusteht. Kurz nach dem Rücktritt des Klägers als Finanzminister hatte ein großes Mietwa­gen­un­ter­nehmen in einer Werbeanzeige zur Darstellung des Bundeskabinetts Portrait­auf­nahmen des Klägers und weiterer fünfzehn Mitglieder des Bundeskabinetts verwendet. Das Bild des Klägers war durchgestrichen. Der Textbeitrag lautete: "S. verleast auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit." Der Kläger sieht darin eine von ihm nicht gewollte Kommer­zi­a­li­sierung seiner Person zu Werbezwecken. Er verlangt als Entgelt den Betrag, der nach seiner Auffassung üblicherweise an verma­rk­tungs­willige Prominente als Lizenz gezahlt wird.

Die Instanzgerichte haben das Begehren für begründet erachtet. Das Berufungs­gericht hat einen Betrag von 100.000 € zugesprochen. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof die Klage abgewiesen.

Der Bundes­ge­richtshof ist davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr nicht schon deshalb ausscheidet, weil er wegen des für Bundesminister geltenden Verbots, ein Gewerbe auszuüben (Art. 66 GG), an der eigenen kommerziellen Verwertung seines Bildnisses gehindert gewesen sei. Der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenz stelle einen Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in die der prominenten Person ausschließlich zugewiesene Befugnis zu entscheiden dar, ob sie sich zu Werbezwecken vermarkten lasse oder nicht. Wertersatz sei für die tatsächlich erfolgte Nutzung des Bildes zu leisten, und zwar unabhängig davon, ob der Berechtigte bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung gegen Zahlung zu gestatten.

Der Anspruch scheitere im vorliegenden Fall aber daran, dass die Beklagte ein aktuelles politisches Geschehen zum Anlass für ihren als Satire verfassten Werbespruch genommen habe, ohne über eine bloße Aufmerk­sam­keits­werbung hinaus die Person des Klägers zur Anpreisung ihrer Dienstleistung zu vermarkten. Zwar habe niemand, auch nicht der Kläger als Person der Zeitgeschichte, es hinzunehmen, mit seinem Bildnis oder Namen in eine fremde Werbung eingebunden zu werden. Das schließe es aber nicht aus, dass das auch im Bereich der Wirtschafts­werbung bestehende Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung den Schutz (des vermö­gens­recht­lichen Bestandteils) des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts verdränge. Die gebotene Güterabwägung falle im Streitfall zu Lasten des Klägers aus. Die Verwendung des Bildnisses erwecke nicht den Eindruck, der Abgebildete empfehle das beworbene Produkt. Ein Image- oder Werbewert des Klägers werde nicht auf die beworbene unter­neh­me­rische Leistung übertragen. Das Foto des Klägers behalte auch im Rahmen der Werbeanzeige seine politische Zuordnung. Es sei Teil einer satirischen Ausein­an­der­setzung der Beklagten mit dem Rücktritt des Klägers als einem aktuellen politischen Tagesereignis. Zudem sei nur eine kontextneutrale Portrait­aufnahme verwendet worden, die sich in Größe und Anordnung in die Portrait­auf­nahmen der weiteren fünfzehn Regie­rungs­mit­glieder einreihe. Auch seien keine ideellen Interessen des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts des Klägers verletzt. Das Ansehen des Klägers werde nicht beschädigt. Als Folge dieser Abwägung müsse im Streitfall das Interesse des Klägers, eine Verwertung seines Porträtfotos in der Werbung zu verhindern, zurücktreten. Deshalb sei ihm auch kein Anspruch auf Abschöpfung eines Werbewerts zuzubilligen.

Vorinstanzen:

OLG Hamburg, Urteil vom 9. November 2004 - 7 U 18/04 -

LG Hamburg, Urteil vom 9. Januar 2004 - 324 O 554/03 -

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 148/06 des BGH vom 27.10.2006

der Leitsatz

KunstUrhG §§ 22, 23; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 823 Abs. 1

a) Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses begründet im Allgemeinen – sei es unter dem Gesichtspunkt des Schaden­s­er­satzes oder der ungerecht­fer­tigten Bereicherung – einen Anspruch auf Zahlung der angemessenen Lizenzgebühr, ohne dass es darauf ankommt, ob der Abgebildete bereit oder in der Lage gewesen wäre, gegen Entgelt Lizenzen für die Verbreitung und öffentliche Wiedergabe seines Bildnisses einzuräumen.

b) Eine prominente Persönlichkeit aus dem Bereich der Zeitgeschichte muss es zwar regelmäßig nicht dulden, dass das eigene Bildnis von Dritten für deren Werbezwecke eingesetzt wird. Doch findet auch hier eine Güterabwägung statt, die dazu führen kann, dass die Verwendung des fremden Bildnisses in einer Werbeanzeige, die sich satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis ausein­an­dersetzt, vom Betroffenen hingenommen werden muss.

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil3253

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI