Dokument-Nr. 3253
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Bundesgerichtshof Urteil26.10.2006
Bei satirischer Auseinandersetzung keine fiktive Lizenzgebühr für unerlaubte Werbung mit einem PolitikerfotoRecht auf freie Meinungsäußerung verdrängt allgemeines Persönlichkeitsrecht
Wenn ein Werbefoto Teil einer satirischen Auseinandersetzung mit einem aktuellen politischen Tagesereignis ist, hat derjenige, mit dessen Foto geworben wird, keinen Anspruch auf eine so genannte fiktive Lizenzgebühr. Das Recht der freien Meinungsäußerung verdrängt hier den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs hervor. Dieser wies die Klage des Politikers Oskar Lafontaine gegen das Mietwagenunternehmen Sixt ab. Sixt hatte im Frühjahr 1999 kurz nach dem Rücktritt Lafontaines als Finanzminister mit Portraitaufnahmen der Mitglieder des Bundeskabinetts geworben. Lafontaines Bild war dabei durchgestrichen und mit dem Text versehen: "Sixt verleast auch Autos an Mitarbeiter auf Probezeit".
Der u. a. für das Wettbewerbsrecht und für Rechtsstreitigkeiten über die kommerzielle Verwertung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob dem Kläger Oskar Lafontaine wegen der von ihm nicht erlaubten Verwendung seines Bildnisses in einer Werbeanzeige ein Zahlungsanspruch zusteht. Kurz nach dem Rücktritt des Klägers als Finanzminister hatte ein großes Mietwagenunternehmen in einer Werbeanzeige zur Darstellung des Bundeskabinetts Portraitaufnahmen des Klägers und weiterer fünfzehn Mitglieder des Bundeskabinetts verwendet. Das Bild des Klägers war durchgestrichen. Der Textbeitrag lautete: "S. verleast auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit." Der Kläger sieht darin eine von ihm nicht gewollte Kommerzialisierung seiner Person zu Werbezwecken. Er verlangt als Entgelt den Betrag, der nach seiner Auffassung üblicherweise an vermarktungswillige Prominente als Lizenz gezahlt wird.
Die Instanzgerichte haben das Begehren für begründet erachtet. Das Berufungsgericht hat einen Betrag von 100.000 € zugesprochen. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Klage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof ist davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr nicht schon deshalb ausscheidet, weil er wegen des für Bundesminister geltenden Verbots, ein Gewerbe auszuüben (Art. 66 GG), an der eigenen kommerziellen Verwertung seines Bildnisses gehindert gewesen sei. Der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenz stelle einen Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in die der prominenten Person ausschließlich zugewiesene Befugnis zu entscheiden dar, ob sie sich zu Werbezwecken vermarkten lasse oder nicht. Wertersatz sei für die tatsächlich erfolgte Nutzung des Bildes zu leisten, und zwar unabhängig davon, ob der Berechtigte bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung gegen Zahlung zu gestatten.
Der Anspruch scheitere im vorliegenden Fall aber daran, dass die Beklagte ein aktuelles politisches Geschehen zum Anlass für ihren als Satire verfassten Werbespruch genommen habe, ohne über eine bloße Aufmerksamkeitswerbung hinaus die Person des Klägers zur Anpreisung ihrer Dienstleistung zu vermarkten. Zwar habe niemand, auch nicht der Kläger als Person der Zeitgeschichte, es hinzunehmen, mit seinem Bildnis oder Namen in eine fremde Werbung eingebunden zu werden. Das schließe es aber nicht aus, dass das auch im Bereich der Wirtschaftswerbung bestehende Recht auf freie Meinungsäußerung den Schutz (des vermögensrechtlichen Bestandteils) des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verdränge. Die gebotene Güterabwägung falle im Streitfall zu Lasten des Klägers aus. Die Verwendung des Bildnisses erwecke nicht den Eindruck, der Abgebildete empfehle das beworbene Produkt. Ein Image- oder Werbewert des Klägers werde nicht auf die beworbene unternehmerische Leistung übertragen. Das Foto des Klägers behalte auch im Rahmen der Werbeanzeige seine politische Zuordnung. Es sei Teil einer satirischen Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Rücktritt des Klägers als einem aktuellen politischen Tagesereignis. Zudem sei nur eine kontextneutrale Portraitaufnahme verwendet worden, die sich in Größe und Anordnung in die Portraitaufnahmen der weiteren fünfzehn Regierungsmitglieder einreihe. Auch seien keine ideellen Interessen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers verletzt. Das Ansehen des Klägers werde nicht beschädigt. Als Folge dieser Abwägung müsse im Streitfall das Interesse des Klägers, eine Verwertung seines Porträtfotos in der Werbung zu verhindern, zurücktreten. Deshalb sei ihm auch kein Anspruch auf Abschöpfung eines Werbewerts zuzubilligen.
Vorinstanzen:
OLG Hamburg, Urteil vom 9. November 2004 - 7 U 18/04 -
LG Hamburg, Urteil vom 9. Januar 2004 - 324 O 554/03 -
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.10.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 148/06 des BGH vom 27.10.2006
der Leitsatz
KunstUrhG §§ 22, 23; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 823 Abs. 1
a) Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses begründet im Allgemeinen – sei es unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder der ungerechtfertigten Bereicherung – einen Anspruch auf Zahlung der angemessenen Lizenzgebühr, ohne dass es darauf ankommt, ob der Abgebildete bereit oder in der Lage gewesen wäre, gegen Entgelt Lizenzen für die Verbreitung und öffentliche Wiedergabe seines Bildnisses einzuräumen.
b) Eine prominente Persönlichkeit aus dem Bereich der Zeitgeschichte muss es zwar regelmäßig nicht dulden, dass das eigene Bildnis von Dritten für deren Werbezwecke eingesetzt wird. Doch findet auch hier eine Güterabwägung statt, die dazu führen kann, dass die Verwendung des fremden Bildnisses in einer Werbeanzeige, die sich satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt, vom Betroffenen hingenommen werden muss.
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