18.10.2024
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Dokument-Nr. 28882

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Bundesgerichtshof Beschluss25.06.2020

BGH legt EuGH Fragen zur Erfor­der­lichkeit von Warnhinweisen beim Verkauf von Zigaretten vorStreit um verdeckte Warnhinweise beim Verkauf von Zigaretten geht vor den Europäischen Gerichtshof

Der Bundes­ge­richtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen vorgelegt, mit denen geklärt werden soll, ob Zigaret­ten­pa­ckungen in Warenausgabe­automaten an Super­ma­rkt­kassen zum Kauf bereitgehalten werden dürfen, wenn die gesundheits­bezogenen Warnhinweise auf den Zigaret­ten­pa­ckungen durch den Warenausgabe­automaten verdeckt sind.

Der Kläger ist ein eingetragener Verbrau­cher­verein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigaret­ten­pa­ckungen in Waren­aus­ga­be­au­tomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigaret­ten­pa­ckungen sind mit den vorge­schriebenen gesund­heits­be­zogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigaret­ten­packung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Waren­aus­ga­be­au­tomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigaret­ten­packung wird dann von einer Ausga­be­vor­richtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigaret­te­n­au­tomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigaret­ten­pa­ckungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigaret­ten­pa­ckungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesund­heits­be­zogenen Warnhinweise.

Klage blieb in Vorinstanzen erfolglos

Der Kläger hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 TabakerzV nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungs­gericht hat angenommen, der Beklagte habe nicht gegen das in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV geregelte Verdeckungsverbot verstoßen. Der Wortlaut der Vorschrift erfasse nur eine Verdeckung der Warnhinweise auf der Verpackung und nicht eine Verdeckung der Verpackung insgesamt. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berück­sich­tigung von Art. 8 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabak­er­zeug­nissen und verwandten Erzeugnissen. Nationale Vorschriften über die heimischen Verkaufs­mo­da­litäten oder heimische Werbung seien nicht Gegenstand der Richtlinie.

OLG: Vorrätighalten der Zigaret­ten­pa­ckungen weder als Inver­kehr­bringen noch als Anbieten anzusehen

Das Vorrätighalten der Zigaret­ten­pa­ckungen sei für sich genommen weder als Inver­kehr­bringen im Sinne von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU noch als Anbieten im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV anzusehen. Es sei ausreichend, wenn der Kunde die Zigaret­ten­packung mit den gesund­heits­be­zogenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrages wahrnehmen könne. Hierzu habe der Kunde ausreichend Gelegenheit, wenn sich das Tabakerzeugnis auf dem Kassenband befinde. Dem Verbraucher werde daher auch keine wesentliche Information im Sinne von § 5 a Abs. 2 Satz 1 UWG vorenthalten. Es liege ferner kein Verstoß des Beklagten gegen § 11 Abs. 2 TabakerzV vor, weil diese Vorschrift unter Berück­sich­tigung von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahin auszulegen sei, dass sie für reine Verkaufs­mo­da­litäten nicht gelte. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Unter­las­sungs­antrag weiter.

BGH legt EuGH Fragen zur Vorab­ent­scheidung vor

Der Bundes­ge­richtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt. Zum einen ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu klären, ob eine Zigaret­ten­packung bereits dann, wenn sie in einem Waren­aus­ga­be­au­tomaten zum Kauf bereitgehalten wird, im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU in Verkehr gebracht wird. Ferner wird der Gerichtshof gefragt, ob im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU die gesund­heits­be­zogenen Warnhinweise auf einer Zigaret­ten­packung durch sonstige Gegenstände verdeckt werden, wenn die ganze Zigaret­ten­packung durch einen Waren­aus­ga­be­au­tomaten verdeckt wird.

Ist die Wahrnehmung der Hinweise vor Kaufabschluss ausreichend?

Außerdem ist zu klären, ob ein Bild einer Zigaret­ten­packung im Sinne von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU vorliegt, wenn eine Abbildung zwar keine naturgetreue Zigaret­ten­packung zeigt, der Verbraucher die Abbildung aber aufgrund ihrer Gestaltung gedanklich mit einer Zigaret­ten­packung in Verbindung bringt. Schließlich wird der EuGH um Beantwortung der Frage gebeten, ob den Anforderungen des Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU unabhängig von der verwendeten Abbildung bereits dann genügt ist, wenn der Verbraucher die Zigaret­ten­packung mit den vorge­schriebenen Warnhinweisen vor Abschluss des Kaufvertrags wahrnehmen kann.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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