18.10.2024
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Dokument-Nr. 28206

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Urteil12.12.2019BundesgerichtshofI ZR 173/16, I ZR 174/16 und I ZR 117/17
Vorinstanz:
  • Vorinstanzen zu I ZR 173/16: LG Berlin - Urteil vom 8. September 2015 - 102 O 13/15 KG Berlin - Urteil vom 21. Juni 2016 - 5 U 136/15 Vorinstanzen zu I ZR 174/16: LG Berlin - Urteil vom 28. Juli 2015 - 103 O 5/15 KG Berlin - Urteil vom 21. Juni 2016 - 5 U 108/16 Vorinstanzen zu I ZR 117/17: LG Koblenz - Urteil vom 25. Januar 2017 - I HK O 21/15 OLG Koblenz - Beschluss vom 22. Juni 2017 - 6 U 198/17
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil12.12.2019

BGH zur Werbung mit dem markenrechtlich geschützten "ÖKO-TEST-Siegel"Nutzung des Test-Siegels ohne Lizenzvertrag verletzt Markenrechte

Der Bundes­ge­richtshof hat in drei Revisi­ons­ver­fahren die Benutzung von Testsiegel-Marken als Verletzung der Rechte der Markeninhaberin an ihrer bekannten Marke angesehen.

Die Klägerin der zugrunde liegenden Verfahren gibt seit 1985 das Magazin "ÖKO-TEST" heraus, in dem Waren- und Dienst­leis­tungstests veröffentlicht werden. Sie ist Inhaberin einer im Jahr 2012 eingetragenen Unionsmarke, die das ÖKO-TEST-Siegel wiedergibt und marken­recht­lichen Schutz für die Dienst­leis­tungen "Verbrau­cher­be­ratung und Verbrau­che­r­in­for­mation bei der Auswahl von Waren und Dienst­leis­tungen" gewährt. Die Klägerin gestattet den Herstellern und Vertreibern der von ihr getesteten Produkte die Werbung mit dem ÖKO-TEST-Siegel, wenn diese mit ihr einen entgeltlichen Lizenzvertrag schließen. Die Beklagten sind Versandhändler und haben in ihren Online-Shops mit dem ÖKO-TEST-Siegel geworben, ohne zuvor einen Lizenzvertrag mit der Klägerin geschlossen zu haben.

Sachverhalt im Verfahren I ZR 173/16

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 173/16 bot in ihrem Internetportal eine blaue Baby-Trinkflasche und einen grünen Baby-Beißring an, die von der Klägerin in einer anderen Farbgestaltung getestet worden waren. Neben den Produkt­prä­sen­ta­tionen fand sich jeweils eine Abbildung des ÖKO-TEST-Siegels, das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "sehr gut" und der Fundstelle des Tests versehen war.

Sachverhalt im Verfahren I ZR 174/16

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 174/16 bot in ihrem Internetportal einen Lattenrost in verschiedenen Größen und Ausfüh­rungs­formen sowie einen in Schwarz, Weiß und Rot gehaltenen Fahrradhelm an. Neben den Angeboten war das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "gut" bzw. "sehr gut" und der Fundstelle des Tests versehene ÖKO-TEST-Siegel abgebildet. Die Klägerin hatte den Lattenrost in einer bestimmten Größe mit verstellbarem Kopf- und Fußteil getestet. Den Fahrradhelm hatte sie in einer anderen Farbgestaltung als den von der Beklagten angebotenen Helm getestet.

Sachverhalt im Verfahren I ZR 117/17

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 117/17 bot in ihrem Internetportal einen Lattenrahmen und ein Kopfkissen in verschiedenen Größen an. Neben den Angeboten befand sich jeweils eine Abbildung des ÖKO-TEST-Siegels mit dem Zusatz "Richtig gut leben" sowie mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "gut" bzw. "sehr gut" sowie der Fundstelle des Tests. Der Lattenrahmen und das Kopfkissen waren von der Klägerin jeweils nur in einer der angebotenen Größen getestet worden. Erst nach der Veröf­fent­lichung des Angebots durch die Beklagte schlossen die Parteien einen Lizenzvertrag zur Nutzung des ÖKO-TEST-Siegels für das Kopfkissen in der getesteten Größe.

Klägerin rügt Verletzung ihrer Rechte an der Unionsmarke

Die Klägerin sieht in der Werbung mit dem ÖKO-TEST-Siegel jeweils eine Verletzung ihrer Rechte an der Unionsmarke. Sie hat die Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Klagen vor dem BGH erfolgreich

Das Landgericht gab der Klage in dem Verfahren I ZR 173/16 statt und wies die Klage in dem Verfahren I ZR 174/16 ab. In der Berufung waren beide Klagen erfolgreich. Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision der Beklagten in beiden Verfahren zurück. Im Verfahren I ZR 117/17 gab das Landgericht der Klage statt. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision der Beklagten im Wesentlichen zurück und bestätigte die auf die konkrete Verletzungsform bezogene Verurteilung zur Unterlassung.

Bekanntheit der Klagemarke durch Berufungs­ge­richte rechts­feh­lerfrei bejaht

In allen drei Verfahren verletze die beanstandete Zeichennutzung entgegen Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. c GMV und Art. 9 Abs. 1 und 2 Buchst. c UMV die bekannte Marke der Klägerin. Die Berufungs­ge­richte haben die Bekanntheit der Klagemarke rechts­feh­lerfrei bejaht. Für eine Berück­sich­tigung von Investitionen bei der Beurteilung der Bekanntheit einer Marke ist nicht erforderlich, dass die Investitionen der Marke unmittelbar zugutekommen; es reicht vielmehr aus, dass die Marke - wie im Streitfall durch Publikationen unter Verwendung der Marke - mittelbar hiervon profitiert.

Rechts­ver­letzende Benutzung der Klagemarke

Es liegt auch eine rechts­ver­letzende Benutzung der Klagemarke vor, weil der Verkehr das jeweils von den Beklagten verwendete Logo mit der Klagemarke gedanklich verknüpft. Die Beklagten haben dem Verkehr eine Information über die Beschaffenheit oder die Qualität ihrer Produkte vermittelt und sich hierzu auf die unter der bekannten Marke der Klägerin erbrachte Dienstleistung des Warentests bezogen. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Gesamtwürdigung wiegen die Bekanntheit der Klagemarke und die hohe Zeichen­ähn­lichkeit so schwer, dass die Unähnlichkeit der betroffenen Waren und Dienst­leis­tungen der Annahme einer gedanklichen Verknüpfung nicht entgegensteht. Es ist von hochgradiger Zeichen­ähn­lichkeit auszugehen, nicht hingegen von Zeiche­n­i­dentität, weil die Beklagten jeweils das als Marke geschützte "leere" Testlogo um die Angaben zum Testergebnis und der Testfundstelle ergänzt haben. Die von der Marke erfassten Dienst­leis­tungen (Verbrau­cher­be­ratung und -information) und die von den Beklagten jeweils erbrachten Handels­dienst­leis­tungen sind einander nicht ähnlich. Ein Händler, der im Rahmen seines Warenangebots über die Eigenschaften einer Ware wie deren Bewertung in einem von Dritten durchgeführten Test informiert, erbringt neben der Handels­dienst­leistung nicht zugleich die Dienstleistung der Verbrau­cher­be­ratung und -information.

Unlautere Ausnutzung der Unter­schei­dungskraft oder der Wertschätzung der Marke

Die Berufungs­ge­richte haben weiter rechts­feh­lerfrei angenommen, dass die jeweils angegriffene Zeichen­ver­wendung die Wertschätzung der Klagemarke ohne recht­fer­ti­genden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Versucht ein Dritter, sich durch die Verwendung eines mit einer bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaft­lichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrecht­er­haltung des Images dieser Marke auszunutzen, so ist der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als eine unlautere Ausnutzung der Unter­schei­dungskraft oder der Wertschätzung der Marke anzusehen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Anstrengungen für die Schaffung und Erhaltung der Bekanntheit ihrer Marke unternommen hat und die Beklagten sich jeweils die daraus resultierende Werbewirkung der Marke ohne finanziellen Beitrag zunutze gemacht haben, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Berufungs­ge­richte das Interesse der Klägerin daran, die Werbung mit ihrem Zeichen daraufhin zu kontrollieren, ob sie ihren testbezogenen Maßstäben genügt, höher bewertet haben als das Interesse der Beklagten, ihre Kunden auf die gute oder sehr gute Bewertung ihrer Produkte durch die Klägerin hinzuweisen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Erläuterungen

Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. c GMV (VO [EG] 207/2009):

Die Gemein­schaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließ­liches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Gemein­schaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienst­leis­tungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemein­schaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unter­schei­dungskraft oder die Wertschätzung der Gemein­schaftsmarke ohne recht­fer­ti­genden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Art. 9 Abs. 1 und 2 Buchst. c UMV (VO [EU] 2017/1001):

Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließ­liches Recht an ihr. Der Inhaber einer Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienst­leis­tungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienst­leis­tungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unter­schei­dungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne recht­fer­ti­genden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm/kg)

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