18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil05.10.2017

Pharmazeutische Großhändler müssen bei Abgabe verschreibungs­pflichtiger Arzneimittel an Apotheken keinen Mindestpreis erhebenBGH zur wett­bewerbs­rechtlichen Zulässigkeit von Rabatten und Skonti im pharma­zeu­tischen Großhandel bei Abgabe verschreibungs­pflichtiger Arzneimittel an Apotheken

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass pharmazeutische Großhändler nicht verpflichtet sind, bei der Abgabe von verschreibungs­pflichtigen Arzneimitteln an Apotheken einen Mindestpreis zu erheben.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens ist eine Pharma­groß­händlerin, die verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel (sogenannte Rx-Artikel) vertreibt. Sie warb in einem Infor­ma­ti­o­nsblatt und in ihrem Inter­ne­t­auftritt damit, dass sie ihren Apothekenkunden auf alle Rx-Artikel bis 70 Euro einen Rabatt von 3 % plus 2,5 % Skonto auf den rabattierten Preis und ab 70 Euro bis zur Hochpreisgrenze einen Rabatt von 2 % plus 2,5 % Skonto auf den rabattierten Preis gewähre.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, sieht darin einen Verstoß gegen die Preis­vor­schriften in § 78 des Arznei­mit­tel­ge­setzes (AMG) und § 2 der Arznei­mit­tel­preis­ver­ordnung (AMPreisV) in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Verfahrensgang

Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das Oberlan­des­gericht die Beklagte antragsgemäß. Es nahm an, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV dem pharma­zeu­tischen Großhandel bei der Abgabe von verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimitteln einen Festzuschlag von mindestens 70 Cent vorschreibe. Dieser Festzuschlag dürfe durch Preisnachlässe nicht reduziert werden und müsse stets erhoben werden. Das Verhalten der Beklagten stehe hiermit nicht in Einklang.

Großhandel ist nicht zur Beanspruchung eines Mindestpreises verpflichtet

Der Bundes­ge­richtshof stellte auf die Revision der Beklagten das klagabweisende Urteil erster Instanz wieder her. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV legt für die Abgabe von verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimitteln mit den dort vorgesehenen Großhan­dels­zu­schlägen eine Preisobergrenze, aber keine preisliche Untergrenze fest. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst ("darf ... höchstens ... erhoben werden") als auch aus dem Vergleich mit dem abweichenden Wortlaut der Bestimmung zu Apothe­ken­zu­schlägen für Ferti­g­a­rz­nei­mittel in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisV ("... ist zu erheben ..."). Der Großhandel ist danach nicht verpflichtet, einen Mindestpreis zu beanspruchen, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharma­zeu­tischen Unternehmers, der Umsatzsteuer und einem Festzuschlag von 70 Cent entspricht. Er kann deshalb nicht nur auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV genannten preisabhängigen, bis zur Höchstgrenze von 3,15 Prozent veränderlichen Zuschlag, höchstens jedoch 37,80 Euro, sondern auch auf den darin erwähnten Festzuschlag von 70 Cent ganz oder teilweise verzichten.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Erläuterungen

§ 78 AMG:

(1) 1 Das Bundes­mi­nis­terium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, [...]

1. Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden,

[...]

festzusetzen.

(2) [...] 2 Ein einheitlicher Apothe­ke­n­ab­ga­bepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten.

(3) Für Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 2, für die durch die Verordnung nach Absatz 1 Preise und Preisspannen bestimmt sind, haben die pharma­zeu­tischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen; [...]

§ 2 AMPreisV lautet:

(1) 1 Bei der Abgabe von Ferti­g­a­rz­nei­mitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken [...] darf auf den Abgabepreis des pharma­zeu­tischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer erhoben werden. [...]

§ 3 AMPreisV:

(1) 1 Bei der Abgabe von Ferti­g­a­rz­nei­mitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch die Apotheken sind zur Berechnung des Apothe­ke­n­ab­ga­be­preises ein Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro zuzüglich 16 Cent zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes sowie die Umsatzsteuer zu erheben. [...]

(2) Der Festzuschlag ist zu erheben

1. auf den Betrag, der sich aus der Zusam­men­rechnung des bei Belieferung des Großhandels geltenden Abgabepreises des pharma­zeu­tischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer und des darauf entfallenden Großhan­dels­höchst­zu­schlags nach § 2 ergibt,

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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