21.11.2024
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Dokument-Nr. 17168

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Urteil13.11.2013BundesgerichtshofI ZR 143/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • K&R 2014, 106Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2014, Seite: 106
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Lübeck, Urteil01.12.2010, 2 O 356/09
  • , Urteil22.06.2012, 6 U 74/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil13.11.2013

Werken angewandter Kunst steht kein höherer Urheber­rechts­schutz zu als Werken zweckfreier KunstBGH zum Urheber­rechts­schutz des "Geburtstagszugs" einer Spiel­waren­designerin

An den Urheber­recht­schutz von Werken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen als an den Urheber­recht­schutz von Werken der zweckfreien Kunst. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist selbständige Spiel­wa­ren­de­si­gnerin. Die Beklagte stellt Spielwaren her und vertreibt sie. Die Klägerin zeichnete für die Beklagte im Jahr 1998 unter anderem Entwürfe für einen Zug aus Holz, auf dessen Waggons sich Kerzen und Ziffern aufstecken lassen ("Geburtstagszug"). Dafür erhielt sie ein Honorar von 400 DM.

Spiel­wa­ren­de­si­gnerin hält eigene Entwürfe für urheber­rechtlich geschützte Werke

Die Klägerin ist der Ansicht, bei ihren Entwürfen handele es sich um urheber­rechtlich geschützte Werke. Die vereinbarte Vergütung sei - jedenfalls angesichts des großen Verkaufserfolgs des Geburtstagszugs - zu gering. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Anspruch.

Vorinstanzen verneinen Urheber­rechts­schutz der Entwürfe

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Berufungs­gericht hat angenommen, die von der Klägerin angefertigten Entwürfe seien urheber­rechtlich nicht geschützt. Nach der hergebrachten Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs seien bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacks­mus­ter­schutz zugänglich seien, höhere Anforderungen an die für einen urheber­recht­lichen Schutz erforderliche Gestaltungshöhe zu stellen als bei Werken der zweckfreien Kunst. Die Entwürfe der Klägerin genügten diesen Anforderungen nicht.

BGH weist Sache zurück an Berufungs­gericht

Auf die Revision der Klägerin hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, soweit das Berufungs­gericht einen Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Bezug auf Verwer­tungs­hand­lungen, die nach dem 1. Juni 2004 vorgenommen worden sind, abgelehnt hat.

BGH bejaht in früherer Rechtsprechung höhere Anforderungen an Gestaltungshöhe von Werken angewandter Kunst

In seiner früheren Rechtsprechung hatte der Bundes­ge­richtshof die höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst, die einem Geschmacks­mus­ter­schutz zugänglich sind, damit begründet, dass für solche Werke der angewandten Kunst mit dem Geschmacks­mus­terrecht ein dem Urheberrecht wesensgleiches Schutzrecht zur Verfügung stehe. Da sich bereits die geschmacks­mus­ter­schutz­fähige Gestaltung von der nicht geschützten Durch­schnitts­ge­staltung abheben müsse, sei für die Urheber­rechts­schutz­fä­higkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durch­schnitts­ge­staltung zu fordern.

BGH gibt frühe Rechtsprechung im Blick auf die Reform des Geschmacks­mus­ter­rechts auf

An dieser Rechtsprechung kann - so der Bundes­ge­richtshof - im Blick auf die Reform des Geschmacks­mus­ter­rechts im Jahr 2004 nicht festgehalten werden. Durch diese Reform ist mit dem Geschmacks­mus­terrecht ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen und der enge Bezug zum Urheberrecht beseitigt worden. Insbesondere setzt der Schutz als Geschmacksmuster nicht mehr eine bestimmte Gestaltungshöhe, sondern die Unter­schied­lichkeit des Musters voraus. Da zudem Geschmacks­mus­ter­schutz und Urheber­rechts­schutz sich nicht ausschließen, sondern nebeneinander bestehen können, rechtfertigt der Umstand, dass eine Gestaltung dem Geschmacks­mus­ter­schutz zugänglich ist, es nicht, ihr den Urheber­rechts­schutz zu versagen oder von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen. An den Urheber­rechts­schutz von Werken der angewandten Kunst sind deshalb - so der Bundes­ge­richtshof - grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheber­rechts­schutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunst­an­schauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer "künstlerischen" Leistung zu sprechen.

Kein Anspruch auf Vergütung für Entwürfe, die vor Inkrafttreten des Geschmacks­mus­ter­re­form­ge­setzes verwertet wurden

Dies gilt auch für die im Jahr 1998 angefertigten Entwürfe der Klägerin. Die Klägerin hat allerdings nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs keinen Anspruch auf Vergütung, soweit die Beklagte ihre Entwürfe vor dem Inkrafttreten des Geschmacks­mus­ter­re­form­ge­setzes am 1. Juni 2004 verwertet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt durfte die Beklagte im Blick auf die hergebrachte Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs darauf vertrauen, wegen einer Verwertung dieser Entwürfe nicht auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Anspruch genommen zu werden.

Berufungs­gericht muss Erfüllung der Anforderungen an Gestaltungshöhe der Werke erneut prüfen

Der Bundes­ge­richtshof hat die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, das zu prüfen haben wird, ob von der Klägerin entworfenen Spielwaren den geringeren Anforderungen genügen, die nunmehr an die Gestaltunghöhe von Werken der angewandten Kunst zu stellen sind.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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