18.10.2024
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Dokument-Nr. 18825

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Urteil11.09.2014Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht6 U 74/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MMR 2015, 49Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2015, Seite: 49
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil11.09.2014

Spielzeug-Geburtstagszug genießt keinen UrheberschutzEntwürfen kommt für möglichen Urheber­rechts­schutz nicht die notwendige Gestaltungshöhe und Individualität zu

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht hat entschieden, dass der von einer selbstständiger Spiel­waren­designerin entworfene Geburtstagszug keinen Urheber­rechts­schutz genießt. Das Oberlan­des­gericht wandte bei seiner Entscheidung die Prüfungs­maßstäbe an, die nach der neueren Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs an Werke der angewandten Kunst zu stellen sind.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist selbstständige Spiel­wa­ren­de­si­gnerin. Die Beklagte stellt Spielwaren her und vertreibt sie. Die Klägerin fertigte für die Beklagte im Jahr 1998 Zeichnungen für einen Tisch-Holzzug mit Waggons, auf die sich Kerzen und Zahlen aufstecken lassen (Geburtstagszug), für ein Angelspiel und im Jahr 2001 für eine dem Geburtstagszug vergleichbare Tierkarawane (Geburts­tags­ka­rawane). Als Honorar erhielt sie für den Geburtstagszug und das Angelspiel je 400 DM netto und für die Geburts­tags­ka­rawane 1.102 DM netto.

Entwürfe sind nach Auffassung der Designerin urheber­rechtlich geschützte Werke

Die Klägerin ist der Ansicht, bei ihren Entwürfen handele es sich um urheber­rechtlich geschützte Werke. Die vereinbarte Vergütung sei angesichts des großen Verkaufserfolgs der Artikel zu gering. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Anspruch.

OLG verweist auf höhere Anforderungen Urheber­rechts­schutz bei angewandter Kunst

Die Klage blieb vor dem Landgericht Lübeck und dem Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­gericht zunächst ohne Erfolg. Das Oberlan­des­gericht nahm in einer ersten Entscheidung an, dass die von der Klägerin angefertigten Entwürfe urheber­rechtlich nicht geschützt seien, weil es sich um Werke der angewandten Kunst handele, an die für einen urheber­recht­lichen Schutz höhere Anforderungen zu stellen seien als bei Werken der zweckfreien Kunst.

BGH verneint höhere Anforderungen für Urheber­rechts­schutz bei Werken angewandter Kunst

Der Bundes­ge­richtshof hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurück mit der Begründung, dass nach der Reform des Geschmacks­mus­ter­rechts im Jahr 2004 an den Urheber­rechts­schutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen sind als an den Urheber­rechts­schutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 13.11.2013 - I ZR 143/12 -).

OLG: Angelspiel und Geburtstagszug stellen keine urheber­rechtlich geschützten Werke dar

Nach Zurück­ver­weisung des Verfahrens durch den Bundes­ge­richtshof hat das Oberlan­des­gericht zu prüfen, ob die von der Klägerin entworfenen Spielwaren den geringeren Anforderungen genügen, die nunmehr an die Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst zu stellen sind. Die Entwürfe der Klägerin zum Angelspiel und Geburtstagszug stellen hiernach keine urheber­rechtlich geschützten Werke dar, lediglich die von der Klägerin entworfene Geburts­tags­ka­rawane ist urheber­rechtlich geschützt.

Entwurf der Designerin knüpft ohne auffällige Änderungen an bekannte Vorbilder an

Urheber­rechts­schutz genießt nur ein Erzeugnis, das als persönliche geistige Schöpfung gelten kann, dafür muss es eine gewisse Gestaltungshöhe und Individualität besitzen. Dem Angelspiel und dem Geburtstagszug kommen nicht die notwendige Gestaltungshöhe und Individualität zu. Die Klägerin konnte bei ihrer Arbeit an vorhandene Vorbilder anknüpfen. So vertrieb die Beklagte bereits unter der Bezeichnung "Bummelzug" eine Dampflokomotive aus Holz mit dazugehörigen Anhängern. Die Änderungen, die die Klägerin an dem vorhandenen "Bummelzug" vorgenommen hat, genügen nicht, um dem Geburtstagszug hinreichende eigene Individualität und damit Werkqualität zu verleihen. Schon der alte Zug hatte neben Perso­ne­n­an­hängern auch andere Anhänger. Er war zwar nicht so bunt wie der von der Klägerin entworfene, doch gab es auch ihn schon in einer farbigen Version. Aus dem Zahlenzug hat die Klägerin in leicht abgewandelter Form einen Waggon mit Zahlenaufbau übernommen. Insofern knüpft der Entwurf der Klägerin ohne auffällige Änderungen an bekannte Vorbilder an. Neu im Entwurf der Klägerin ist unter anderem, dass sie den "Bummelzug" in einen Geburtstagszug verwandelt hat, indem sie den Zahlenwaggon in den Zug integriert und die anderen Waggons mit Kerzenhaltern versehen hat. Diese Änderung allerdings erklärt sich aus dem Gebrauchszweck.

Geburts­tags­ka­rawane stellt Erzeugnis von hinreichender eigen­schöp­fe­rischer Qualität dar - urheber­recht­lichen Ansprüche sind jedoch bereits verjährt

Mit der Geburts­tags­ka­rawane hat die Klägerin ein Erzeugnis von hinreichender eigen­schöp­fe­rischer Qualität geschaffen. Anders als Geburtstagszug und Angelspiel gab es für die Geburts­tags­ka­rawane noch kein vergleichbares Vorbild. Die sich hieraus ergebenden urheber­recht­lichen Ansprüche der Klägerin sind jedoch verjährt, weil die Klägerin sie nicht binnen der dreijährigen Verjäh­rungsfrist gerichtlich geltend gemacht hat. Im Jahr 2003 gab es klare Anhaltspunkte für den außer­or­dent­lichen Verkaufserfolg von Geburtstagszug und - karawane. Die für den außer­or­dent­lichen Verkaufserfolg sprechenden Anhaltspunkte waren der Klägerin bekannt, so dass ihre Ansprüche seit dem 1. Januar 2007 verjährt sind.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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