18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 8559

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Urteil01.10.2009BundesgerichtshofI ZR 134/07 - Gib mal Zeitung!
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AfP 2010, 56Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP), Jahrgang: 2010, Seite: 56
  • DB 2010, 387Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2010, Seite: 387
  • GRUR 2010, 161Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2010, Seite: 161
  • K&R 2010, 125Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2010, Seite: 125
  • MDR 2010, 337Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2010, Seite: 337
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Hamburg, Urteil07.04.2006, 408 O 97/06
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil11.07.2007, 5 U 108/06
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil01.10.2009

Bundes­ge­richtshof zu den Grenzen humorvoller Werbevergleiche - BILD-Zeitung klagt gegen die tageszeitung (taz) wegen vergleichender Werbung im KinospotVergleichende Werbung im Kino-Werbespot "taz ist nicht für jeden. Das ist OK so"

Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Werbevergleichs ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durch­schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnitts­verbrauchers abzustellen, der zunehmend an pointierte Aussagen in der Werbung gewöhnt ist. Eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte stellt daher erst dann eine unzulässige Herabsetzung dar, wenn sie den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgibt oder von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernst genommen und daher als Abwertung verstanden wird. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Der u. a. für das Wettbe­wer­bsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat seine Rechtsprechung zu den Grenzen humorvoller Werbevergleiche präzisiert.

Sachverhalt

Die Parteien sind Presse­un­ter­nehmen. Im Verlag der Klägerin erscheint die BILD-Zeitung, die Beklagte verlegt "die tageszeitung" (TAZ). Die Beklagte warb im Jahr 2005 mit einem Kino-Werbespot für die TAZ. Im ersten Teil des Werbepots ist vor einem als "Trinkhalle" bezeichneten Zeitungskiosk ein mit dem Logo der BILD-Zeitung versehener, leerer Zeitungsständer zu sehen. Ein Kunde, der nur mit einem Unterhemd und einer Jogginghose bekleidet ist, fordert den Inhaber des Kiosks auf: "Kalle, gib mal Zeitung", worauf dieser entgegnet: "Is aus". Auf Nachfrage des Kunden: "Wie aus?", schiebt der Kioskinhaber wortlos eine TAZ über den Tresen. Der Kunde reagiert hierauf mit den Worten: "Wat is dat denn? Mach mich nicht fertig, Du" und wirft die TAZ nach einem Blick in die Zeitung verärgert zurück auf den Ladentisch. Der Kioskinhaber holt nun eine unter dem Tresen versteckte BILD-Zeitung hervor, die er dem Kunden gibt. Daraufhin brechen beide in Gelächter aus. Im zweiten Teil des Werbespots ist vor der "Trinkhalle" ein nunmehr mit BILD-Zeitungen gefüllter Zeitungständer zu sehen. Der Kunde verlangt aber: "Kalle, gib mal taz". Der Kioskinhaber ist so verblüfft, dass er dieser Aufforderung nicht nachkommt. Jetzt bricht der Kunde in Gelächter aus, in das der Kioskinhaber einstimmt. Am Ende beider Teile des Werbespots ist der Text eingeblendet: "taz ist nicht für jeden. Das ist OK so." Die Klägerin sieht in diesem Werbespot eine nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG unlautere vergleichende Werbung und nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung, Auskunft­s­er­teilung und Feststellung ihrer Schaden­s­er­satz­pflicht in Anspruch. Wer vergleichend wirbt, handelt nach dieser Bestimmung unlauter, wenn der Vergleich die Waren eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft.

Vorinstanzen: taz hat mit Werbespot die Grenzen des wettbewerblich Zulässigen überschritten

Landgericht und Berufungs­gericht haben der Klage weitgehend stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat angenommen, die Beklagte überschreite mit dem Werbespot, auch wenn dieser durch Witz, Ironie und Sarkasmus geprägt sei, die Grenzen des wettbewerblich Zulässigen. Sie versuche, ihre Zeitung werblich herauszustellen, indem sie ein vernichtendes Bild von der trostlosen Sozialstruktur und den (fehlenden) intellektuellen Fähigkeiten eines typischen BILD-Zeitungslesers zeichne und damit die Leserschaft und die Zeitung der Klägerin ohne sachlichen Grund abqualifiziere.

BGH: Werbespot ist nicht wettbe­wer­bs­widrig

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Werbevergleichs ist - so der Bundes­ge­richtshof - auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durch­schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durch­schnitts­ver­brauchers abzustellen, der zunehmend an pointierte Aussagen in der Werbung gewöhnt ist. Eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte stelle daher erst dann eine unzulässige Herabsetzung dar, wenn sie den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgebe oder von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernst genommen und daher als Abwertung verstanden werde. Der Werbespot der Beklagten ist nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs danach nicht als wettbewerbswidrig anzusehen. Er bringe lediglich zum Ausdruck, dass die TAZ "nicht für jeden" sei, also nicht den Massengeschmack anspreche. Der durch­schnittliche Zuschauer erkenne, dass es sich bei der Darstellung um eine humorvolle Überspitzung handele, mit der die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten geweckt und nicht die BILD-Zeitung oder deren Leserschaft pauschal abgewertet werden solle.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

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