21.11.2024
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Dokument-Nr. 27302

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Beschluss06.03.2018Bundesgerichtshof3 StR 559/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 2578Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 2578
  • NJW-Spezial 2018, 441Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 441
  • NStZ 2018, 610Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2018, Seite: 610
  • StV 2018, 154Zeitschrift: Der Strafverteidiger (StV), Jahrgang: 2018, Seite: 154
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz:
  • Landgericht Potsdam, Urteil09.02.2017
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss06.03.2018

BGH: Bezeichnung der Erklärung eines Angeklagten als "Quatsch" durch Schöffen kann dessen Ablehnung als befangen rechtfertigenAblehnung wegen Misstrauen in Unpar­tei­lichkeit des Schöffen

Bezeichnet ein Schöffe eine am ersten Verhandlungstag vorgetragene Erklärung des Angeklagten als "Quatsch", ohne das Ende der Erklärung abzuwarten, so rechtfertigt dies die Ablehnung des Schöffen als befangen gemäß §§ 24 Abs. 2, 31 StPO. Es besteht insoweit ein gerecht­fer­tigtes Misstrauen in dessen Unpar­tei­lichkeit. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Vor dem Landgericht Potsdam fand gegen einen Angeklagten ein Strafverfahren wegen Brandstiftung und Sachbe­schä­digung statt. Am ersten Verhandlungstag las der Angeklagte eine schriftliche Erklärung vor. Während dieser Einlassung äußerte sich plötzlich ein Schöffe, ob der Angeklagte tatsächlich den Quatsch glaube, den er hier erzähle. Der Angeklagte lehnte den Schöffen aufgrund dieser Äußerung als befangen ab. Im Rahmen einer dienstlichen Äußerung entschuldigte sich der Schöffe für die Äußerung. Er habe einfach wissen wollen, ob der Angeklagte mit seiner Erklärung ernst genommen werden wolle oder ob es sich dabei für alle erkennbar um provozierenden Unsinn handele.

Landgericht lehnte Befan­gen­heits­antrag ab

Das Landgericht Potsdam lehnte den Antrag auf Ablehnung wegen Befangenheit zurück. Bei der Frage des Schöffen habe es sich um eine verständliche Unmutsäußerung gehandelt. Er habe in seiner dienstlichen Erklärung nachvollziehbar dargestellt, wie es zu der spontanen Äußerung gekommen sei. Zudem habe er sich entschuldigt und seine fortbestehende Objektivität versichert. Damit habe er mögliche Zweifel an seiner Unparteilichkeit wieder ausgeräumt. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten daraufhin. Dagegen legte der Angeklagte Revision ein.

Bundes­ge­richtshof hob Entscheidung auf

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten des Angeklagten. Er hob die Entscheidung des Landgerichts auf und wies den Fall zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer zurück. An dem Urteil habe ein Schöffe mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ableh­nungs­gesuch zu Unrecht verworfen worden sei.

Äußerung rechtfertige Misstrauen in Unpar­tei­lichkeit des Schöffen

Die Äußerung des Schöffen habe nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs das Misstrauen in seine Unpar­tei­lichkeit gerechtfertigt. Der Schöffe habe mit seiner grob unsachlichen Bemerkung deutlich gemacht, dass er der Einlassung des Angeklagten nicht nur nicht folgen werde, sondern sie für vollkommen unsinnig halte. Es liege keine bloße Unmut­s­auf­wallung vor. Es sei dem Schöffen auch nicht darum gegangen, den Angeklagten auf gewisse Bedenken gegen die Einlassung hinzuweisen. Dies zeige nicht nur die Wortwahl, sondern auch der Umstand, dass er das Ende der Einlassung nicht abgewartet hatte.

Dienstliche Äußerung beseitigte nicht Misstrauen an Unpar­tei­lichkeit

Die dienstliche Äußerung des Schöffen sei nicht geeignet gewesen, so der Bundes­ge­richtshof, das Misstrauen in seine Unpar­tei­lichkeit zu beseitigen. Sie sei vielmehr geeignet, das Misstrauen zu vertiefen. Der Schöffe habe deutlich gemacht, auch aus einer gewissen Distanz heraus die Einlassung des Angeklagten weiterhin als entweder nicht ernst gemeint oder als Unsinn zu bewerten. Im Übrigen sei es unerheblich, ob sich der Schöffe selber als weiterhin unvor­ein­ge­nommen ansehe.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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