Nach den vom Oberlandesgericht zur Verurteilung des Angeklagten getroffenen Feststellungen verschaffte er der aus Böhnhardt, Mundlos und der - mittlerweile rechtskräftig verurteilten - Mitangeklagten Beate Z. bestehenden terroristischen Vereinigung NSU ("Nationalsozialistischer Untergrund") in den Jahren 2009, 2010 und 2011 jeweils zwei für ein Jahr gültige Bahncards der Deutschen Bahn, die auf ihn und seine Ehefrau ausgestellt, indes mit Lichtbildern von Böhnhardt und Z. versehen waren. Der Angeklagte hielt es zu diesen Zeitpunkten für möglich und nahm es hin, dass sich das abgetarnt im Untergrund lebende Trio zu einer Vereinigung verbunden hatte, deren Zwecke und Tätigkeit auf die Begehung von Tötungsdelikten und Sprengstoffanschlägen gerichtet waren. Wie ihm bekannt war, ermöglichten die Bahncards den beiden Begünstigten nicht nur, zu einem herabgesetzten Preis Bahnfahrkarten zu kaufen, sondern auch, sich behelfsmäßig unter falscher Identität auszuweisen.
Der BGH hat beide Rechtsmittel verworfen. Die Verfahrensbeanstandung des Angeklagten hat mangels Tatsachenvortrags bereits den gesetzlichen Formanforderungen nicht genügt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die materiellrechtliche Nachprüfung des schriftlichen Urteils, die auf die von beiden Revisionsführern erhobenen Sachrügen geboten war, hat, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, keinen ihn benachteiligenden Rechtsfehler, soweit er freigesprochen worden ist, keinen ihn begünstigenden Rechtsfehler ergeben (§ 337 StPO). Im Zentrum dieser Prüfung hat dabei die tatrichterliche Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite gestanden. Soweit der Generalbundesanwalt insoweit verschiedentlich weitere Erörterungen in den Gründen des angefochtenen Urteils vermisst und deshalb revisionsrechtlich beachtliche Lücken moniert hat, hat der BGH unter anderem die höchstrichterliche Rechtsprechung zum gebotenen Umfang der Darstellung der Beweiswürdigung bestätigt. Hiernach gilt:
Zwar verpflichtet § 261 StPO das Tatgericht, alle festgestellten Tatumstände und Beweisergebnisse, soweit sie für oder gegen den Angeklagten sprechen können oder beide Möglichkeiten zulassen, einer umfassenden Würdigung zu unterziehen; diese ist in den Urteilsgründen darzulegen. Die Darstellung kann jedoch ihrer Natur nach nicht in dem Sinne erschöpfend sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten ausdrücklich abgehandelt werden. Eine solche exzessive Erörterung würde die Möglichkeiten und Ressourcen der Gerichte übersteigen, ohne dass jemals absolute Vollständigkeit erreicht werden könnte. Sie ist daher von Rechts wegen nicht zu verlangen.
Ausreichend ist die Angabe des für die Entscheidung Wesentlichen. Die Urteilsgründe müssen deutlich machen, dass das Tatgericht naheliegende erhebliche Beweistatsachen nicht übersehen oder unvertretbar gewertet hat. Aus einzelnen tatsächlich bestehenden oder denkbaren Lücken der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, das Tatgericht habe nach den sonstigen Urteilsgründen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht. Eine revisionsrechtlich beachtliche Lücke liegt vielmehr erst vor, wenn eine wesentliche Feststellung überhaupt nicht erörtert oder ein aus den Urteilsgründen ersichtliches bedeutsames Beweisergebnis übergangen wird.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.12.2021
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)