21.11.2024
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Dokument-Nr. 31185

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Bundesgerichtshof Urteil15.12.2021

Urteil im NSU-Verfahren auch hinsichtlich des Angeklagten André E. und damit insgesamt rechtskräftigVerfahrens­beanstandung genügt mangels Tatsa­chen­vortrags den gesetzlichen Forman­for­de­rungen nicht

Die Verurteilung des Angeklagten André E. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ist rechtskräftig. Der Bundes­ge­richtshof hat eine entsprechende Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts München bestätigt. Von vier weiteren Vorwürfen - der Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit Herbeiführen einer schweren Spreng­stoff­explosion, der zweifachen Beihilfe zum Raub sowie der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung - hat das OLG ihn freigesprochen. Gegen das Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch der General­bun­des­anwalt diesen betreffend Revision eingelegt.

Nach den vom Oberlan­des­gericht zur Verurteilung des Angeklagten getroffenen Feststellungen verschaffte er der aus Böhnhardt, Mundlos und der - mittlerweile rechtskräftig verurteilten - Mitangeklagten Beate Z. bestehenden terroristischen Vereinigung NSU ("Natio­nal­so­zi­a­lis­tischer Untergrund") in den Jahren 2009, 2010 und 2011 jeweils zwei für ein Jahr gültige Bahncards der Deutschen Bahn, die auf ihn und seine Ehefrau ausgestellt, indes mit Lichtbildern von Böhnhardt und Z. versehen waren. Der Angeklagte hielt es zu diesen Zeitpunkten für möglich und nahm es hin, dass sich das abgetarnt im Untergrund lebende Trio zu einer Vereinigung verbunden hatte, deren Zwecke und Tätigkeit auf die Begehung von Tötungsdelikten und Spreng­stof­f­an­schlägen gerichtet waren. Wie ihm bekannt war, ermöglichten die Bahncards den beiden Begünstigten nicht nur, zu einem herabgesetzten Preis Bahnfahrkarten zu kaufen, sondern auch, sich behelfsmäßig unter falscher Identität auszuweisen.

BGH bestätigt höchst­rich­terliche Rechtsprechung zum gebotenen Umfang der Darstellung der Beweiswürdigung

Der BGH hat beide Rechtsmittel verworfen. Die Verfah­rens­be­an­standung des Angeklagten hat mangels Tatsa­chen­vortrags bereits den gesetzlichen Forman­for­de­rungen nicht genügt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die materi­ell­rechtliche Nachprüfung des schriftlichen Urteils, die auf die von beiden Revisi­ons­führern erhobenen Sachrügen geboten war, hat, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, keinen ihn benach­tei­li­genden Rechtsfehler, soweit er freigesprochen worden ist, keinen ihn begünstigenden Rechtsfehler ergeben (§ 337 StPO). Im Zentrum dieser Prüfung hat dabei die tatrichterliche Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite gestanden. Soweit der General­bun­des­anwalt insoweit verschie­dentlich weitere Erörterungen in den Gründen des angefochtenen Urteils vermisst und deshalb revisi­ons­rechtlich beachtliche Lücken moniert hat, hat der BGH unter anderem die höchst­rich­terliche Rechtsprechung zum gebotenen Umfang der Darstellung der Beweiswürdigung bestätigt. Hiernach gilt:

Exzessive Erörterung würde Möglichkeiten und Ressourcen der Gerichte übersteigen

Zwar verpflichtet § 261 StPO das Tatgericht, alle festgestellten Tatumstände und Bewei­s­er­gebnisse, soweit sie für oder gegen den Angeklagten sprechen können oder beide Möglichkeiten zulassen, einer umfassenden Würdigung zu unterziehen; diese ist in den Urteilsgründen darzulegen. Die Darstellung kann jedoch ihrer Natur nach nicht in dem Sinne erschöpfend sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdi­gungs­va­rianten ausdrücklich abgehandelt werden. Eine solche exzessive Erörterung würde die Möglichkeiten und Ressourcen der Gerichte übersteigen, ohne dass jemals absolute Vollständigkeit erreicht werden könnte. Sie ist daher von Rechts wegen nicht zu verlangen.

Ausreichend sind Angabe des für die Entscheidung Wesentlichen

Ausreichend ist die Angabe des für die Entscheidung Wesentlichen. Die Urteilsgründe müssen deutlich machen, dass das Tatgericht naheliegende erhebliche Beweistatsachen nicht übersehen oder unvertretbar gewertet hat. Aus einzelnen tatsächlich bestehenden oder denkbaren Lücken der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, das Tatgericht habe nach den sonstigen Urteilsgründen auf der Hand liegende Wertungs­ge­sichts­punkte nicht bedacht. Eine revisi­ons­rechtlich beachtliche Lücke liegt vielmehr erst vor, wenn eine wesentliche Feststellung überhaupt nicht erörtert oder ein aus den Urteilsgründen ersichtliches bedeutsames Beweisergebnis übergangen wird.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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