Dokument-Nr. 16642
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Bundesgerichtshof Beschluss22.08.2013
BGH bestätigt Verurteilung wegen Werbens um Mitglieder für Al QaidaAngeklagter zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt
Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung eines heute 27-Jährigen zu drei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe wegen Werbens um Mitglieder für Al Qaida für rechtskräftig erklärt.
Das Oberlandesgerichts Koblenz hatte den Angeklagten Hussam S. mit Urteil vom 17. April 2013 wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für ausländische terroristische Vereinigungen in 19 Fällen sowie in weiteren 2 Fällen wegen Gewaltdarstellung, davon in einem Fall in Tateinheit mit Billigung einer Straftat, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Der Angeklagte war in dieser Sache bereits im März 2012 (damals) vom Oberlandesgericht Koblenz wegen Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigungen in zwei Fällen und wegen Werbens um Mitglieder und Unterstützer für ausländische terroristische Vereinigungen in insgesamt 44 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Dieses Urteil hatte der Bundesgerichtshof mit im Januar 2013 bekannt gewordenem Beschluss teilweise aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen. In insgesamt 39 Fällen des Werbens bestätigte der Bundesgerichtshof die Schuld des Angeklagten, in einem Fall sprach er den Angeklagten frei, die Aufhebung und Zurückverweisung bezog sich auf die weiteren sechs Fälle.
OLG Koblenz: neue Gesamtstrafe für alle Taten
Das Oberlandesgericht Koblenz, das nun mit der Sache befasst war, hatte nach der Einstellung von vier Fällen des Werbens noch über die Schuld des Angeklagten in zwei Fällen zu befinden sowie insgesamt für alle Taten eine neue Gesamtstrafe zu bilden.
BGH konnte beim Bereitstellen der Links keine Unterstützungshandlung erkennen
In der Neuauflage des Verfahrens ging es daher insbesondere um den Vorwurf, der Angeklagte habe im Oktober bzw. November 2007 in zwei Internet-Foren jeweils einen Link zu einem Video eingestellt, das die grausame Enthauptung des im Irak als Geisel genommenen US-Staatsbürgers Nick Berg durch den Anführer der ausländischen terroristischen Vereinigung "Al Qaida im Zweistromland", Abu Musad Al Zarkawi, am 11. Mai 2004 zeigt. In seinem damaligen Urteil vom März 2012 hatte das Oberlandesgericht Koblenz die Verlinkung zu dem Video als Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewertet. Hierfür hatte das Oberverwaltungsgericht Koblenz mit jeweils einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe auch die höchsten Einzelstrafen gebildet, die maßgeblich auch die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren bestimmt hatten. Der Bundesgerichtshof bewertete diese beiden Fälle in seinem Beschluss abweichend und konnte in dem Bereitstellen des Links keine Unterstützungshandlung erkennen.
Die Verurteilung des Angeklagten ist auf folgende Sachverhalte zurückzuführen:
Angeklagter baute eigene Medienstelle zur Bearbeitung und Verbreitung islamistischer Jihad-Propaganda
1. Der in Syrien geborene Angeklagte, der Staatenloser palästinensischer Volkszugehörigkeit ist, lebt seit 1990 in Deutschland und war vor seiner Inhaftierung am 4. Juli 2010 zuletzt Student und wohnte in Montabaur. Im Laufe des Jahres 2007 entschloss er sich, den Jihad von Al Qaida und anderen islamistischen Terrorvereinigungen dadurch zu unterstützen, dass er deren Video- und Textbotschaften übersetzte und im Internet verbreitete. Dabei ging er höchst konspirativ vor, nutzte eine Vielzahl von Email-Adressen und Benutzernamen und verschleierte seine Internetaktivitäten durch entsprechende Software. Da er nach dem Auszug aus dem Elternhaus über keinen Internet-Anschluss verfügte, "hackte" er sich in fremde WLAN-Netze seiner Nachbarschaft ein und nutzte diese Anschlüsse, um Jihad-Propaganda über das Internet zu verbreiten. Nachdem der Angeklagte Botschaften von Al Qaida und anderen islamistischen Terrorvereinigungen zunächst in den jihadistischen Internet-Foren der deutschen Sektion der Globalen Islamischen Medienfront (GIMF) präsentiert hatte, entschloss er sich, eine eigene Medienstelle zur Bearbeitung und Verbreitung islamistischer Jihad-Propaganda aufzubauen. Zu diesem Zweck gründete er das Al Ansar Media Battalion (AAMB), das aus mehreren deutschsprachigen Weblogs und einem jihadistischen Internet-Forum bestand; es entwickelte sich nach dem Zusammenbruch der deutschsprachigen GIMF im Sommer 2008 zum bedeutendsten Medium zur Verbreitung islamistischer Jihad-Propaganda im deutschsprachigen Raum. Zuletzt administrierte der Angeklagte das deutschsprachige Jihad-Forum unter dem Dach des international agierenden Ansar Al-Dschihad Netzwerk (AADN).
Angeklagter befürwortete Anschläge auf der ganzen Welt
2. Das Oberlandesgericht Koblenz hatte in der neuen Verhandlung bezüglich der 39 Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für ausländische terroristische Vereinigungen von der Schuld des Angeklagten auszugehen, da der Bundesgerichtshof den Schuldspruch in all diesen Fällen bestätigt hatte.
Der Angeklagte verbreitete somit von September 2007 bis Dezember 2009 jihadistische Audio-, Video- und Textbeiträge in den Internetforen der Globalen Islamischen Medienfront, des Al-Ansar Media Battalion und des Ansar Al-Dschihad-Netzwerks. Mit insgesamt 39 Veröffentlichungen warb er gezielt dafür, sich am gewaltsamen Jihad von Al Qaida, Al Qaida im Zweistromland/Islamischer Staat Irak, der Islamischen Jihad Union und der Islamischen Bewegung Usbekistan zu beteiligen. Insbesondere stellte er Erklärungen von Rädelsführern oder sonstigen Repräsentanten dieser terroristischen Vereinigungen auf verschiedenen Internetseiten ein und machte sich deren Inhalt durch befürwortende Begleitkommentare oder die Art und Weise der Präsentation zu eigen. Die Auswertung der Internetbeiträge ergab, dass der Angeklagte nicht nur den bewaffneten Jihad gegen die ausländischen Truppen insbesondere in Afghanistan und im Irak befürwortete, sondern sich für die gewaltsame Verbreitung des Islam auf der ganzen Welt einsetzte. Die Attentäter der Anschläge vom 11. September 2001 und anderer Terrorakte pries er als vorbildliche Märtyrer und er befürwortete solche Anschläge auf der ganzen Welt, insbesondere auch in Deutschland.
Erfüllung des Tatbestands der Gewaltdarstellung gem. § 131 StGB
3. Bezüglich der beiden aufgehobenen Fälle (Verlinkung zum Enthauptungsvideo) hatte das Oberlandesgericht Koblenz nach der Vorgabe des Bundesgerichtshofs noch zu prüfen, ob das Einstellen des Links den Tatbestand der Gewaltdarstellung (§ 131 StGB) oder der Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) erfüllt.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das Oberlandesgericht Koblenz in beiden Fällen die Schuld des Angeklagten bezüglich des Tatbestandes der Gewaltdarstellung, in einem der Fälle in Tateinheit mit der Billigung von Straftaten festgestellt. Insbesondere hat der Angeklagte in der neuen Verhandlung eingeräumt, die Links zu dem Enthauptungsvideo eingestellt zu haben, der Inhalt der weiteren Beweisaufnahme hat diese geständige Einlassung des Angeklagten bestätigt. Der Angeklagte hat in beiden Fällen den Tatbestand der Gewaltdarstellung (§ 131 StGB) erfüllt. Er hat ein Video zugänglich gemacht, das grausame Gewalttätigkeiten gegen einen Menschen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung dieser Gewalttätigkeiten ausdrückt. Zudem hat er in einem der Fälle eine Straftat - den Mord an Nick Berg - gebilligt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören (Billigung von Straftaten, § 140 StGB). Denn mit der Verlinkung und seinem zusätzlich eingefügten Kommentar hat der Angeklagte versucht, potentielle Täter zu entsprechenden Taten aufzuhetzen und das Sicherheitsgefühl der Menschen in westlichen Staaten zu beeinträchtigen.
Langer Tatzeitraum war zu berücksichtigen
4. Das Oberlandesgericht Koblenz hatte nun für diese insgesamt 41 Taten eine neue Gesamtstrafe zu bilden. Da die zweimalige Verlinkung zu dem Enthauptungsvideo nicht mehr als Unterstützungshandlung gewertet werden durfte, war für diese beiden Taten jeweils eine deutlich geringere Einzelstrafe auszusprechen, was auch zu einer Reduzierung der Gesamtfreiheitsstrafe führen musste.
Bei der Strafzumessung hatte der Senat das Geständnis und die im Verfahren ausgesprochene Reue des Angeklagten zu berücksichtigen. Zudem war die lange Untersuchungshaft von zwei Jahren und acht Monaten in die Abwägung einzubeziehen. Zu Lasten des Angeklagten war hingegen u.a. der lange Tatzeitraum von über zwei Jahren sowie vor allem der Umstand zu berücksichtigen, dass er Aktivitäten zugunsten der gefährlichsten ausländischen terroristischen Vereinigung entfaltet hat. Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände sprach der Senat eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten aus.
Aufhebung des Haftbefehls
5.Der Angeklagte befand sich vom 4. Juli 2010 bis 26. Februar 2013 in Untersuchungshaft, mit Beschluss vom 25. Februar 2013 hat der Staatsschutzsenat den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Entsprechend dem Antrag der Generalbundesanwaltschaft und der Verteidigung ist der Haftbefehl mit Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz aufgehoben worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.08.2013
Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online
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