21.11.2024
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Bundesgerichtshof Beschluss22.08.2013

BGH bestätigt Verurteilung wegen Werbens um Mitglieder für Al QaidaAngeklagter zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt

Der Bundes­ge­richtshof hat die Verurteilung eines heute 27-Jährigen zu drei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe wegen Werbens um Mitglieder für Al Qaida für rechtskräftig erklärt.

Das Oberlan­des­ge­richts Koblenz hatte den Angeklagten Hussam S. mit Urteil vom 17. April 2013 wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für ausländische terroristische Vereinigungen in 19 Fällen sowie in weiteren 2 Fällen wegen Gewaltdarstellung, davon in einem Fall in Tateinheit mit Billigung einer Straftat, zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Der Angeklagte war in dieser Sache bereits im März 2012 (damals) vom Oberlan­des­gericht Koblenz wegen Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigungen in zwei Fällen und wegen Werbens um Mitglieder und Unterstützer für ausländische terroristische Vereinigungen in insgesamt 44 Fällen zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von fünf Jahren verurteilt worden. Dieses Urteil hatte der Bundes­ge­richtshof mit im Januar 2013 bekannt gewordenem Beschluss teilweise aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht Koblenz zurückverwiesen. In insgesamt 39 Fällen des Werbens bestätigte der Bundes­ge­richtshof die Schuld des Angeklagten, in einem Fall sprach er den Angeklagten frei, die Aufhebung und Zurück­ver­weisung bezog sich auf die weiteren sechs Fälle.

OLG Koblenz: neue Gesamtstrafe für alle Taten

Das Oberlan­des­gericht Koblenz, das nun mit der Sache befasst war, hatte nach der Einstellung von vier Fällen des Werbens noch über die Schuld des Angeklagten in zwei Fällen zu befinden sowie insgesamt für alle Taten eine neue Gesamtstrafe zu bilden.

BGH konnte beim Bereitstellen der Links keine Unter­stüt­zungs­handlung erkennen

In der Neuauflage des Verfahrens ging es daher insbesondere um den Vorwurf, der Angeklagte habe im Oktober bzw. November 2007 in zwei Internet-Foren jeweils einen Link zu einem Video eingestellt, das die grausame Enthauptung des im Irak als Geisel genommenen US-Staatsbürgers Nick Berg durch den Anführer der ausländischen terroristischen Vereinigung "Al Qaida im Zweistromland", Abu Musad Al Zarkawi, am 11. Mai 2004 zeigt. In seinem damaligen Urteil vom März 2012 hatte das Oberlan­des­gericht Koblenz die Verlinkung zu dem Video als Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewertet. Hierfür hatte das Oberver­wal­tungs­gericht Koblenz mit jeweils einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe auch die höchsten Einzelstrafen gebildet, die maßgeblich auch die Höhe der Gesamt­frei­heits­strafe von fünf Jahren bestimmt hatten. Der Bundes­ge­richtshof bewertete diese beiden Fälle in seinem Beschluss abweichend und konnte in dem Bereitstellen des Links keine Unter­stüt­zungs­handlung erkennen.

Die Verurteilung des Angeklagten ist auf folgende Sachverhalte zurückzuführen:

Angeklagter baute eigene Medienstelle zur Bearbeitung und Verbreitung islamistischer Jihad-Propaganda

1. Der in Syrien geborene Angeklagte, der Staatenloser paläs­ti­nen­sischer Volks­zu­ge­hö­rigkeit ist, lebt seit 1990 in Deutschland und war vor seiner Inhaftierung am 4. Juli 2010 zuletzt Student und wohnte in Montabaur. Im Laufe des Jahres 2007 entschloss er sich, den Jihad von Al Qaida und anderen islamistischen Terror­ver­ei­ni­gungen dadurch zu unterstützen, dass er deren Video- und Textbotschaften übersetzte und im Internet verbreitete. Dabei ging er höchst konspirativ vor, nutzte eine Vielzahl von Email-Adressen und Benutzernamen und verschleierte seine Inter­ne­t­ak­ti­vitäten durch entsprechende Software. Da er nach dem Auszug aus dem Elternhaus über keinen Internet-Anschluss verfügte, "hackte" er sich in fremde WLAN-Netze seiner Nachbarschaft ein und nutzte diese Anschlüsse, um Jihad-Propaganda über das Internet zu verbreiten. Nachdem der Angeklagte Botschaften von Al Qaida und anderen islamistischen Terror­ver­ei­ni­gungen zunächst in den jihadistischen Internet-Foren der deutschen Sektion der Globalen Islamischen Medienfront (GIMF) präsentiert hatte, entschloss er sich, eine eigene Medienstelle zur Bearbeitung und Verbreitung islamistischer Jihad-Propaganda aufzubauen. Zu diesem Zweck gründete er das Al Ansar Media Battalion (AAMB), das aus mehreren deutsch­spra­chigen Weblogs und einem jihadistischen Internet-Forum bestand; es entwickelte sich nach dem Zusammenbruch der deutsch­spra­chigen GIMF im Sommer 2008 zum bedeutendsten Medium zur Verbreitung islamistischer Jihad-Propaganda im deutsch­spra­chigen Raum. Zuletzt administrierte der Angeklagte das deutsch­sprachige Jihad-Forum unter dem Dach des international agierenden Ansar Al-Dschihad Netzwerk (AADN).

Angeklagter befürwortete Anschläge auf der ganzen Welt

2. Das Oberlan­des­gericht Koblenz hatte in der neuen Verhandlung bezüglich der 39 Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für ausländische terroristische Vereinigungen von der Schuld des Angeklagten auszugehen, da der Bundes­ge­richtshof den Schuldspruch in all diesen Fällen bestätigt hatte.

Der Angeklagte verbreitete somit von September 2007 bis Dezember 2009 jihadistische Audio-, Video- und Textbeiträge in den Internetforen der Globalen Islamischen Medienfront, des Al-Ansar Media Battalion und des Ansar Al-Dschihad-Netzwerks. Mit insgesamt 39 Veröf­fent­li­chungen warb er gezielt dafür, sich am gewaltsamen Jihad von Al Qaida, Al Qaida im Zweistromland/Islamischer Staat Irak, der Islamischen Jihad Union und der Islamischen Bewegung Usbekistan zu beteiligen. Insbesondere stellte er Erklärungen von Rädelsführern oder sonstigen Repräsentanten dieser terroristischen Vereinigungen auf verschiedenen Internetseiten ein und machte sich deren Inhalt durch befürwortende Begleit­kom­mentare oder die Art und Weise der Präsentation zu eigen. Die Auswertung der Inter­net­beiträge ergab, dass der Angeklagte nicht nur den bewaffneten Jihad gegen die ausländischen Truppen insbesondere in Afghanistan und im Irak befürwortete, sondern sich für die gewaltsame Verbreitung des Islam auf der ganzen Welt einsetzte. Die Attentäter der Anschläge vom 11. September 2001 und anderer Terrorakte pries er als vorbildliche Märtyrer und er befürwortete solche Anschläge auf der ganzen Welt, insbesondere auch in Deutschland.

Erfüllung des Tatbestands der Gewalt­dar­stellung gem. § 131 StGB

3. Bezüglich der beiden aufgehobenen Fälle (Verlinkung zum Enthaup­tungsvideo) hatte das Oberlan­des­gericht Koblenz nach der Vorgabe des Bundes­ge­richtshofs noch zu prüfen, ob das Einstellen des Links den Tatbestand der Gewalt­dar­stellung (§ 131 StGB) oder der Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) erfüllt.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das Oberlan­des­gericht Koblenz in beiden Fällen die Schuld des Angeklagten bezüglich des Tatbestandes der Gewalt­dar­stellung, in einem der Fälle in Tateinheit mit der Billigung von Straftaten festgestellt. Insbesondere hat der Angeklagte in der neuen Verhandlung eingeräumt, die Links zu dem Enthaup­tungsvideo eingestellt zu haben, der Inhalt der weiteren Beweisaufnahme hat diese geständige Einlassung des Angeklagten bestätigt. Der Angeklagte hat in beiden Fällen den Tatbestand der Gewalt­dar­stellung (§ 131 StGB) erfüllt. Er hat ein Video zugänglich gemacht, das grausame Gewalt­tä­tig­keiten gegen einen Menschen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung dieser Gewalt­tä­tig­keiten ausdrückt. Zudem hat er in einem der Fälle eine Straftat - den Mord an Nick Berg - gebilligt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören (Billigung von Straftaten, § 140 StGB). Denn mit der Verlinkung und seinem zusätzlich eingefügten Kommentar hat der Angeklagte versucht, potentielle Täter zu entsprechenden Taten aufzuhetzen und das Sicher­heits­gefühl der Menschen in westlichen Staaten zu beeinträchtigen.

Langer Tatzeitraum war zu berücksichtigen

4. Das Oberlan­des­gericht Koblenz hatte nun für diese insgesamt 41 Taten eine neue Gesamtstrafe zu bilden. Da die zweimalige Verlinkung zu dem Enthaup­tungsvideo nicht mehr als Unter­stüt­zungs­handlung gewertet werden durfte, war für diese beiden Taten jeweils eine deutlich geringere Einzelstrafe auszusprechen, was auch zu einer Reduzierung der Gesamt­frei­heits­strafe führen musste.

Bei der Strafzumessung hatte der Senat das Geständnis und die im Verfahren ausgesprochene Reue des Angeklagten zu berücksichtigen. Zudem war die lange Unter­su­chungshaft von zwei Jahren und acht Monaten in die Abwägung einzubeziehen. Zu Lasten des Angeklagten war hingegen u.a. der lange Tatzeitraum von über zwei Jahren sowie vor allem der Umstand zu berücksichtigen, dass er Aktivitäten zugunsten der gefährlichsten ausländischen terroristischen Vereinigung entfaltet hat. Unter Berück­sich­tigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände sprach der Senat eine Gesamt­frei­heits­strafe von drei Jahren und vier Monaten aus.

Aufhebung des Haftbefehls

5.Der Angeklagte befand sich vom 4. Juli 2010 bis 26. Februar 2013 in Unter­su­chungshaft, mit Beschluss vom 25. Februar 2013 hat der Staats­schutzsenat den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Entsprechend dem Antrag der General­bun­des­an­walt­schaft und der Verteidigung ist der Haftbefehl mit Beschluss des Oberlan­des­ge­richts Koblenz aufgehoben worden.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online

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