Dokument-Nr. 28577
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- NJW 2019, 789Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2019, Seite: 789
- NStZ 2019, 277Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2019, Seite: 277
- Landgericht Kassel, Urteil27.06.2017
Bundesgerichtshof Beschluss15.08.2018
BGH: Strafrichter kann sich bei "probeweisem" Einsperren des Beschuldigten wegen Rechtsbeugung und Aussageerpressung strafbar machenKeine Strafbarkeit bei nur sehr kurzem Einsperren und Möglichkeit des Beschuldigten Maßnahme abzubrechen
Sperrt ein Strafrichter einen Beschuldigten "probeweise" in einem Haftraum ein, kann er sich wegen Rechtsbeugung nach § 339 StGB und Aussageerpressung nach § 343 StGB strafbar machen. Eine Strafbarkeit ist jedoch dann nicht gegeben, wenn der Beschuldigte auf Wunsch jederzeit den Haftraum verlassen darf und die Maßnahme nur eine sehr kurze Zeit andauerte. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Strafrichter an einem Amtsgericht entschloss sich in einer Hauptverhandlung, in der es um eine Strafbarkeit wegen Exhibitionismus ging, den Beschuldigten "probeweise" einen Haftraum zu zeigen. Hintergrund dessen war, dass der Beschuldigte trotz intensiver Befragung kein Geständnis abgab. Dieses wollte aber der Richter, damit er die Durchführung einer Therapie anordnen konnte. Er brachte den Beschuldigten mit den Worten "Sie kommen jetzt mal mit, ich zeige Ihnen mal, wie Ihre Zukunft aussehen kann." zusammen mit einem Wachtmeister in einer Gewahrsamszelle des Gerichts. Die Zellentür wurde geschlossen und der Riegel vorgeschoben. Auf Wunsch konnte der Beschuldigte jederzeit aus der Zelle gelassen werden. Nach höchstens einer Minute wurde der Beschuldigte - wie zuvor zugesagt - wieder aus der Zelle entlassen und die Beteiligten gingen wieder zurück in den Gerichtssaal. Die ganze Aktion hatte etwa fünf Minuten gedauert. Anschließend sträubte sich der Beschuldigte zunächst ein Geständnis abzulegen, tat dies dann aber doch.
Landgericht verurteilte Richter wegen Rechtsbeugung und Aussageerpressung
Das Landgericht Kassel verurteilte den Strafrichter aufgrund der Tat wegen Rechtsbeugung und Aussageerpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, welche aber zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Richter legte dagegen Revision ein.
Bundesgerichtshof sah keine Strafbarkeit wegen Aussageerpressung
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Richters und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Eine Strafbarkeit wegen Aussageerpressung nach § 343 StGB tragen die Feststellungen des Landgerichts nicht. In dem Verschließen der Zellentür sei keine Gewaltanwendung zu sehen, da darin weder ein Einsperren noch eine Freiheitsberaubung liege. Aufgrund der Zusage des Richters, der Beschuldigte könne jederzeit aus der Zelle entlassen werden, sei dem Beschuldigten ein Verlassen der Zelle möglich gewesen. Eine Fortbewegung sei daher nicht unmöglich gemacht worden. Zudem sei der Beschuldigte durch die Maßnahme nicht seelisch gequält worden. Dies hätte eine länger andauernde oder ständig sich wiederholende Peinigung vorausgesetzt. Davon könne hier keine Rede sein.
Mögliche Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung
Eine Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung nach § 339 StGB aufgrund der Anwendung einer verbotenen Vernehmungsmethode (§ 136 a StPO) konnte der Bundesgerichtshof aus den Feststellungen des Landgerichts nicht erkennen. Zum einen sei der Beschuldigte nicht eingesperrt worden und zum anderen liege keine Quälerei vor. Jedoch kam in Betracht, dass der Beschuldigte durch eine unerlaubte, erhebliche manipulative Einflussnahme und einen dadurch erzeugten schwerwiegenden seelischen Druck in seiner Entscheidung über das Ob und Wie seiner Aussage maßgeblich beeinträchtigt worden sei. Der Bundesgerichtshof verwies den Fall daher an das Landgericht zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.03.2020
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)
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