24.11.2024
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Dokument-Nr. 6223

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Beschluss11.06.2008Bundesgerichtshof2 StR 30/08
Vorinstanz:
  • Landgericht Erfurt, Urteil21.09.2007, 986 Js 40436/06 - 3 KLs jug.
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss11.06.2008

Verurteilung einer Mutter wegen Mordes und versuchten Mordes durch Vernach­läs­sigung der eigenen Kinder rechtskräftig

Der Bundes­ge­richtshof hat die Verurteilung einer jungen Mutter wegen Mordes und versuchten Mordes durch Vernach­läs­sigung der eigenen Kinder bestätigt. Die Frau hatte ihren knapp 10 Monate alten Sohn und ihre 2jährige Tochter mehrere Tage unbeaufsichtigt gelassen hatte und wusste, dass sich niemand um die Kinder kümmern würde. Der Sohn verdurstete - die Tochter konnte durch sofortige ärztliche Behandlung gerettet werden.

Das Landgericht Erfurt hat die Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord, gefährlicher Körper­ver­letzung und Misshandlung von Schutz­be­fohlenen durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt.

Sachverhalt

Nach den Feststellungen des Landgerichts lebte die am 1.8.1986 geborene Angeklagte seit der Trennung von ihrem Ehemann im August 2006 mit den beiden gemeinsamen Kindern – nämlich einer am 25.11.2004 geborenen Tochter und einem am 23.2.2006 geborenen Sohn – in einer Wohnung in Sömmerda. Nachdem Anfang November 2006 wegen nicht bezahlter Rechnungen der Strom abgestellt worden war, begann die Angeklagte, der bis dahin die Bewältigung ihres Alltages und die Versorgung der beiden Kinder noch gut gelungen war, sich nachts außerhalb der Wohnung aufzuhalten und die Kinder nur noch einmal tagsüber aufzusuchen, um sie mit fester Nahrung und Getränken zu versorgen und ihre Windeln zu wechseln. Hilfsangebote von verschiedenen Seiten schlug sie aus, den Verbleib der Kinder und ihren sich allmählich verschlech­ternden Zustand verschleierte sie gegenüber Dritten. Am 10.12.2006 suchte sie die Wohnung zum letzten Mal auf, wechselte die Windeln und gab beiden Kindern Nahrung, jedoch nur ihrer Tochter etwas zu trinken. Danach ließ sie die Kinder in getrennten Kinderbetten, die sie allein nicht verlassen konnten, zurück. In den folgenden Tagen kehrte die Angeklagte in dem Bewusstsein, dass außer ihr niemand den Aufenthaltsort der Kinder kannte und sich um sie kümmern würde und dass beide Kinder in Folge der fehlenden Flüssig­keits­zufuhr sterben würden, nicht mehr in die Wohnung zurück. Am 14.12.2006 wurde die Wohnung durch Mitar­bei­te­rinnen des Jugendamtes und Polizeibeamte geöffnet. Sie fanden den knapp 10 Monate alten Jungen verdurstet in seinem Bett vor. Das zweijährige Mädchen befand sich in einem lebens­be­drohlich ausgetrockneten Zustand, konnte aber durch sofortige ärztliche Behandlung gerettet werden.

Das Landgericht hat die Tat als einen grausam und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mord zum Nachteil des Jungen in Tateinheit mit versuchtem Mord, gefährlicher Körper­ver­letzung und Misshandlung von Schutz­be­fohlenen zum Nachteil des Mädchens gewertet. Es hat auf die zur Tatzeit 20 Jahre und 4 Monate alte Angeklagte kein Jugend-, sondern Erwach­se­nen­strafrecht angewendet und hat auch eine Milderung des gesetzlichen Strafrahmens unter dem Gesichtspunkt der Begehung der Tat durch ein Unterlassen abgelehnt, weil angesichts der konkreten Tatumstände das Unterlassen der Angeklagten nicht weniger schwer wiege als eine Tötung durch aktives Tun. Es hat jedoch von der durch § 106 Abs. 1 des Jugend­ge­richts­ge­setzes vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, bei Anwendung des allgemeinen Strafrechts auf einen Heranwachsenden statt auf lebenslange Freiheitsstrafe auf eine solche von zehn bis fünfzehn Jahren zu erkennen.

BGH verwirft die Revision

Der 2. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten als unbegründet verworfen, weil die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Die Verurteilung ist damit rechtskräftig.

Gesetzestext:

§ 106 Abs. 1 JGG: "Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen."

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 114/08 des BGH vom 17.06.2008

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