23.11.2024
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Dokument-Nr. 9707

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Beschluss20.05.2010Bundesgerichtshof1 StR 577/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DStR 2010, 1133Zeitschrift: Deutsches Steuerrecht (DStR), Jahrgang: 2010, Seite: 1133
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Vorinstanz:
  • Landgericht München II, Urteil23.06.2009, W5 KLs 62 19810/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss20.05.2010

BGH: Strafbefreiende Selbstanzeige nur bei Rückkehr zur Steuer­ehr­lichkeitSteuer­hin­ter­zieher müssen für mögliche Straffreiheit alle verheimlichten Konten offenlegen

Eine Strafbefreiung aufgrund einer Selbstanzeige bei Steuer­hin­ter­ziehung und Betrug ist nur dann möglich, wenn der Beschuldigte zur Steuerlichkeit zurückkehrt. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Landgericht München II den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und Betruges in mehreren Fällen zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von sieben Jahren verurteilt.

Sachverhalt

Dem Urteil lag zugrunde, dass der Angeklagte, Geschäftsführer einer US-amerikanischen Gesellschaft im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Medizingeräten, mit unwahren Angaben über den Entwick­lungsstand von Produkten Anleger, die Anteile der Gesellschaft zu einem überhöhten Preis erworben hatten, um nahezu 3 Mio. Euro geschädigt hatte. Daneben hatte er es pflichtwidrig unterlassen, für das Jahr 2000 eine inländische Einkom­men­steu­e­r­er­klärung abzugeben, obwohl er Vermitt­lungs­pro­vi­sionen aus dem Verkauf von Aktien erhalten hatte und aufgrund seines dauerhaften Aufenthalts im Inland in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war. Hierdurch hatte er Einkommensteuer und Solida­ri­täts­zu­schlag von mehr als 5,8 Mio. DM verkürzt.

Angeklagter hält Verurteilung wegen Steuer­hin­ter­ziehung aufgrund von wirksamer Selbstanzeige für unzulässig

Der Angeklagte legte gegen seine Verurteilung Revision ein und machte dabei u. a. geltend, er hätte nicht wegen Steuer­hin­ter­ziehung verurteilt werden dürfen, weil er im Rahmen einer Durch­su­chungs­maßnahme noch wirksam Selbstanzeige erstattet und die von ihm hinterzogenen Steuern auch nachbezahlt habe.

BGH zur Selbstanzeige bei Steuer­hin­ter­ziehung

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision des Angeklagten verworfen und dabei zur Selbstanzeige bei Steuer­hin­ter­ziehung (§ 371 Abgabenordnung) die folgenden Ausführungen gemacht:

Rückkehr zur Steuer­ehr­lichkeit ist Voraussetzung

Mit der straf­be­freienden Selbstanzeige besteht für einen Steuer­hin­ter­zieher aus fiskalischen Gründen die Möglichkeit nachträglich Straffreiheit zu erlangen, wenn er durch Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben gegenüber dem Finanzamt dem Fiskus bislang verborgene Steuerquellen erschließt. Hinzukommen muss aber die Rückkehr zur Steuer­ehr­lichkeit.

Steuer­hin­ter­zieher muss hinsichtlich aller Konten "reinen Tisch" machen

Aus diesem Grund kann z.B. ein Steuer­hin­ter­zieher keine Straffreiheit erlangen, wenn er von mehreren bisher den Finanzbehörden verheimlichten Auslandskonten nur diejenigen offenbart, deren Aufdeckung er fürchtet; er muss hinsichtlich aller Konten "reinen Tisch" machen.

Keine Strafbefreiung nach Selbstanzeige bei bereits entdeckter Steuer­hin­ter­ziehung

Eine Strafbefreiung scheidet auch dann aus, wenn die Steuer­hin­ter­ziehung bereits entdeckt ist. Eine Tatentdeckung ist in der Regel bereits dann anzunehmen, wenn nach Aufdeckung einer Steuerquelle unter Berück­sich­tigung vorhandener weiterer Umstände nach allgemeiner krimi­na­lis­tischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder –ordnungs­wid­rigkeit nahe liegt. Stets ist die Tat entdeckt, wenn der Abgleich mit den Steue­r­er­klä­rungen des Steuer­pflichtigen ergibt, dass die Steuerquelle nicht oder unvollständig angegeben wurde.

Im Falle einer Durchsuchung wegen des Verdachts einer Steuerstraftat oder Steuer­ord­nungs­wid­rigkeit kommt eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr in Betracht (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Abgabenordnung). Dies gilt auch für solche Taten, die mit dem bisherigen Ermitt­lungs­ge­genstand in sachlichem Zusammenhang stehen.

Finanzbehörden müssen bei Prüfung der Frage über strafbefreiende Wirkung bei Selbstanzeige die Staats­an­walt­schaft einschalten

Führen die Finanzbehörden ein steuer­straf­recht­liches Ermitt­lungs­ver­fahren selbständig, müssen sie in gewichtigen Fällen die Staats­an­walt­schaft auch bei der Prüfung der Frage einschalten, ob eine Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung hat. Hierdurch wird gewährleistet, dass die Staats­an­walt­schaft die Wirksamkeit der Selbstanzeige selbst prüfen und das Verfahren erfor­der­li­chenfalls an sich ziehen kann.

§ 370 Abgabenordnung

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,

die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder

pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt

und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

§ 371 Abgabenordnung

Wer in den Fällen des § 370 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei.

Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1. vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung

ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuer­ord­nungs­wid­rigkeit erschienen ist oder

dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeld­ver­fahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist oder

die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

Sind Steuer­ver­kür­zungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für einen an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

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