21.11.2024
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Dokument-Nr. 14097

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Bundesgerichtshof Urteil04.09.2012

Inver­kehr­bringen von Ferti­g­a­rz­nei­mitteln ohne Zulassung: Bundes­ge­richtshof hebt Freispruch aufAngeklagte ersparte sich durch den Kauf von deutlich günstigeren, in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln mehr als 58.500,00 Euro

Der Bundes­ge­richtshof hat erstmals - und mit Auswirkungen für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle im Bundesgebiet - über die Reichweite der Zulas­sungs­pflicht für das Inver­kehr­bringen von Arzneimitteln zur Behandlung krebskranker Patienten (Zytostatika) entschieden und einen diesem Zusammenhang vom Landgericht München II ergangenen Freispruch für einen Apotheker aufgehoben.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ließ der Angeklagte in den Jahren 2006 und 2007 im Labor der von ihm geleiteten Apotheke auf Rezept Zytostatika-Lösungen auf der Basis des Ferti­g­a­rz­nei­mittels Gemzar zubereiten. Obwohl es ihm jederzeit möglich gewesen wäre, hierzu auf das in Deutschland zugelassene Medikament zurückzugreifen, bezog er in einer Vielzahl von Fällen eine stoffgleiche, nur in einigen anderen Staaten der Welt zugelassene Herstellung. Der Angeklagte ersparte sich durch den Einkauf des deutlich günstigeren, in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels Erwer­b­s­auf­wen­dungen in Höhe von mehr als 58.500,00 Euro. Bei der Abrechnung legte er nicht offen, dass das von ihm verwendete Arzneimittel nicht zugelassen war. Er rechnete vielmehr nach dem Listenpreis ab, was von den Patienten nicht bemerkt und bei stich­pro­ben­haften Rechnungs­prü­fungen der Kassen auch nicht beanstandet wurde.

Landgericht München: Zulas­sungs­vor­schriften nicht unbedingt verletzt

Dieses Verhalten des Angeklagten wurde von dem Landgericht München als straflos bewertet. Weil der Angeklagte nicht das erworbene Ferti­g­a­rz­nei­mittel, sondern eine daraus in seiner Apotheke hergestellte - zulassungsfreie - Rezeptur durch Herausgabe an die Patienten in den Verkehr gebracht habe, sei der Tatbestand des Inver­kehr­bringens von Ferti­g­a­rz­nei­mitteln ohne Zulassung nicht erfüllt. Auch ein Verstoß gegen die Verschrei­bungs­pflicht liege nicht vor, weil der Angeklagte die Rezep­tu­r­a­rz­nei­mittel entsprechend der ärztlichen Verschreibung abgegeben habe. Diese diene nicht der Durchsetzung von Zulas­sungs­vor­schriften. Schließlich habe der Angeklagte auch keinen Betrug begangen, da die von ihm abgegebene Lösung - mangels Zulassungspflicht - verkehrsfähig gewesen sei und eine Pflicht zur Offenlegung seiner Einkaufspreise nicht bestanden habe.

Revision der Staats­an­walt­schaft erfolgreich: Freispruch aufgehoben

Der Bundes­ge­richtshof hat auf die Revision der Staats­an­walt­schaft das freisprechende Urteil aufgehoben. Die Zulas­sungs­pflicht entfällt nicht dadurch, dass aus dem Arzneimittel Gemzar durch Hinzugabe von Kochsalzlösung eine Injek­ti­o­ns­lösung zubereitet wird. Die Verbringung eines Ferti­g­a­rz­nei­mittels in seine anwen­dungs­bereite Form macht aus ihm kein Rezep­tu­r­a­rz­nei­mittel; hierfür bedarf es vielmehr der Durchführung wesentlicher Herstel­lungs­schritte in der Apotheke. Die Pflicht zur Zulassung besteht damit fort. Eine solche Zulassung hätte bereits in einem vereinfachten Verfahren, in dem die stoffliche und therapeutische Identität des Medikaments mit der in Deutschland zugelassenen Herstellung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen ist, erreicht werden können. Damit kommt entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts eine Strafbarkeit gemäß § 96 Nr. 5 AMG in Betracht. Der Senat hat offen gelassen, ob, was im Hinblick darauf, dass ein Arzt grundsätzlich nur zugelassene Medikamente verschreiben will, naheliegt, auch § 96 Nr. 13 AMG verwirklicht ist. Jedenfalls tritt diese Strafvorschrift im vorliegenden Fall hinter § 96 Nr. 5 AMG zurück. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts kommt aber auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Betruges in Betracht, weil für nicht zugelassene Medikamente kein Erstat­tungs­an­spruch besteht. Damit läge ein Schaden in voller Höhe der von den Krankenkassen und privat versicherten Patienten zu Unrecht erstatteten Beträge vor.

*§ 96 AMG - Straf­vor­schriften

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

(…)

5. entgegen § 21 Abs. 1 Ferti­g­a­rz­nei­mittel oder Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, oder in einer Rechts­ver­ordnung nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 oder § 60 Abs. 3 bezeichnete Arzneimittel ohne Zulassung oder ohne Genehmigung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder des Rates der Europäischen Union in den Verkehr bringt,

(…)

13. entgegen § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit einer Rechts­ver­ordnung nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 Arzneimittel abgibt, wenn die Tat nicht in § 95 Abs. 1 Nr. 6 mit Strafe bedroht ist ,

(…).

** § 263 StGB

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermö­gens­vorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(…).

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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