23.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 5076

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ergänzende Informationen

Bundesfinanzhof Beschluss04.10.2007

Finanzamt darf die Arbeitsagentur über neben Arbeits­lo­sengeld bezogene Einkünfte informieren

Das Finanzamt darf von im Besteu­e­rungs­ver­fahren erlangte Informationen an die Arbeit­s­agenturen weitergeben, wenn diese sie benötigen, um prüfen und entscheiden zu können, ob von jemandem Arbeits­lo­sengeld zurückgefordert werden muss, weil er es zu Unrecht bezogen hat. Das Finanzamt muss vor der Weitergabe solcher Informationen nicht prüfen, ob der Steuer­pflichtige tatsächlich zu Unrecht Arbeits­lo­sengeld erhalten hat. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden.

Das Steuergeheimnis verpflichtet das Finanzamt (FA) grundsätzlich, niemandem zu offenbaren, was es bei der Besteuerung des Bürgers erfährt, sei es durch dessen Steuererklärung, sei es zum Beispiel bei einer Betriebsprüfung. Diese Geheim­hal­tungs­pflicht besteht auch gegenüber anderen Behörden. Allerdings ist dem FA unter anderem die Weitergabe von im Besteu­e­rungs­ver­fahren erlangten Informationen an die Arbeit­s­agenturen gestattet, wenn diese sie benötigen, um prüfen und entscheiden zu können, ob von jemandem Arbeitslosengeld zurückgefordert werden muss, weil er es zu Unrecht bezogen hat (§ 31 a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b bb) der Abgabenordnung).

Entscheidung des BFH

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine solche Weitergabe von Informationen über Einkünfte eines Bürgers an eine Arbeitsagentur, von der er Arbeits­lo­sengeld erhalten hat, auch dann zulässig ist, wenn aus den dem Finanzamt vorliegenden Informationen nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden kann, dass der Betreffende Arbeits­lo­sengeld zu Unrecht erhalten hat. Erforderlich sei nur, dass die weitergegebenen Informationen überhaupt nach Maßgabe des Sozial­ge­setz­buches III für die Entscheidung der Arbeitsagentur über eine etwaige Rückforderung von Arbeits­lo­sengeld erheblich sein können. Das FA müsse vor der Weitergabe solcher Informationen hingegen nicht etwa selbst prüfen, ob der Steuer­pflichtige tatsächlich zu Unrecht Arbeits­lo­sengeld erhalten hat.

Sachverhalt

Der Entscheidung liegt der Fall eines Steuer­pflichtigen zugrunde, der in drei Jahren jeweils mehrere Tausend Euro Arbeits­lo­sengeld erhalten, in diesen Jahren aber zugleich auch erhebliche Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und aus einem Gewerbebetrieb hatte. Das FA, das dies in einer Außenprüfung bei dem Steuer­pflichtigen festgestellt hat, beabsichtigt, die Arbeitsagentur über diese Einkünfte zu unterrichten. Deswegen hat der Betreffende das Finanzgericht (FG) angerufen, um dem FA die Weitergabe dieser Informationen an die Arbeitsagentur durch einstweilige Anordnung untersagen zu lassen. Er beruft sich darauf, dass er immer nur zeitweise arbeitslos gewesen sei und dann zu Recht Arbeits­lo­sengeld bezogen habe, während seine steuer­pflichtigen Einkünfte auf die Zeiträume entfielen, für die er kein Arbeits­lo­sengeld erhalten habe. Da das FA für die Einkom­mens­be­steuerung nur die Jahreseinkünfte ermittelt habe, die Berück­sich­tigung von Einkünften bei der Zahlung von Arbeits­lo­sengeld hingegen monatsweise erfolge, ergebe sich aus den Feststellungen des FA kein ausreichender Anhaltspunkt für den Verdacht, dass er zu Unrecht Arbeits­lo­sengeld bezogen habe. Nur bei einem konkreten Verdacht dürften jedoch die dem Steuergeheimnis unterliegenden Informationen weitergegeben werden.

Dieser Argumentation ist der BFH - wie schon das FG - nicht gefolgt und hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das FA abgelehnt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 95 des BFH vom 31.10.2007

der Leitsatz

1. Die Offenbarung durch das Steuergeheimnis geschützter Verhältnisse zur Durchführung eines Verwal­tungs­ver­fahrens zur Rückforderung von Arbeits­lo­sengeld setzt nicht voraus, dass die Finanzbehörde festgestellt hat, dass die Kenntnis der zu offenbarenden Tatsachen die Rückforderung rechtfertigt oder mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit rechtfertigen wird; ausreichend ist insofern, dass die Tatsachen für die Durchführung eines solchen Verwal­tungs­ver­fahrens überhaupt geeignet sind.

2. § 31 a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b bb AO ist verfas­sungsgemäß. Er verletzt insbesondere das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung weder in materieller noch wegen Unbestimmtheit der Offen­ba­rungs­be­fugnisse der Finanzbehörde in formeller Hinsicht.

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