21.11.2024
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Bundesfinanzhof Urteil25.11.2010

Vorsicht Kinder­be­treu­ungs­kosten: Nur wer selbst zahlt, kann Kosten steuerlich geltend machen - nicht aber der EhepartnerAusgaben von Ehepartnern bzw. Lebensgefährten können nicht dem Partner steuerlich zugeordnet werden

Im deutschen Steuerrecht gilt der Grundsatz der Indivi­du­al­be­steuerung. Ausgaben, die ein Dritter geleistet hat (sogenannter Drittaufwand), können grundsätzlich nur bei diesem Dritten berücksichtigt werden, nicht aber bei dem insoweit nicht belasteten Steuer­pflichtigen. Das gilt auch für Kinder­be­treu­ungs­kosten, die einer der Lebenspartner alleine bezahlt. Diese kann der andere Partner nicht geltend machen. Dies entschied der Bundesfinanzhof.

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der mit seiner ebenfalls als Angestellter arbeitenden Lebensgefährtin und ihrem gemeinsamen Kind in einem Haushalt zusammenlebte. Sein Jahresgehalt betrug brutto knapp 26.000 €, das der Lebensgefährtin nur knapp 13.000 €. Sie teilten sich ihre Lebens­hal­tungs­kosten wie Miete und Strom. Ihr Kind meldeten sie in einer Kindertagesstätte an. Die Lebensgefährtin unterschrieb den Betreu­ungs­vertrag mit der Kinder­ta­gesstätte und bezahlte das Entgelt von 990 € von ihrem Konto. Diese Kosten machte später der Kindesvater steuerlich geltend.

Finanzamt lehnt steuerliche Berück­sich­tigung ab

Das zuständige Finanzamt lehnte es jedoch ab, dem Antrag des Vaters zu folgen und zwei Drittel dieser Aufwendungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten des Vaters wie Werbungskosten gemäß §§ 4f, 9 Absatz 5 des Einkom­mens­steu­er­ge­setzes (EStG) zu berücksichtigen. Das Finanzamt begründete seinen ablehnenden Bescheid damit, dass die Kinder­be­treu­ungs­kosten nicht vom Vater, sondern von der Mutter getragen worden seien. Hiergegen klagte der Vater vor dem Thüringer Finanzgericht.

Sieg in der 1. Instanz: Bei "Wirtschaften aus einem Topf" kann auch Lebensgefährte Ausgaben des Partners geltend machen

Das Finanzgericht gab ihm in der 1. Instanz Recht. Da beide Elternteile in eheähnlicher Lebensgemeinschaft "aus einem Topf gewirtschaftet" hätten, sei der Kläger mit den Aufwendungen zur Kinderbetreuung wirtschaftlich belastet, obwohl diese vom Konto der Lebensgefährtin abgeflossen seien.

Niederlage in der 2. Instanz: Bundesfinanzhof lässt keine Ausnahme vom Grundsatz der Indivi­du­al­be­steuerung zu

Das Finanzamt legte gegen das Urteil Revision vor dem Bundesfinanzhof ein. Dieser entschied schließlich zugunsten des Finanzamts und wies die Klage in letzter Instanz ab. Hierzu führte der Bundesfinanzhof aus, dass das EStG durch die Grundsätze des objektiven und des subjektiven Nettoprinzips sowie der Indivi­du­al­be­steuerung geprägt werde. Eine Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben setze voraus, dass der Steuer­pflichtige den entsprechenden Tatbestand des EStG selbst verwirklicht habe. Ausgaben, die Dritte geleistet haben (sog. Drittaufwand), können grundsätzlich nur beim Dritten berücksichtigt werden, nicht aber bei dem insoweit nicht steuer­be­lasteten Steuer­pflichtigen.

Kläger hat das von seiner Lebensgefährtin bezahlte Kinder­be­treu­ungsgeld nicht an diese erstattet

Dem Wortlaut des § 4 f EStG seien keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine Abweichung von diesen Grundsätzen rechtfertigen würde. Der Kläger habe das Entgelt für die Kinderbetreuung nicht unmittelbar selbst gezahlt. Das Geld sei vielmehr ausschließlich vom Konto der Lebensgefährtin überwiesen worden. Der Kläger habe seiner Lebensgefährtin die von ihr an die Kinder­ta­gesstätte geleisteten Zahlungen auch nicht nachträglich - freiwillig oder als Aufwen­dungs­ersatz infolge eines Auftrags­ver­hält­nisses oder einer Geschäfts­führung ohne Auftrag - erstattet.

Trotz "Wirtschaftens aus einem Topf": Eltern des Kindes hielten ihre Vermö­gens­sphären getrennt

Soweit der Kläger und seine Lebensgefährtin "aus einem Topf" gewirtschaftet haben, erlaube dies nicht, ihm das gesamte Entgelt oder einen Teil des Entgeltes als eigenen Aufwand zuzurechnen. Denn die Einnahmen des Klägers und seiner Lebensgefährtin seien nicht auf ein gemein­schaft­liches Konto geflossen, von dem sodann die anfallenden Ausgaben bezahlt worden seien. Vielmehr haben der Kläger und die Lebensgefährtin ihre Vermö­gens­sphären getrennt gehalten.

Mutter bezahlte die Kinder­be­treu­ungs­kosten in eigenem Interesse

Dem Kläger können die von der Lebensgefährtin gezahlten Beträge nicht teilweise als eigener Aufwand zugerechnet werden. Die Rechts­grundsätze zum abgekürzten Zahlungs- oder Vertragsweg erlauben es zwar grundsätzlich, dem Steuer­pflichtigen Kosten als eigenen Aufwand zuzurechnen, die ein Dritter in seinem Interesse trage. Diese Grundsätze seien vorliegend jedoch nicht anwendbar . Denn die Lebensgefährtin habe mit dem Abschluss des Betreu­ungs­ver­trages für ihr Kind eigene Interessen gewahrt, da die Kinder­ta­gesstätte sie von der ihr als Mutter obliegenden Personensorge entlastete und ihr die Erwer­b­s­tä­tigkeit ermöglichte.

Leistungen können nicht eindeutig der Erwerbssphäre des Vaters zugeordnet werden

Zwar habe die Unterbringung des Kindes in der Tagesstätte auch dem Kläger genützt, da er als Vater ebenfalls zur Betreuung verpflichtet gewesen sei. Eine Zurechnung setze aber voraus, dass die aufgrund des Vertrages zu erbringenden Leistungen eindeutig der Erwerbsphäre des Steuer­pflichtigen und nicht des Dritten zuzuordnen seien oder dass sie wegen der Erwer­b­s­tä­tigkeit des Steuer­pflichtigen und nicht des Dritten anfallen.

Andere Beurteilung bei Führen eines Gemein­schafts­kontos möglich

Ob die von einem Gemein­schaftskonto gezahlten Entgelte teilweise dem Kläger zuzurechnen wären, obwohl nur die Lebensgefährtin der Kinder­ta­gesstätte zivilrechtlich verpflichtet war, und nach welchem Maßstab dies zu geschähen hätte, ließ der Bundesfinanzhof ausdrücklich offen.

Grundsätze des abgekürzten Vertragsweges bei Dauer­schuld­ver­hält­nissen ausgeschlossen

Auch wies das Gericht daraufhin, dass die Rechtsprechung die Anwendung der Grundsätze des abgekürzten Vertragsweges auf Dauer­schuld­ver­hältnisse bisher abgelehnt habe. Aus diesem Grund könnte eine Zurechnung bei Verträgen über die Betreuung von Kleinkindern in einer Tagesstätte ohnehin ausgeschlossen sein. Das Gericht ließ diese Frage aber offen.

Quelle: ra-online, Bundesfinanzhof (vt/we)

der Leitsatz

1. Kinder­be­treu­ungs­kosten können nur von demjenigen abgezogen werden, der sie getragen hat; § 4 a.F. EStG enthält insoweit weder besondere Zuord­nungs­regeln noch ein Zuord­nungs­wahlrecht.

2. Wenn von den zusammen lebenden, nicht miteinander verheirateten Eltern nur ein Elternteil den Vertrag mit der Kinder­ta­gesstätte abschließt und das Entgelt von seinem Konto zahlt, dann kann dieses weder vollständig noch anteilig dem anderen Elternteil unter dem Gesichtspunkt des abgekürzten Zahlungs- oder Vertragswegs als von ihm getragener Aufwand zugerechnet werden.

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